Schinkenbrot
Schinkenbrote erinnerten sie immer an die Herbstzeit. Die Temperaturen sanken, der Sommer war vorbei und die Mütter standen wieder in den Küchen und backten, damit ihre während den kalten Monaten frisches und stärkendes Brot hatten. Schinkenbrote machten sie traurig. Er hatte immer klein Schinkenwürfel unter den Teig gemischt und es mit strahlendem Lächeln seine grosse Erfindung genannt. Sie hatte ihm das Brot regelrecht aus den Fingern gegessen, so köstlich war es, jedes Mal schmeckte es etwas anders.
Schweigend starrte sie in die versammelte Menge, die auf den Bänken vor ihr sass. Viele blickten sie erwartungsvoll an, einige verbargen ihre Gesichter in den Händen und wieder andere starrten auf den Sarg, der hinter ihr stand. Alle warteten auf sie und erwarteten irgendwelche bedeutenden Worte. Worte über den geliebten Menschen, den sie verloren hatte. Worte der Trauer und der Hoffnung, dass sie den Verlust gemeinsam überwinden konnten. Doch der Gedanke, die Gewissheit nie wieder eines seiner leckeren Schinkenbrote kosten zu dürfen, brach ihr das Herz.
Sie brachte einige schwache Worte hervor, brach aber mitten im Satz wieder ab. Angestrengt starrte sie auf ihre Fussspitzen und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an. Sie würde nicht vor der versammelten Gesellschaft weinen. Deutlich spürte sie die stechenden Blicke ihrer Stiefmutter und auf der anderen Seite die beruhigende Aura ihres Vaters. Ein Lächeln erhellte sein Gesicht, als sie den Blick wieder hob und in seine Richtung blickte. Er wusste, wie sie sich in diesem Moment fühlte. Vor Jahren war er an ihrer Stelle gestanden und hatte Mutter beerdigt. Niemals würde sie diesen Tag vergessen. Mit nur wenigen Worten hatte er damals die Trauernden zum Lachen gebracht und ihren Schmerz gelindert. «Ein glücklicher Geist ist die beste Medizin», hatte er ihr damals gesagt. Nun holte sie tief Luft und wappnete sich. Sie hatte die richtigen Worte gefunden.
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