33. Lass uns nach Hause gehen
„Falsche Verdächtigung, vortäuschen einer Straftat, Schadensersatz wegen Verdienstausfalls, eventuell sogar noch Meineid, wenn ich den Richter dazu bekomme Sie zu vereidigen. Ihre Bewährung ist dahin und Sie sitzen die nächsten zehn, zwölf Jahre ein."
Silverman saß wie ein Häuflein Elend auf seinem Stuhl und Elli bekam fast schon Mitleid mit ihm, während Mister Marsh erklärte, was auf diesen zukommen würde.
„Könnte ich einen Moment mit meinem Mandanten unter vier Augen sprechen?", wollte Mister Flores wissen.
Marsh nickte. „Kommen Sie Miss Summers."
Elli folgte ihrem Anwalt aus dem Büro und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand neben der Türe.
„Es läuft gut", versicherte Mister Marsh. „Flores wird ihm dazu raten, die Anzeige zurückzuziehen, somit entfällt immerhin der Meineid, die falsche Verdächtigung und die Vortäuschung einer Straftat. Schadensersatz steht Ihnen natürlich trotzdem zu. Das können Sie sich aber ganz in Ruhe überlegen. Vorausgesetzt Sie können ab Montag wieder arbeiten geht es um vier Tage Verdienstausfall, dafür vor Gericht zu ziehen ist Ihr Recht und verschafft Genugtuung, kostet aber auch Nerven."
Elli stimmte nickend zu. Ihr war klar, dass sie auch am Montag nicht arbeiten würde, denn sie hätte keine Kunden, aber das war eine andere Sache und hing nicht mit Silvermans Anzeige zusammen.
Nach nur wenigen Minuten war die private Besprechung vorbei und Elli saß wieder hinter Marshs Schreibtisch.
„Mister Silverman wird die Anzeige zurückziehen, noch heute."
Mister Flores warf seinem Mandanten einen ernsten Blick zu.
„Ja, das werde ich. Und es tut mir leid, Miss Summers." Dabei mied er es Elli anzuschauen.
„Äh, okay." Elli sah fragend zu Mister Marsh. Hatte sie das wirklich richtig verstanden? Würde sie noch heute diese Anzeige los werden? Waren ihre Hoffnungen tatsächlich erhört worden?
Mister Marsh lächelte zufrieden.
Sie waren noch eine gute viertel Stunde in Marshs Büro gesessen, die beiden Juristen hatten mit irgendwelchen Fachwörtern und Paragrafen um sich geworfen, das Protokoll ausgefüllt und unterschrieben.
Elli hatte nicht mehr viel davon mitbekommen, sie war einfach nur erleichtert und grinste vor sich hin.
Bevor sie in ihr Auto stieg, wollte sie noch eine rauchen und gleich allen eine Nachricht schreiben. Doch kaum hatte sie die Zigarette angezündet, kam Silverman zu ihr.
„Miss Summers, dürfte ich Sie einen Moment sprechen?", fragte er vorsichtig.
Elli war sich nicht sicher, ob das gut war, nickte dann aber.
„Zuerst, es tut mir wirklich sehr leid." Er kratzte sich am Hinterkopf und wirkte dadurch sehr nervös. „Sie müssen mir glauben, dass es nicht meine Idee war und ich stecke auch nicht hinter dieser Zeitungsanzeige, falls Sie das glauben."
„Was wollen Sie damit sagen?" Elli sah ihn mit großen Augen an.
„Sie haben sich mit den falschen angelegt und es wird nicht einfach so aufhören. FP will seine Ziele erreichen und ihm ist dabei jedes Mittel recht." Mister Silverman lehnte sich näher zu Elli und flüsterte nun. „Ich kann Ihnen helfen."
„Und warum sollte ich gerade Ihnen vertrauen? Sie wollten mich in den Knast bringen", entgegnete Elli genervt. Versuchte er sich nur irgendwie aus der Sache rauszureden?
„Ich hatte keine Wahl. Aber es ist zu gefährlich sich hier zu unterhalten. FP sieht alles." Wie um seine Aussage zu unterstreichen, sah sich Silverman nach allen Seiten um. „Ich muss gehen, aber ich werde Kontakt zu Ihnen aufnehmen. Auf Wiedersehen."
Irritiert blickte Elli ihm nach, sah sich dann ebenfalls unsicher um und stieg schnell in ihr Auto.
Sie ärgerte sich darüber, dass sie ihren Erfolg nicht so recht genießen konnte, weil ihr Silvermans Aussagen im Kopf herumspukten.
Er könne ihr helfen. Er hatte keine Wahl. Er würde Kontakt zu ihr aufnehmen.
Was sollte sie davon halten?
Dass er mit „FP" Fitzpatrick gemeint hatte, war ihr klar, dass dieser seine Ziele mit allen Mitteln erreichen wollte, glaubte sie sofort.
Aber in welcher Beziehung stand Silverman zu Fitzpatrick und was konnte Elli auf dessen Erzählungen geben?
Von sich selbst genervt, wie so oft in den letzten Tagen, schrieb sie allen eine Nachricht, dass die Anzeige zurückgezogen wird, sie aber noch auf einen Anruf vom Gericht warten muss, wenn es dann wirklich erledigt war.
Dann fuhr sie zum Blumenladen und danach zum Friedhof.
Immerhin hätte sie diesmal gute Nachrichte, die sie Carl erzählen konnte.
Der erlösende Anruf kam gegen sieben, Elli hatte schon gar nicht mehr damit gerechnet.
Eine freundliche Frau erklärte ihr, dass die Anzeige zurückgezogen wurde und die Meldung bereits an die Polizei in Charming rausgegangen war. Ihre Auflagen waren damit mit sofortiger Wirkung aufgehoben, für die Kaution würde sie in wenigen Tagen einen Scheck per Post bekommen.
Da sie es noch nicht so recht glauben konnte, rief sie im Polizeirevier an. Unser hatte bereits Feierabend, aber Hale war noch da, überprüfte Ellis Akte und bestätigte, dass die Sache aus der Welt geschafft war.
Elli bedankte sich mindestens fünfmal, jubelte, sobald der Anruf beendet war und tanzte eine Runde durch die Küche.
Das schrie doch danach, gefeiert zu werden.
Um neun kam Donna und holte sie ab.
Mit mächtigem Herzklopfen stieg Elli an der Werkstatt aus dem Minivan.
Der kleine Streit mit Gemma war ihr noch in Erinnerung und sie war sich nicht sicher, ob sie noch so richtig willkommen war.
Donna allerdings war sich sicher, dass Elli nach wie vor dazugehörte, und freute sich schon auf die Party.
Wie immer war die Stimmung gut und schon vor dem Clubhaus tummelten sich die Feiernden.
Am Feuer standen Juice, Halfsack und Bobby.
Sofort prosteten sie Elli zu und sie musste ihnen versprechen, dass sie mit ihnen anstieß, sobald sie sich etwas zu trinken geholt hatte.
Ellis Unbehagen legte sich langsam und als Clay an der Bar sofort einen Schnaps für sie bestellte und mit ihr trank, entspannte sie sich.
„Gemma sagte, die Anzeige wird zurückgezogen. Bis wann kannst du damit rechnen?"
„Schon erledigt." Elli grinste breit. „Das Gericht hat angerufen und es wurde auch schon an Unser gemeldet. Hale hat es mir vorhin bestätigt."
„Na darauf müssen wir gleich noch einen trinken."
Clay orderte bei Curt zwei weitere Schnäpse und ein Bier für Elli.
„Sollen wir uns bei Silverman revanchieren", hakte Clay nach, während er auf den Schnaps wartete.
Schnell schüttelte Elli den Kopf. „Ich will erst mal meine Kaution zurück und dann muss ich noch überlegen, ob ich ihn auf Schadensersatz verklage."
„Okay, aber du sagst es, wenn du deine Meinung änderst. Verdient hätte er es." Clay hob sein Glas an und prostete Elli zu. „Auf deine Freiheit."
Mit einem Lächeln griff auch Elli nach ihrem Glas und kippte den Schnaps hinunter.
Es hatte sich schnell herumgesprochen, dass es für Elli etwas zu feiern gab.
Unzählige Male stieß sie mit den Jungs des Clubs und der Familie an. Mal mit Bier, mal mit Schnaps.
Sie war schon ziemlich angeheitert, als Gemma sie zur Seite nahm.
„Es freut mich, dass du heute gekommen bist und mit uns feierst. Du nimmst mir meinen Besuch bei dir hoffentlich nicht krumm."
„Ich glaube, so ne Ansage hab ich mal gebraucht. Es ist also alles okay", antwortete Elli, leicht lallend.
„Jederzeit wieder, Schätzchen." Gemma lachte. „Ich hoffe, du nimmst dir zu Herzen, was ich gesagt habe, und du fängst an zu kämpfen. Nicht nur um die Praxis."
„Um was denn sonst noch?", hakte Elli nach, deren Gehirn nicht mehr mit voller Leistung lief.
Gemma grinste verschwörerisch, packte Elli an den Schultern und drehte sie in Richtung Eingangstüre.
Opie und Jax waren gerade durch diese hereingekommen und bahnten sich einen Weg zur Bar.
„Jax hängt noch an dir, da bin ich mir sicher. Was für Probleme er auch immer hat, treib sie ihm aus."
Gemma flüsterte leise an Ellis Ohr, bevor sie ihr einen kleinen Schubser gab.
Wäre Elli nüchtern gewesen, hätte sie Gemma vielleicht hinterfragt. In ihrem Zustand aber lief sie zielstrebig auf Jax zu.
🏍🏍🏍🏍🏍🏍🏍
Opie und Tig hatten ihn dazu überredet noch auf ein Bier ins Clubhaus zu gehen. Die Tour war lang gewesen, allerdings ohne besondere Vorkommnisse.
Nach dem einen Bier wollte Jax nach Hause und Elli anrufen.
Noch hatte er seine Handys nicht gecheckt, wollte vor Tig verbergen, dass er mittlerweile drei dieser Teile mit sich rumschleppte. Es würde nur Fragen aufwerfen, die er nicht beantworten konnte.
Curt schob zwei Flaschen Bier über den Tresen und Jax setzte seine Flasche sofort an, um einen großen Schluck zu nehmen.
Plötzlich legte sich eine Hand auf seine Hüfte, ein warmer Körper drückte sich von hinten gegen seinen und er hörte eine leise Stimme an seinem linken Ohr.
„Hallo mein Hübscher."
Er verschluckte sich am Bier, ignorierte Opies Grinsen und drehte sich zu Elli um.
Ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen glasig. Auf den ersten Blick sah er ihr an, dass sie bereits genug getrunken hatte.
Zwischen belustigt und wütend schwankend, griff er sie am Arm und schob sie vor sich her in eines der Gästezimmer im hinteren Teil des Clubhauses.
„Was machst du hier?", fragte er härter als beabsichtigt.
„Ich dachte du freust dich mich zu sehen." Elli ließ den Kopf hängen und sofort tat es ihm leid.
„Natürlich freu ich mich dich zu sehen." Er ging einen Schritt auf sie zu und griff nach ihrer Hand. „Aber es ist auch gefährlich. Ich weiß immer noch nicht, wer dich oder mich beobachtet."
„Ich wollte nur ein wenig feiern, denn die Anzeige ist schon zurückgezogen worden und ich bin komplett aus der Sache raus. Das ist doch nicht verboten." Elli trat nun ebenfalls einen kleinen Schritt auf ihn zu. „Ich dachte im Clubhaus wäre es sicher, oder denkst du, es ist wieder jemand vom Club?"
Diese Vermutung war Jax auch schon gekommen, aber er hatte sie schnell wieder verworfen.
Alle Fotos, die ihm bisher geschickt worden waren, waren vor dem Werkstatthof oder irgendwo ganz anders aufgenommen worden. Derjenige hielt sich offensichtlich vom Clubhaus fern.
Natürlich könnte das auch eine berechnende Taktik sein, aber daran wollte Jax nicht glauben, denn dann wären die Chancen denjenigen ausfindig zu machen schwindend gering.
Zudem strich Elli gerade mit ihrer einen Hand von seiner Brust in seinen Nacken, bescherte ihm eine prickelnde Gänsehaut und ein verheißungsvolles Ziehen im Unterleib.
Es war egal, was er vermutete oder sich dachte, im Moment zählte nur sie.
„Scheiß drauf", murmelte er, beugte sich ein Stück hinab und küsste sie.
Alle Bedenken schob er so weit zurück wie es nur ging. Das Kribbeln in seinem Bauch, ausgelöst von Ellis Zunge die zärtlich über seine strich, half ihm dabei.
Es kostete ihn letztlich all seine Willenskraft, sich von ihr zu lösen.
„Du bist betrunken."
„Ein bisschen vielleicht", gab sie grinsend zu. „Na und?"
„Ich will nicht, dass du morgen etwas bereust." Jax konnte selbst nicht glauben, dass er das sagte. Seit Wochen vermisste er Elli und ihren Körper und hatte sich jede Nacht gewünscht, sie an seiner Seite zu haben.
„Werde ich nicht", versicherte sie. Dabei fuhr ihre Hand bereits unter sein Shirt.
Doch er stoppte sie und trat einen Schritt zurück.
„Nicht hier. Lass uns nach Hause gehen."
Sein Herz schlug noch einen Ticken schneller, als Elli lächelnd nickte.
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