Kapitel 6: "Bitte bleib bei uns!"
Ich renne so schnell wie mich meine zerkratzten und blutenden Beine tragen können. Ich ignoriere die Schmerzen, die die Wunden auf meinem Körper verursachen. Ich muss mich beeilen. Sie darf nicht sterben.
Als ich mich umgedreht habe, während Zacks Pfeil mein Gesicht gestreift hat, habe ich etwas schreckliches erblickt. Der Pfeil hat sich mit erschreckender Präzision, trotz beinahe zwanzig Meter Entfernung, in die Schulter meiner Camargue-Stute Skyfall gebohrt. Kurz vor ihrem Flügel sieht man nur noch einen hölzernen Schaft. Ihre Atmung geht schwer und stoßweise.
Bei ihr angekommen lasse ich mich auf meine Knie fallen. Der Sand bohrt sich in die Wunden an meinen Beinen, aber ich ignoriere das dadurch ausgelöste Brennen. Mein Herz klopft immer schneller und ich muss mit den Tränen kämpfen. "Lia! Du musst jetzt ruhig bleiben! Ansonsten ist sie jetzt schon verloren!", versuche ich mich in Gedanken zu beruhigen. Die Menschen, die jetzt wieder näher gekommen sind und bereits um mich herum stehen, nehme ich nur noch gedämpft war. Ich höre bloß etwas wie, "Was war das denn?", oder, "Geht es ihr gut?" Doch auch darauf gebe ich keine Antwort.
Ich schließe meine Augen und atme tief durch. Ich suche in meinen Gedanken nach dem elbischen Heilspruch, den Tauriel mir danals beigebracht hat. Mit einem Mal schlage ich die Augen auf. Jetzt weiß ich wieder was zu tun ist. Schnell richte ich mich an meine Pegasi. "Ostwind, ich brauche unbedingt heilendes Wasser und ein Gefäß." Sofort gibt er mir ein lautes Wiehern als Antwort und galoppiert in die Dunkelheit. In einiger Entfernung sehe ich wie er sich in die Lüfte hebt. "Bucephalos, ich brauche so schnell wie möglich zwei Büschel Königskraut! Beeil dich!" Sie macht auf dem Absatz kehrt und galoppiert ebenfalls in die Nacht.
Dann drehe ich mich zu den Jungen hinter mir um. "Habt ihr so etwas wie eine Decke dabei, die dreckig werden darf?" "Ja haben wir. Warum?" "Erkläre ich später! Aber bitte bringt mir jetzt ganz schnell die Decke!" Die fünf setzen sich in Bewegung und rennen an mir vorbei. "Shhh... Alles wird wieder gut meine Süße.", murmele ich meiner Stute behutsam zu. Dann spüre ich den warmen Atem von Firefly in meinem Nacken. Als ich meinen Kopf zu ihm drehe, blickt er mich an als wolle er sagen: "Was soll ich machen? Ich will dir auch helfen!"
"Es wird alles gut! Aber du musst hierbleiben und auf Frisbee aufpassen, mein Großer!" Ich lege meine Stirn gegen seine und er schnaubt einmal. Dann gebe ich ihm einen sanften Kuss auf die Nüstern.
Ich wende mich wieder Skyfall zu und streichel ihr beruhigend über den Hals. Da bemerke ich wie sich eine Person neben mir im Sand niederlässt. Es ist Harry und zum Glück hat er die Decke in den Händen. Schnell nehme ich sie an mich. "Danke Harry! Bitte geh wieder zu den Anderen und mach ein Feuer! Es beruhigt Firefly und mich im Augenwinkel Flammen lodern zu sehen." Mit einem "Okay" steht er auf und geht wieder zu seinen Freunden.
Kurz darauf lodert ein kleines Lagerfeuer bei ihnen, aber als ich einen Blick zu ihnen werfe merke ich ,dass Chloe, Zoe und Saskia immer noch dort sitzen. Ich stoße einen genervten Seufzer aus, werde aber von einem leisen, klagenden Wiehern wieder aufmerksam. Skyfall liegt vor mir und verdreht die Augen. "Nein! Bitte bleib bei uns!" Man sieht ihr förmlich an wie sie kaum noch Kraft hat. Ich muss mich beeilen! Ich ziehe einen meiner Dolche und fange an den Pfeil aus ihrer Schulter 'herauszuoperieren'. Leider bricht zuerst der Schaft ab und ich muss mit dem Dolch noch tiefer in die Wunde. Ab und an wiehert Skyfall vor Schmerz laut auf, aber wenn ich ihr dann zuspreche entspannt sie sich wieder etwas mehr.
Endlich bekomme ich auch die Metallspitze heraus und lege vorsichtig die Decke über die Wunde. Dann inspiziere ich die Pfeilspitze und leider bewahrheitet sich meine Vermutung. Es handelt sich tatsächlich um eine Pfeilspitze, die von Orks geschmiedet wurde. Ich weiß nicht wie Zack an so einen Pfeil gekommen ist, aber es ist wahrscheinlich keine gute Nachricht.
Ich höre das Geklapper der Hufe von Bucephalos und Ostwind auf den Klippen. Sie stürzen sich zu uns herab und haben zum Glück alles dabei. Ich stehe auf und klopfe ihnen lobend die Hälse, bevor ich ihr Mitbringsel an mich nehme.
Erst reiße ich einen Stofffetzen von meinem eh schon zerrissenem T-Shirt ab und tunke ihn in das Wasser, das Ostwind mir mitgebracht hat. Damit tupfe ich die Wunde etwas ab und versuche sie zu säubern. Anschließend stelle ich die Schüssel mit dem Wasser vor mich und lege die Königskrautbüschel hinein. Mit meinen Händen rupfe ich das Kraut kleiner. Ich reibe es zwischen meinen Händen in dem heilenden Wasser. Als das grüne Gewächs durchweicht ist, hole ich es wieder aus der Schale. Jetzt kommt der schwierigste Part. Ich muss das Königskraut auf die Wunde drücken, aber ich weiß schon, dass das brennen wird und Skyfall sich versuchen wird zu wehren. Noch einmal atme ich tief durch und nehme die Kräuter fest in meine rechte Hand, um meine Linke auf ihren Hals zu legen, damit ich diesen unter Kontrolle zu halten. Ich setze mich auf ihre Vorderbeine, um zu verhindern, dass sie mich treten kann. Dann drücke ich das Kraut auf ihre Wunde. Skyfall muss vor Schmerz einmal laut aufwiehern und versucht, wie ich vermutet habe, auszutreten und den Kopf hochzureißen. Ich versuche mich davon nicht ablenken zu lassen und konzentriere mich wieder.
"Menno o nin na hon i eliad annen annin; hon leitho o-ngurth..."
Diesen Heilspruch sage ich bis Skyfalls sich Atmung beruhigt und die Wunde aufhört so stark zu bluten. Schnell greife ich mir wieder die Decke und lege sie auf die Wunde, um sie spontan zu 'verbinden'.
Ich weiß nicht wie viel Zeit vergangen ist, aber es ist definitiv noch später geworden. Skyfall hatte es bereits geschaft ein paar Schritte zu gehen. Also sind wir nun noch näher bei den Anderen, haben aber trotzdem noch einige Meter Abstand und liegen nahe am Wasser. Ich habe bereits beschlossen die Nacht hier zu verbringen. Aus Angst, dass Skyfall sich verletzen kann, während wir uns dem langen Rückweg stellen, wollen wir in dieser Nacht hier bleiben und Wache halten. Also liege ich nun gegen Firefly gelehnt im Sand und blicke in die Dunkelheit. Mein Pegasushengst legt seinen Flügel beschützend und wärmend über mich und gibt mir seinen Hals als 'Kopfkissen'. So kuschel ich mich an ihn.
Nach einigen Minuten merke ich ein sanftes Schnauben am Hinterkopf. Als ich mich blitzschnell umdrehe blicke ich in die großen, auffordernden Augen von Frisbee. Enttäuscht sieht er mich an. "Na. Was ist los mein Kleiner?", frage ich ihn. Er blickt als Antwort nur hinter sich und schnaubt ein weiteres Mal. Als ich hinter ihn blicke muss ich grinsen. Eng aneinandergeschmiegt liegen dort Ostwind, Bucephalos und Skyfall. Jetzt verstehe ich auch was los ist. "Ist dir etwa langweilig?", frage ich lachend. Er wirft den Kopf hoch und wiehert mich an. "Na dann lass uns noch etwas spielen!", sage ich während ich aufstehe.
Ich tippe ihm auf den Rücken und sage: "Du fängst!" Dann mache ich kehrt und laufe los. Ein spielerisches Wiehern höre ich hinter meinem Rücken. Ich werde etwas langsamer bis ich einen Stups von kleinen Nüstern in meinem Rücken spüre. Ich drehe mich um und blicke in die belustigten Augen des kleinen Fohlens. Ich laufe wieder auf ihn zu und er springt zur Seite. So laufen wir weiter über den Strand.
Ich spüre förmlich, wie die Blicke der Jungen und Mädchen wieder auf uns ruhen. Aber jetzt ist es mir komplett egal. Jetzt gerade gibt es nur mich und Frisbee und unser Spiel.
Irgendwann gebe ich ihm das Zeichen, dass nun genug Zeit vergangen ist. Zustimmend gähnt er, als wir zu Firefly zurücklaufen. Erschöpft lasse ich mich wieder gegen ihn fallen und Frisbee kuschelt sich vor uns und drückt seine weichen Nüstern gegen meine Hand. Ich muss lächeln und kämpfe dagegen an das mir die Augen nicht zufallen.
Ich streichele Frisbee den Hals und beobachte wie Niall eine Gitarre aus einer Tasche holt. Gemeinsam sitzen die Acht dort und singen einige Lieder, deren Text ich aber nicht genau mitbekomme. Trotzdem ruht mein Blick auf diesem Schaubild. Irgendwann treffen sich Harrys und meine Blicke. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Die grünen Augen mustern mich und bringen mich zum Grinsen. Jedoch wende ich meinen Blick schnell wieder ab und blicke auf den Boden.
Wieder lehne ich meinen Kopf auf Fireflys Hals und atme den Geruch von Pferden tief ein. Es ist beruhigend. Ich lausche weiterhin der Musik, die leise vom Lagerfeuer zu mir überschwappt. Ich schließe meine Augen und seufze. Aber diesmal ost es kein genervter Seufzer, sondern zum ersten Mal seit Tagen wieder ein entpanntes hörbares Ausatmen. Ich schmiege meine Wange noch näher an Fireflys Hals und wispere in seine Mähne: "Ich hab dich lieb, mein Großer!" Dann drücke ich einen kleinen Kuss auf das Fell und er schnaubt zufrieden, während er seinen Kopf schützend zu meinem Rücken dreht. So bleiben wir da jetzt einfach liegen. Ich an den Hals und Rücken von Firefly geschmiegt und mit Frisbees Kopf auf dem Schoß.
Nach einigen Minuten höre ich wie die Musik wieder verstummt. Ich höre Stimmengemurmel. Dann einen etwas lauteren Ausruf von Chloe. "Kommst du jetzt endlich, Pferdenarrin! Ich habe keinen Bock, das alles Lisa und Mike zu erklären." Ich denke nicht weiter über ihre Tonlage nach sondern rufe nur zurück: "Ich bleib die Nacht hier! Bitte sag Lisa und Mike nur, dass es einen Unfall gab und ich mich morgen früh nicht um die Tiere kümmern kann!" Firefky wiehert bestätigend und Frisbee tut es ihm mit seinem süßen Fohlenwiehern nach. Sie stehen zwar weit entfernt, aber ich kann mir denken, dass Chloe gerade genervt mit den Augen rollt. Schließlich drehen sie und ihre Freundinnen um und stolzieren auf ihren hohen Schuhen davon. Niall, Louis, Liam, Zayn und Harry stehen bloß da und schauen ihnen hinterher. Ein Kichern kann ich zum Glück gerade noch so unterdrücken.
Relativ schnell lösen die Fünf sich allerdings aus dieser Starre und setzen sich in Bewegung. Sie gehen erst noch zu ihren Rucksäcken und schultern diese. Das Feuer haben sie eben schon gelöscht. Ich habe tatsächlich die Hoffnung, dass sie sich jetzt auch auf den Weg zurück begeben wollen. Aber da habe ich mich getäuscht. Sie drehen sich um und kommen jetzt geradewegs auf mich zu. Irgendwie bin ich enttäuscht, weil ich echt gerne meine Ruhe gehabt hätte, aber irgendwo war ich auch froh, dass noch jemand hier ist. "Willst du wirklich hier übernachten? Nach dem was eben passiert ist?", kommt als Frage von Liam, noch bevor er sich in den Sand gesetzt hat. "Ja, ich bin mir ganz sicher!" "Na, wenn du meinst. Aber dann bleiben wir auch hier!", kommt mit großer Überzeugung von Niall, "Und keine Widerworte!" Spielerisch hebe ich meine Hände. "Na schön. Ich ergebe mich." Die Fünf müssen alle anfangen zu lachen und auch mir huscht ein Lächeln übers Gesicht. Diese Jungen haben irgendetwas an sich, was mir unfassbar vertraut vorkommt. Es ist das erste Mal seit langer Zeit, dass ich mich unter mehreren Menschen wohl und geborgen fühle. "Aber Leute, wenn wir hierbleiben müssen wir irgendwie den Anderen Bescheid sagen, bevor sie uns suchen!", wirft Louis in die nun entstandene Stille. "Da wüsste ich was! Habt ihr eure Handys dabei?", frage ich in die Runde. Ich brauche auch nicht lange zu warten, denn Zayn antwortet sofort: "Na klar, aber hier ist doch nirgendwo Empfang!?" Verschmitzt grinsend halte ich ihm meine Handfläche entgegen. "O doch! Hier gibt es auch Empfang! Ihr habt nur nicht an den richtigen Stellen gesucht!" Widerwillig reicht er mir mein Handy und ich stehe langsam auf. "Komm Firefly! Ich brauche deine Hilfe!" Mein Pegasus erhebt sich ebenfalls und stellt sich neben mich. Eine Hand lege ich auf seinen Rücken, während ich das Handy fest in der Anderen halte.
So gehen wir zu den Felsen, die am nächsten sind. Die Wellen umspielen sie und brechen sich daran. Langsam wate ich in das Wasser, bis ich die ersten Steine erreiche. Vorsichtig klettere ich hinauf. Firefly folgt meinem Beispiel und kraxelt mir hinterher. Gemeinsam gelangen wir an das spitz zulaufende Ende der Klippenwand. Sanft klettere ich auf den Rücken meines Wallachs und stelle mich hin. Mit einem Blick über die Schulter, sehe ich, wie die Jungen sich am Ufer aufgereit haben und mich beobachten. Ich suche die Felswand mit meinen Augen ab. Endlich sehe ich den kleinen Vorsprung und schnell klettere ich dort hoch. Ich setze mich auf den Stein und halte das Handy etwas höher in die Luft. Zayn hatte mir bereits am Boden gesagt wem ich was schreiben soll. Schnell tippe ich die SMS und schicke sie ab. Noch einmal atme ich tief durch und dann setze ich zum Sprung an.
Die Lüfte helfen mir meine Sprung- oder eher Flugbahn genauer zu bestimmen. Gekonnt rolle ich im Sand ab und stehe schnell wieder vor den Jungen. Diese schauen mich verdutzt und erschrocken an. "Entspannt euch! Ich mache das jeden Tag!" Da höre ich schon Hufgetrappel im Sand und reiche das Handy schnell wieder seinem Besitzer. "Das hast du gut gemacht, Großer!", sage ich als Firefly neben mir zu Stehen kommt. Mit einem Brummeln und einem provokanten Gähnen zeigt er mir, dass er definitiv müde ist. "Na dann komm, mein Hübscher! Wir sollten uns wirklich schlafen legen!" Ich drehe mich um und mache den Jungen kenntlich mitzukommen und sich ebenfalls hinzulegen.
Bei Ostwind, Bucephalos, Skyfall und Frisbee, die alle schon tief und fest aneinandergekuschelt schlafen, angekommen, schnappe ich mir kurzerhand die Decken der Anderen und lege sie vor meine Pegasi. Die Jungen protestieren nicht und legen sich hin. Es ist so warm, dass eine Decke völlig ausreicht um nicht zu frieren.
Dann legt Firefly sich vor alle Anderen und lässt mich sich an ihn schmiegen. Schützend legt er einen Flügel über mich und rollt seinen Hals so, dass sein Kopf direkt naben meinem liegt. Ich spüre, wie sein Brustkorb sich regelmäßig hebt und senkt. Schon nach kurzer Zeit falle ich in einen tiefen und, zum Glück, traumlosen Schlaf.
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So! Diesmal ein etwas ruhigeres Ende.
Dieses Kapitel war jetzt wieder mal recht lang, aber das Nächste wird wieder kürzer. Versprochen!😂😂
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