Ein mandalorianischer Abschied
„Das ist eine blöde Idee. Ich bin mir sicher, dass das eine blöde Idee ist. Es wird garantiert Verletzte geben", erklärte Ezra und schüttelte heftig den Kopf, während er zweifelnd den Ball beäugte, den Ketsu hochhielt.
Es war nicht so, als hätte er generell etwas dagegen gehabt, neue Dinge auszuprobieren – aber er hatte keine große Lust darauf, Leia erklären zu müssen, dass sie eine Woche später kommen würden, weil er einen Ball an den Kopf bekommen hatte. Sabine hatte eingewilligt, mit ihm nach Coruscant zu gehen und dort zu helfen, die Lage zu stabilisieren. Ihr Adoptivbruder und ihre beste Freundin hatten die beiden allerdings nicht so einfach gehen lassen wollen... und jetzt standen sie hier, ein Stück abseits der Hauptstadt Mandalores, auf einem Spielfeld, das aussah, als sei es seit einer Ewigkeit nicht mehr benutzt worden.
„Nur weil das ein auf Mandalore verbreiteter Sport ist, muss er nicht brutal sein", erwiderte Tristan und verdrehte die Augen. „Sab, ich weiß wirklich nicht, was du in dem Angsthasen siehst."
„Na ja, Tackles sind beim Bolo-Ball erlaubt, von daher hat er nicht ganz unrecht", warf Ketsu ein und lachte ein wenig. „Außerdem ist es ihm gegenüber schon ein wenig unfair, immerhin hat er als einziger keine richtige beskar'gam, sondern nur die Brustplatte."
„Sag bloß, du wirst weich", murmelte der Mandalorianer und schaute dann kopfschüttelnd von Ketsu zu Ezra.
„Sag das nochmal und ich überlege mir, ob ich nicht doch das Kopfgeld haben und dich an den Hutt ausliefern will", gab diese zurück und nahm den Ball in die Hand.
„Das würdest du nicht."
„Wetten?" Sie grinste. „Du und Sabine gegen mich und Ezra. Na komm, wie siehst's aus?"
Ezra wollte zum Protest ansetzen, aber Sabine packte ihren festen Freund am Arm und nahm ihn beiseite.
„Da willst du dich nicht einmischen, glaub mir. Du hättest die zwei an der Akademie mal erleben müssen. Diese Rivalität zwischen ihnen besteht schon ewig. Ehrlich gesagt, wenn sie im selben Team spielen würden, würden sie uns vermutlich in Grund und Boden spielen, weil sie beide so unglaublich gut sind. Aber die zwei spielen immer nur gegeneinander. Das war schon immer so.
Warum habe ich allerdings auch nie verstanden." Sie verkniff sich ein Lachen. „Und ich denke letzten Endes bist du mit Ketsu besser dran als mit Tristan, immerhin kann sie dich leiden."
Zugegebenermaßen, damit hatte sie recht. Mit Ketsu hatte er zumindest schon zusammengearbeitet, und das hatte auch recht gut funktioniert – irgendwie war das erstaunlich, weil er zuvor eigentlich immer gedacht hatte, sie sei eher eine Einzelgängerin.
„Okay, schon gut. Du hast bisher gar nicht protestiert, also hast du wirklich Lust darauf, was?"
Sabine setzte einen verträumten Gesichtsausdruck auf.
„Ich habe ewig kein Bolo-Ball mehr gespielt."
„Funktioniert das denn mit so kleinen Mannschaften überhaupt?", fragte Ezra und schaute seine Freundin unsicher an.
„Wenn man die Regeln entsprechend anpasst, dann ja. Und wir haben eben keine Schiedsrichter, aber das passt schon. Ist ja nur so zum Spaß. Komm schon, wie schlimm kann es werden? Im Zweifelsfall haben wir ein Medi-Kit da, das weißt du doch."
Sie strahlte ihn an, und in dem Moment wusste Ezra, dass er verloren hatte. Um dieses Lächeln hatte er nach dem Krieg so lange kämpfen müssen... und inzwischen gab es nichts, was er ihr abschlug, solange es sie bloß zum Lächeln brachte.
„Okay, okay, überredet."
Ganz so schlimm, wie Ezra befürchtet hatte, lief das Ganze letzten Endes gar nicht ab. Zumindest nicht gegen Anfang. Die Einzige, die zu Beginn tatsächlich versuchte, ihn umzuwerfen, war Sabine, und das war er nach all den Jahren nun wirklich schon gewohnt. Was nicht hieß, dass er sich deshalb gegen sie wehren konnte. In den meisten Fällen gewann sie trotzdem. Vielleicht auch, weil er mehr Hemmungen hatte, ihr weh zu tun. Hätte sie es gemerkt, hätte sie ihm das sicher übel genommen, überlegte er. Sie hasste es, wie Glas behandelt zu werden. Und das war das Letzte, was er wollte... aber nachdem er sie so hatte zusammenbrechen sehen, nachdem sie so lange gebraucht hatte, um wieder hochzukommen, brachte er es nicht übers Herz, sie wieder von den Beinen zu holen... wenn auch auf eine ganz andere Art.
Aber Ezra unterschätzte sie. Sie wusste wohl, dass er sich ihr zuliebe zurückhielt. Und sie nahm es ihm nicht so übel, wie er vielleicht glaubte.
»Wir halten einander davon ab, zu zerbrechen, oder nicht?«, dachte sie, aber was sie aussprach, war etwas ganz anderes. „Es wird Zeit, dass wir wieder anfangen, zusammen zu trainieren, meinst du nicht auch? Du lässt nach." Er wusste, was sie damit sagen wollte. Es war okay. Er sollte sich nicht zurückhalten. „Ich bin nicht aus Glas, Ez", lachte sie, und dachte im Stillen, dass er in der ganzen Galaxie am besten wusste, dass sie auch nicht aus Eisen war – und ihr das egal war.
Er kannte ihre Schwächen, wie sie seine kannte. Und das war in Ordnung für sie. Weil sie einander mit all diesen Fehlern akzeptierten. Vor ihm hatte sie sich nie unter ihrer Rüstung verstecken müssen... auch wenn sie lange gebraucht hatte, um das zu begreifen, und noch länger, um es auch zuzugeben.
So häufig gerieten Ezra und Sabine vorerst auch gar nicht aneinander – was hauptsächlich daran lag, dass Tristan und Ketsu wohl vergessen hatten, was sie spielten, und sich stattdessen damit beschäftigten, sich den Ball gegenseitig an den Kopf zu schießen.
Sie hatte damit angefangen – ob absichtlich oder versehentlich konnte der Blauhaarige nicht sagen.
„Wieder ins Gesicht? Da werde ich ja nostalgisch", hatte er daraufhin gewitzelt und den Ball in Besitz genommen, während Ezra irritiert in die Runde geschaut hatte.
„Als wir uns zum ersten Mal begegnet sind, hab ich ihm die Nase gebrochen", hatte Ketsu schulterzuckend erklärt und sich dann gegen Tristan geworfen, um den Ball zurückholen.
„Ganz so schlimm war es tatsächlich nicht", hatte dieser erwidert – von ihrer Berührung hatte er kaum gezuckt –, sie gelassen angegrinst und ihr dann den Ball an den Kopf geschossen. „Aber sie hat mich geschlagen, das stimmt schon. Zu ihrer Verteidigung, ich war ein ziemlicher Vollidiot."
Ketsu hatte inzwischen den Ball wieder an sich genommen und blitzte ihn wütend an.
„War? Vergangenheitsform?", sagte sie, ihre Stimme triefte mit Sarkasmus. „Ich bitte dich. Und sollte das gerade ne Herausforderung sein? Falls ja ist die angenommen."
Und danach war es eine ganze Weile lang so weitergegangen, bis entweder Ezra oder Sabine den Ball bekamen und tatsächlich spielten. Letzten Endes wurde dann doch ein richtiges Spiel daraus – genau in dem Moment, als Sabine drohte, ihre Waffe zu holen, falls Ketsu und Tristan nicht endlich richtig und mit ihnen statt nur zu zweit spielten.
Im Großen und Ganzen genoss Sabine es sehr, und sie freute sich, dass Ezra mitmachte. Als sie und Tristan jünger gewesen waren, hatten sie das oft gemacht... gemeinsam mit dem ganzen Clan, und später mit den anderen Kadetten, falls Tristan genug dazu überreden konnte, mitzumachen. Es war allerdings nie das gleiche gewesen... und Sabine hatte sich bei diesen Spielen bald ausgeklinkt, weil die Älteren nicht wirklich ein Interesse daran gehabt hatten, mit ihr zu spielen, sondern immer nur gegen sie – auch dann, wenn sie in der selben Mannschaft gewesen waren. Seit sie bei der Crew gelandet war, hatte sich keine Gelegenheit dazu geboten... Deshalb, weil Hera generell nur geringe Begeisterung für Spiele empfand, bei denen Rebellen im schlimmsten Fall mehrere Tage ohne Mitwirkung des Imperiums ausfielen, und deshalb, weil der Krieg einfach wichtiger gewesen war. Und, weil sie ab einer gewissen Zeit mit Ezra hatte allein sein wollen, und das Training ihr völlig gereicht hatte. Nach allem was passiert war hatte sie letzten Endes zwar doch noch Gelegenheit bekommen, zu spielen... aber auch das schien inzwischen ein ganzes Leben her zu sein.
Bei Ketsus letztem Tackle landeten sie und Tristan auf dem Boden. Kaum waren sie gelandet, fingen sie beide an zu lachen und er hob die Hände.
„Okay, okay, du hast gewonnen, ich ergebe mich."
„Feigling", erwiderte sie lachend, legte sich auf den Rücken und schaute in den Himmel. „Ist ganz schön spät geworden, was? Wird langsam schon dunkel." Sie schwieg kurz. „Hat Spaß gemacht", fügte sie dann noch hinzu.
„Gegen dich immer", erwiderte er grinsend.
Ketsu verdrehte die Augen.
„Du bist so ein Blödmann." Dann rappelte sie sich auf und wandte sich an Ezra und Sabine. „Habt ihr Hunger? Wollen wir noch was essen gehen?"
„Danke, ich verzichte, ich glaube ich bleibe hier auf dem Boden liegen und sterbe", erwiderte Ezra stöhnend, der inzwischen auch auf dem Boden lag, alle Glieder von sich gestreckt.
Sabine hatte sich neben ihm gesetzt und strich ihm durch die Haare.
„Sollen wir dir nicht langsam auch eine Rüstung machen, cyar'ika?"
„Generell brauche ich keine, denke ich. Aber ich brauche definitiv eine, bevor ich je wieder mit euch Bolo-Ball spiele. Tristan hat mich vorhin ganz schön im Rücken erwischt. Das spüre ich bestimmt in ein paar Wochen noch."
Sabine musste sich ein Lachen verkneifen.
„Komm schon, du hast schon deutlich schlimmeres überlebt. Sei nicht so dramatisch. Du setzt es doch bloß drauf an, dass ich dich wieder verarzte."
Er grinste schelmisch.
„Und wenn dem so wäre?"
Sie verdrehte die Augen.
„Na komm, gehen wir nach Hause, dann kannst du dich ein wenig hinlegen und anschließend sehen wir mal weiter, in Ordnung?" Sie hielt ihrem Freund die Hand hin, der diese seufzend annahm. Als er stand, linste Sabine zu Ketsu und Tristan hinüber. „Dann seid ihr wohl nur zu zweit, was?"
Ihr Adoptivbruder verdrehte die Augen, ihre beste Freundin tat es ihr gleich.
„Mit dem gehe ich bestimmt nicht essen", erwiderte Ketsu sofort, und Tristan schloss sich dem auf der Stelle an.
„Kompliment zurück. Da esse ich lieber allein."
Mit diesen Worten stapften die beiden in entgegengesetzte Richtungen davon.
„Wollen die zwei nicht zugeben, dass sie sich verstehen, oder was war das gerade? Das war echt albern...", murmelte Ezra leise und schaute den Gehenden abwechselnd einen Moment lang nach.
„Nein, albern ist es, dass ich mit dir um einiges wetten würde, dass sie trotzdem in der selben Cantina enden", erwiderte seine Freundin lachend, als die beiden außer Hörweite waren. „Und dann behaupten sie felsenfest, dass es Zufall war und sitzen den halben Abend in entgegengesetzten Ecken und versuchen, rauszufinden, wer den anderen besser ignorieren kann."
Der Machtsensitive fing an zu lachen.
„Den halben Abend?"
„Irgendwann gibt einer der beiden auf, setzt sich zum anderen rüber und muss dann die erste Runde Drinks bezahlen", erklärte sie, woraufhin ihr Freund sie ein wenig verdattert anschaute.
„Du machst Witze."
„Ich war beim letzten Mal dabei."
Ezra schüttelte den Kopf und fing wieder an zu lachen.
„Mann, Ketsu und Tristan haben echt ein seltsames Verhältnis zueinander."
„Er kennt sie eben schon sehr lange, genauer gesagt ebenso lange wie ich sie kenne. Die Zwei waren immer eine... schwierige Kombination, aber auf ihre seltsame Art mögen sie sich eigentlich. Ehrlich gesagt bin ich mir ziemlich sicher, dass das zwischen ihnen ein Spiel ist – obwohl es das definitiv nicht immer war. Und ich weiß, dass sie ihm manchmal Dinge erzählt, die sie selbst mir verschweigt."
Mit diesen Worten machten auch die beiden sich auf den Rückweg zu ihrem Speeder, um zurück zu ihrer Wohnung zu fahren, sich schlafen zu legen und am nächsten Morgen mit packen zu beginnen. Und wieder fühlte Sabine sich, als würde sie ein ganzes Leben hinter sich lassen, um ein Neues zu beginnen, auch wenn sie wusste, dass es diesmal nicht ganz so war.
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