Alles wird anders

Noch immer war die Party in vollem Gange. Und endlich konnten wir mal loslassen, endlich genießen. Endlich mal kein Kampf mehr, sich nicht mehr rechtfertigen müssen. Gefeiert wurde bis in den frühen Morgen und so kamen wir erst nach fünf Uhr morgens ins Bett. Man hatte uns in einem gemütlich eingerichteten Gästezimmer untergebracht. Wir hatten sogar einen eigenen Balkon. Das schöne war, man hatte hier seine Ruhe. Kein Muss, wann man zum Frühstück unten sein musste. "Ihr kommt einfach, wenn ihr ausgeschlafen habt!", war die Antwort der Frau meines Chefs.

Man sah hier heute alles nicht so verbissen oder verklemmt. Die Etikette blieb heute einfach mal außen vor. Keiner musste überstylt erscheinen. Normale Klamotten, in denen man sich wohlfühlte, waren angesagt. Einfach pure Gemütlichkeit. Das hatte ich so nicht erwartet. Aber schön, wenn man erkennt, dass so ein gerissener Anwalt privat ein ganz anderer Typ Mensch ist: warmherzig, familiär, liebevoll...und im Job knallhart, immer überpünktlich...hart durchgreifend.

Doch was hatte er mit uns geplant, wenn wir schon übers Wochenende bleiben sollten? Und da war sie wieder, Amy, die immer alles hinterfragen musste. Irgendwie konnte ich das gar nicht abstellen, wollte es auch nicht. "Schlaf jetzt endlich!", knurrte mich Martin an, der sich zusammengerollt hatte. Ich lag in seinem Arm und betrachtete ihn. Ich hatte irgendwie den Schlaf übergangen, konnte einfach nicht abschalten.

"Na, das werd ich wohl noch ein wenig üben müssen!", dachte ich für mich und holte mir etwas zu trinken. Man hatte uns sogar Getränke für die Nacht hingestellt, echt an alles gedacht. Der reine Wahnsinn, man merkte, dass hier Frauenhände liebevoll dekoriert hatten. Später erfuhren wir, dass die Hausherrin dies hobbymäßig betrieb. Vielleicht konnte ich mich ja über das eine oder andere Einrichtungsproblem mit ihr verständigen. Mit ihr war ich jedenfalls auf einer Wellenlänge.

Ich lag noch immer wach, konnte nicht schlafen. Martin räkelte sich, drehte sich zu mit und gab mir einen Kuss. Er schaute mich an: "Was quält dich denn so,  das du nicht schlafen kannst?". Ich zuckte mit den Schultern,  was sollte ich sonst tun? Ich, Amy, angehende Juristin hatte Angst vor der Zukunft. Eine eigene Kanzlei war viel Verantwortung für mich, für Angestellte. War ich überhaupt schon soweit? Das konnte einem schon den Schlaf rauben. "Ich muss schlafen...", dachte ich und war dann doch irgendwie in Schlaf gefallen.

Irgendwie war ich wohl ganz schön kaputt, ein wenig angetrunken, aber wirklich nur leicht. Gegen zwei Uhr nachmittags waren wir dann ausgeschlafen. Von unseren Gastgebern war nichts zu sehen oder hören. Also schlich sich Martin nach unten und da stand ein frisch eingedeckter Tisch mit allem was das Herz begehrt. Dann fand man noch ein Kärtchen, worauf stand, dass wir uns alles holen konnten,  worauf wir Lust hatten.

Martin nahm ein Tablett und packte alles für ein leckeres Frühstück darauf. Anschließend schlich er sich wieder nach oben. Da wir einen Balkon hatten, frühstückten wir dort. Es war herrlicher Sonnenschein und so war es das reinste Vergnügen sich von Sonnenstrahlen den Rücken kitzeln zu lassen. Dann klingelte unser Handy und wir wurden eingeladen an einer kleinen Bootshaus teilzunehmen. Bequeme Sachen hatten wir vorsorglich eingepackt.

Also schnell umziehen und ab ins Auto. Nach einer Stunde Fahrt  erreichten wir den Bootsanlegeplatz. Dort stand es,  ein etwas größeres Boot, wo wir alle Platz hatten und der Hausherr selbst konnte es fahren.

Wir wurden also kutschiert, nur eben übers Wasser. Und uns wurde nicht schlecht, da wir schon desöfteren übers Wasser unterwegs waren, bevor wir früher mit meinem Bruder Stephan zum Klettern waren. Wehmut machte sich breit. Wie hätte er reagiert, dass ich jetzt mit seinem besten Freund zusammen bin? Wir werden es ja nun leider nicht mehr erfahren...Es sei denn, dass die beiden vorher mal darüber gesprochen haben...Es war herrliches Ausflugswetter und ich machte einfach von allen so ein paar nicht gestellte Bilder.

Die Landschaft nahm ich selbst ja ganz anders wahr als alle anderen. In meinem Kopf entwickelte sich bereits eine Skizze, welches Bild ich als nächstes zeichnen würde. Nur Martin bekam mit, was da gerade in mir vorging und er lächelte mich an. "Was hatte ich doch für ein Glück mit ihm!"

Irgendeiner hatte die Idee, dass wir doch ein wenig schwimmen gehen konnten. Bloß  gut, dass wir unsere Badesachen drunter trugen, obwohl ich mich eigentlich so niemanden außer Martin zeigen wollte. Ich druckste also ein wenig herum, bis jemand rief:

"Amy, du brauchst dich doch vor uns nicht zu genieren!". Trotzdem brauchte ich noch eine ganze Weile, bis mich entkleidete und auch mit in die Fluten sprang. Was war das herrlich. "Wieder etwas mehr mir getraut!", dachte ich so für mich und schwamm mit der Hausherrin um die Wette. Für ihr Alter war sie wirklich richtig gut in Form und ich hatte doch ein wenig Mühe  mit ihrem Tempo mithalten zu können. Und trotzdem machte es mir irgendwie auch Spaß. Ich schwamm mich frei...endlich. Und alle Last war seit gestern von mir abgefallen, seit ich endlich wieder rehabilitiert worden war, mit Kevins Hilfe.

"Wo war der überhaupt?", fragte ich mich, bis ich ihn am anderen Ufer entdeckte. Also noch einer, der richtig gut in Form war. "So nun aber wieder raus!" und man reichte mir die Hand, um mich wieder ins Boot zu hieven. Martin war kräftig genug, um dies alle zu bewerkstelligen. Schnell trocknete ich mich ab und verzog mich nach unten, um mir Wechselkleidung anzuziehen.

Martin kam gleich hinterher und half mir beim Anziehen. Nur nicht lachen, sonst würde ich mich verraten... Nach gefühlten zwanzig Minuten erschienen wir wieder auf Deck. Mein Boss grinste in sich hinein: "Na, ihr zwei Turteltauben, konntet wohl nicht mehr warten?". Ich lief rot an wie eine Tomate. Jedes Wort danach war überflüssig. Selbst Martin sagte erst mal nichts, sondern gab mir stattdessen vor allen einen Kuss. Das war ihm wohl Antwort genug. Ja, mein Boss hatte so eine spitzbübige Art an sich, obwohl gestern ja bereits sechsundsechzig Jahre alt geworden war.

Erstens sah für sein Alter noch verdammt gut aus und zweitens liebte er seine Frau noch wie am ersten Tag. Und drittens...Aber über die Person wollte er gerade nicht sprechen. Ich konnte es mir denken...aber nein es war so ein schöner Tag. Warum sollte man den jetzt noch versauen? Schon gar nicht wegen seiner einfältigen, intriganten Tochter. Sicherlich war sie nicht von Anfang an so...aber das wollte ich jetzt auch nicht wirklich vertiefen. Nachdem alle wieder an Bord waren, gab es frischen Kaffee und Törtchen für alle...und die Sonne kitzelte noch immer meinen Rücken. 









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