Von Schuld und Loyalität

Er hatte zwanzig Jahre warten müssen, um es zurück zu geben. Doch nun war es soweit, der Tag war gekommen seine Schuld zu begleichen. Wütend hämmerten ihre Feinde gegen das schwere Eichentor, die letzten Überlebenden einer Gnadenlosen Attacke. 

Wie eine Flut waren sie über die Kämme der Weiden geflossen und gegen die Mauern der Burg angestürmt. Hunderte Felsquader und unzählige Pfeile hatten die Verteidiger auf die armen Seelen geschossen, die in den vordersten Reihen rannten. Heisses Pech hatten sie über die Brüstungen gekippt, als diese die Mauern erreichten, die Leitern hatten sie zurück in die wogende Masse gestossen und das Orchester aus Schreien hatte sie taub werden lassen. Abertausende waren vor ihren Mauern verendet, bis sie sich so hoch auftürmten, dass die Angreifer ihre Leitern nicht mehr aufrichten konnten und begannen sie zu Haufen aufzutürmen um Boden freizubekommen. Doch mehr und mehr stürmten über die Kuppen, um sich ohne Rücksicht auf ihr Leben gegen die meterhohen Mauern zu werfen. 

Er war selbst an der Brüstung gestanden und beobachtet, wie Sie Baumstämme als Rammböcke verwendeten und versuchten die Tore einzubrechen. Er selbst hatte sich hinter seinen Schild geduckt, als eine der seltenen feindlichen Salven auf die Mauer niederging und seine Kameraden niederstreckte. Er selbst hatte mit angesehen, wie feindliche Soldaten über ihre eigenen Toten geklettert waren, um über die Mauer zu gelangen. Als sich die ersten über die Brüstung zogen, hatte er selbst ihnen den Kopf abgeschlagen und ihre toten Körper mit Verwünschungen in die Tiefe gestossen. Doch jeglicher Versuch dem Angriff standzuhalten war vergebens gewesen. Als der Nachschub des Feindes versiegte, waren bereits grosse Teile der Mauer verloren und er musste sich weiter zurückziehen. Drei Mauern trennten seine Königin von dem verhassten Feind und drei Mauern fielen in dieser Schlacht. Als er sich mit den letzten Männern in der Burg im Zentrum verschanzte, stand ihnen nur noch eine kleine Armee gegenüber, die aber mit derselben Todessehnsucht über sie herfiel. Als oberster Befehlshaber war es seine Pflicht, die Königin mit seinem Leben zu schützen. Als letzter Widerstand zog er sich in die Halle der Königin zurück und verriegelte die Tore. Blutüberströmt, mit verkratzter Rüstung und schartigem Schwert versicherte er seiner Herrin, dass er sie beschützen werde. Sie war vor langer Zeit für ihn eingestanden, hatte ihn vor dem Tod bewahrt, nun war es an ihm dasselbe zu tun. 

Breitbeinig stellte er sich vor den Thron und wartete auf das Krachen des Holzes. Die Flügel schwangen auf und Armbrustbolzen zischten ungezielt in das innere der Halle. Mit einem animalischen Brüllen stiess er vor, ignorierte den Armbrustbolzen, der in seine Seite schlug und warf sich Todesmutig gegen seine Gegner. Wie ein Wirbelwind pflügte er durch die ersten Reihen, sein Schwert ein Bringer des Todes. Der überraschte Feind versuchte sich hinter der Tür neu zu formieren, doch er warf sich mit der Wucht eines Riesen gegen ihre Schilde und trieb sie auseinander. Kein Feind gelangte an ihm vorbei in das Innere, wie ein Berserker kämpfte er trotz Verletzungen weiter. Das Blut auf seiner Rüstung war längst nicht mehr bloss das seiner Gegner. Er schwang sein Schwert mit tödlicher Präzision, durchschlug Rüstungen, stach zwischen Plattenpanzer, schnitt durch Fleisch und beendete Leben um Leben. Er wusste nicht wie lange er dort stand und Männer niedermachte, bis er aus dem Rausch aus Blut und Tod erwachte. Ein geisterhaftes Schweigen folgte, durchbrochen nur durch seine schnellen Atemzüge. 

Der letzte Feind fiel Tod zu Boden, ein klaffender Schnitt in seiner Kehle. Schwer atmend stand er über ihm und sah sich um. Er hatte es geschafft, er hatte die Königin beschützt! Müde zog er sein Schwert über den Steinboden, als er zurück zu seiner Herrin hinkte, das Geräusch tat gut in der plötzlichen Stille. Er kämpfte sich die Treppen zu dem Thron hinauf, um vor der Herrscherin niederzuknien und seinen Erfolg zu verkünden. "Ich habe den letzten Gegner erschlagen, Herrin, ihr seid in Sicherheit. Ich habe meine Schuld beglichen, die ich mir vor zwanzig Jahren durch meine eigene Dummheit aufgeladen habe." Seine Beine gaben nach und er fiel vornüber, lehnte sich sitzend an den Thron. Die Halle war getränkt in Blut, überall lagen Tote auf dem Felsboden und in den Ritzen bildeten sich kleine dunkelrote Bäche. Er konnte das Kernstück des Reiches nicht in so einem Zustand belassen, doch alle Diener waren niedergemetzelt worden. "Ich werde die Halle reinigen, Herrin. Ich muss mich nur kurz ausruhen." Doch seine Herrin hörte ihn nicht. Tot starrten ihre Augen auf den Armbrustbolzen, der aus ihrer Brust ragte. "Nur etwas ausruhen", flüsterte er und schloss erschöpft die Augen.

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