2.2
Wir sattelten alle die Pferde und schon ging es los. Wir ritten versetzt, um uns bei den Fährten nicht zu treffen oder in die Quere zu kommen. Das Team von Daniel und mir ritt als erstes los. Wir durften allein, also ohne Leibwächter reiten, was ich sehr genoss. Wir trabten daher und strengten uns nicht sonderlich an.
Dann, wir befanden uns gerade auf einem hellen Feldweg, schlängelte sich eine Schlange aus dem hohen Gras an der Seite des Weges. Daniel ritt vor mir und sein Pferd bäumte sich vor Schreck auf. Ich konnte meines gerade noch beruhigen, doch in dem Moment sah ich schon, wie Daniel vom Pferd flog und im hohen Bogen auf den Weg geschleudert wurde. Die Schlange beachtete ich nicht weiter, denn nun drehte der Zosse, auf dem Daniel gesessen hatte, um und galoppierte davon.
Hinter mir hörte ich es wiehern. Ein Leibwächter war uns wohl doch heimlich gefolgt. Er fragte mich, ob er dem Pferd nachreiten und ob er einen Arzt holen solle, da Daniel immer noch am Boden lag. Ich sagte ihm, er solle dem Pferd nachgehen und ich würde mich um Daniel kümmern.
So stieg ich ab und half ihm auf mein Pferd. Während er mit schmerzverzerrtem Gesicht auf ihm saß, hatte ich es bei den Zügeln gepackt und führte es zum Schloss zurück.
„Was ist mit den anderen und was ist mit dem Spiel? So gewinnen wir sicherlich nicht."
„Das spielt doch jetzt keine Rolle. Du könntest dir den Arm gebrochen haben. Das wäre tausendmal schlimmer. Außerdem, ich sage es nicht gern, aber du hast kein Pferd." Ich grinste ihn an und er lächelte matt zurück.
„Da hast du wohl recht."
Mein Pferd brachte ich zu einem Stalljungen, welcher es absattelte. Dann ging ich mit Daniel rein und schlug ihm vor, ihn noch auf sein Zimmer zu begleiten. Ich wollte danach sofort ein Zimmermädchen damit beauftragen, einen Arzt oder ähnliches zu holen. Er stimmte mir zu und ich sah, dass er nichts anderes wollte, als sich hinzulegen.
In seinem Zimmer legte er sich, ohne sich auszuziehen, unter die Decke. Die Decke konnte er nicht richtig zurecht ziehen, da ihm beide Arme wohl sehr wehtaten und so übernahm ich das. Dann stellte ich mir einen Stuhl neben sein Bett und sah ihn einfach nur an. Da machte sich wieder dieses komische Gefühl breit und ich beschloss, dass es wohl jetzt besser wäre, zu gehen und Hilfe zu holen.
So verschwand ich und als ich aus Daniels Zimmertür auf den Flur gelangt war, musste ich erst mal tief ein und ausatmen. Heute wusste ich natürlich warum, aber damals war es mir neu und ich konnte es nicht einordnen.
Ich bat um Hilfe und mir wurde gesagt, der Arzt sei in den nächsten Ort gefahren, um Besorgungen zu machen, doch wenn er wieder da war, würde er sofort nach Daniels Verletzung sehen. Man fragte mich auch, ob ein Zimmermädchen kommen sollte, doch ich meinte, Erste Hilfe könne ich leisten. Ich plapperte irgendetwas von Tüchern und davon, die Arme oder den Arm zu stützen und eigentlich hatte ich selbst keinen blassen Schimmer, was ich da eigentlich erzählte. So hechtete ich zurück zu seinem Zimmer und kam außer Atem dort an. Ich erklärte Daniel alles und er nickte geschwächt, aber da leuchtete irgendetwas auf in seinen Augen und schließlich lächelte er leicht und herzlich. So wie wenn er über seine Schwester sprach.
Ich schlug ihm vor, ich könne seine Arme kühlen. Ich würde Tücher nass machen und sie ihm um binden, doch das einzige, was Daniel wollte, war Gesellschaft und zwar meine Gesellschaft.
Also setzte ich mich auf den Stuhl neben seinem Bett und stützte den Kopf auf meine Fäuste. Ich sah ihn einfach nur an und als ich es nicht mehr länger aushielt, fragte ich ihn, ob ich ihm irgendetwas bringen konnte. Er schüttelte den Kopf. Dann fragte ich ihn, ob er noch irgendetwas bräuchte. Er schüttelte den Kopf und lächelte. Er sah mich nur an. Seine Augen funkelten mich in dem schönsten Grünblau an, das ich je gesehen hatte.
Dann verzog er wieder vor Schmerzen das Gesicht und setzte sich leicht auf. Er stieß einen Laut aus.
„Was ist mit dir?", fragte ich besorgt und setzte mich auf die Bettkante.
Ich sah auf seine Arme, als ich seitlich zu ihm gewandt saß.
„Sie tun weh", antwortete er leise und etwas schwach. Er kniff die Augen zusammen.
„Sind da Wunden? Zeig mir sie mal", forderte ich behutsam.
Daniel setzte sich nun gänzlich auf. Seine Haare waren leicht verstrubbelt, in Unordnung gebracht und seine Wangen zierten einen leichten Rotschimmer. In seinen Augen lag ein mir nicht bekannter Ausdruck.
Ich nahm mir erst den einen und dann den anderen Arm vor. „Ich sehe da nichts", stellte ich verwirrt fest.
„Wirklich nichts?", fragte er leise. Sein Gesicht einige Zentimeter von meinem entfernt. Meine Hände lagen immer noch an seiner sanften Haut, die unter meiner Berührung leicht zitterte.
„Wirklich rein gar nichts. Nicht einmal einen blauen Fleck, Daniel", flüsterte ich heiser und näherte mich seinem Gesicht noch ein Stück.
Daniels Atem wurde uneben und seine Augen flackerten von meinen Augen zu meinen Lippen. Er schluckte, bevor er seine Lippen einen Spalt weit öffnete. Ich rückte noch einen Stück näher an ihn heran und ehe ich mich versehen konnte, lagen meine Lippen auf seinen.
Daniel schloss seine Arme um meinen Nacken. Mir wurde überall warm und ich beugte mich leicht über ihn, als ich ihn, mit einer Hand an seinem Nacken und einer zweiter an seinem Rücken, sachte auf die Matratze zurücklegte. Daniel lag nun unter mir und ich saß immer noch auf der Bettkante. Er ließ nicht von meinen Lippen, während unser Kuss intensiver wurde und ich merkte, dass er richtig in unserer Intimität versank. Er stöhnte leise auf, immer noch schwer atmend und ich lächelte und fuhr ihm langsam mit einer Hand durch die blonden Locken. Mein Puls wurde schneller und ich ließ meine Hände an Daniel hinab gleiten. Langsam knöpfte ich ihm das Hemd auf. Er ließ kurz von meinen Lippen ab und sah mir flehend in die Augen. Ich zitterte, als ich ihn weiter aufknöpfte und mich bedächtig, immer noch angezogen, auf ihn legte. Ich merkte, dass mein Atem nun stoßweise kam und Daniel griff mir in meine Haare, als er seinen Körper näher an meinen schmiegte.
Es klopfte an der Tür und ich ließ schnell von Daniels Lippen ab. Ich sah ihn erschrocken an und er mich, dann stolperte ich vom Bett und setzte mich auf den Stuhl. Ich setzte mich hin und versuchte, mich zu beruhigen und meine zerstörte Frisur zu richten. Daniel lag außer Atem da und ließ seinen Kopf noch tiefer in die Kissen fallen. Dann nahm er sich eines und legte es auf eine untere Region seines Körpers. Ich wusste warum und wünschte mir, ich könnte einfach aus dem Fenster springen.
Arina kam herein gestürzt und stürmte zu Daniel. Mich sah sie erst gar nicht, doch als sie es tat, erkundigte sie sich bei mir, was vorgefallen war. Vielleicht dachte sie, Daniel habe auch seine Stimme beim Sturz verloren und war nicht fähig ohr zu antworten. Daniel lag auch nur da und wenn man ihn etwas fragte, stotterte er nur wirres Zeug. Ich versuchte währenddessen immer noch, meine Frisur wieder in Ordnung zu bringen.
Nach geschlagenen zehn Minuten, die ihm und mir ewig vorkamen, verließ ich das Zimmer. Ich war entlassen, da nun der Doktor kam und Daniels Arme untersuchte. Ich hoffte nur inständig, dass er nichts bemerkte. Ich kannte mich nicht gut mit diesem Fachbereich aus. Vielleicht erkannte er, was Daniel und ich getan hatten. Vielleicht bekam man Pusteln oder Ausschlag.
Abends ging ich dann auch ziemlich schnell in meine Gemächer und legte mich aufgekratzt und immer noch nicht umgezogen in mein Bett. Ich starrte nur an die Decke und sah den heutigen Tag noch einmal vor meinen Augen.
Bis es schließlich klopfte. Ich wunderte mich und fragte mich, wer das sein könnte. So stieg ich aus meinem Bett und tapste erschöpft zur Tür. Immer noch konnte ich rein gar nichts glauben.
Es war Daniel, der vor der Tür stand. Sein Gesicht war ziemlich blass und er schien sehr traurig. „Hallo Luther", meinte er und klammerte seine Hände ineinander.
„Hallo Daniel", antwortete ich ihm und behielt die Türklinke in meiner Hand.
„Darf ich reinkommen?" Er sprach leise.
Ich nickte und ließ ihn eintreten. Ungläubig schaute er sich im Zimmer um. „Es ist größer als ich es gedacht hätte", stellte er fest und sah zu mir. Er lächelte wieder und ich begriff, dass das wohl das schönste Lächeln war, das ich je gesehen hatte.
Er schaute auf meine Hände und nahm die eine dann in seine. Daniel stand mir gegenüber und schaute zu mir auf. Es schien fast so, als ob er dafür hatte sehr mutig sein müssen. Er atmete tief ein und aus. „Luther, ich... Es tut mir leid, ich wollte das heute nicht, ich weiß nicht, was da los war."
Ich erschrak innerlich und schluckte. Dann ließ ich seine Hand langsam los und setzte mich bedächtig auf die Bettkante. Ich senkte den Kopf. Er hatte es also gar nicht gewollt. Ich war ja so blöd!
Daniel setzte sich nach einer Zeit neben mich. „Das ist falsch. Wir sind... Du bist mit meiner Schwester verlobt. Ich fühle etwas für dich, ja und wenn ich könnte, würde ich sofort mit dir davonfahren und dann würden wir beide... Aber das geht nicht. Du wirst Arina heiraten."
Ich schüttelte nur den Kopf. Etwas anderes konnte ich nicht tun. „Und was ist, wenn ich die Hochzeit platzen lasse?"
„Mit welcher Begründung?", entgegnete mir Daniel und rückte näher. Ich schlang meinen Arm um ihn. „Ich brauche keinen Grund. Das geht die nichts an. Das geht niemanden etwas an."
Ich bedeutete ihm, mir in die Augen zu sehen, indem ich sein Kinn mit meinem Zeigefinger nach oben hob. Daniels Blick war erschrocken, doch auch irgendwie erleichtert. Ich nahm ihn noch fester in den Arm und küsste ihn zärtlich auf den Mund.
Langsam glitten wir beide aufs Bett, bis wir schließlich nebeneinander lagen.
Morgens erwachte ich und ich sah die Sonne scheinen und die Vögel zwitschern. Ich sah neben mich und entdeckte, dass Daniel noch seelenruhig schlief und dass er sich an mich klammerte. Ich wand mich zu ihm und strich ihm sanft durch das Haar. Ich lächelte zufrieden und küsste ihn sachte auf die Stirn. Das weckte ihn und er sah mir entgegen. Auch er lächelte. „Guten Morgen."
„Morgen. Hast du schön geschlafen?", fragte ich und drückte mich noch fester an ihn. Ich wollte ihm eigentlich noch viel näher sein. So nah wie letzte Nacht.
Daniel nickte verschlafen und gähnte kurz in einer hohen Tonlage, dann sah er wieder zu mir und kuschelte sich wieder an mich. Wieder schloss er die Augen. „Ich könnte ewig hier so liegen, Luther. Ewig hier mit dir."
Ich grinste und schließlich lachte ich leise auf. Glücklicher war ich noch nie gewesen.
Ich ließ meine Hand an seinem Rücken hinab gleiten und dann küsste ich ihn auf den Mund. Daniel schloss wieder seine Arme um meinen Hals und ich rollte mich auf ihn.
Beim Frühstück saß ich da wie ein aufgescheuchtes Eichhörnchen. Ich bekam keinen Bissen herunter, konnte mich nicht davon abhalten, andauernd zu Daniel zu sehen, während Arina mich voll plapperte. Ich hasste mich selbst dafür, dass ich ihr das Herz brach. Ich wollte das ja nicht. Es war einfach so passiert. Niemals hätte ich gedacht, dass ich mich in Daniel anstatt in Arina verliebt hatte. Ja, wenn ich ehrlich war, hatte ich das schon vermutet, aber immer war es mir unwirklich und falsch vorgekommen. Erst seit gestern schien es richtig. Doch ich wusste eins: Ich hatte keine Zukunft mit ihm. Meine Zukunft trug einen Namen und zwar Arina. Es war nicht Daniel. Es konnte nicht Daniel sein. Niemals.
Auch er schien angespannt zu sein und ich bemühte mich, mich auf das Essen zu konzentrieren und wenigstens ein ganz klein bisschen etwas herunter zu bekommen. Hoffnungslos.
Jetzt saß ich hier auf meiner Bettkante und dachte an all das. Ich würde gleich heiraten und zwar eine Frau, mit dessen Bruder ich schon mehrmals geschlafen hatte. Ich liebte Daniel. Über alles, doch auch er würde eine Frau finden müssen. Ich wusste nicht, wie ich es hinkriegen sollte. Ich wusste nur, dass ich es hinkriegen musste. Meine Gewänder für die Hochzeit hatte ich bereits an und Arina war gerade in ihrem Zimmer. Sie machte sich fertig. Sie dachte, dass ich sie liebte. Ich hatte es ihr vor ein paar Tagen gesagt. Ich war ein Mistkerl, das wusste ich selbst. Aber konnte ich etwas daran ändern? Ich drehte die weiße Orchidee in meiner Hand herum. Am liebsten würde ich sie Daniel geben, aber sie gehörte jetzt wohl bald Arina.
Vorerst Ende des Märchens.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top