21. Okay?!?

Während Elli die Tomatensoße rührte, las sie sich durch ihre Nachrichten.
Alessa hatte gesagt, sie hätte Elli nicht erreichen können, weshalb sie ihr Handy genommen hatte, um nachzusehen. Tatsächlich war es aus gewesen, warum auch immer, denn der Akku war noch halb voll.
Sobald sie es angeschaltet hatte, hatte es mehrfach vibriert und gepiepst.
Nachrichten von Gemma, Donna, Opie und Clay. Alle mit ähnlichem Inhalt. Ob es ihr gut ginge und ob sie etwas bräuchte? Später dann, dass sie sich mal melden solle.
Alessa hatte nicht geschrieben, sondern zwei Nachrichten auf der Mailbox hinterlassen.
Juices Nachricht war alles andere als gut. Der Lieferant hatte den falschen Kabelbaum geliefert und er könne ihr Auto erst am Freitag fertig machen.
Zuletzt hatte sie noch zwei ungelesene Nachrichten von Jax.

Ohne sie zu öffnen beantwortete sie alle anderen Nachrichten, schrieb dass es ihr besser ginge, sie aber den Abend allein zuhause verbringen würde. Sie hätte alles, was sie brauchte und würde morgen zur Arbeit kommen.
Sie brachte Getränke ins Wohnzimmer und nahm sich dann von den Spaghetti.
Erst nachdem sie es sich auf dem Sofa bequem gemacht hatte und die ersten Bissen ihres Abendessens genommen hatte, schaffte sie es, sich Jax' Nachrichten anzuschauen.

Jax: Kommst du wegen mir nicht zur Arbeit? Wegen gestern Abend? Ich hab das verdient, du musst dir also keine Gedanken deshalb machen.

Jax: Ich mach mir Sorgen um dich, aber wenn du willst, dann lasse ich dich in Ruhe und halte mich von dir fern.

Elli kaute, ohne wirklich etwas zu schmecken.
Sie wollte nicht, dass Jax sich von ihr fernhielt. Sie glaubte ihm, dass er sich Sorgen um sie machte. Am Abend davor hatte sie sogar gedacht, er hätte immer noch Interesse an ihr.
Aber warum dann die Trennung?
Sie konnte es nicht nachvollziehen, witterte aber eine Chance.

Elli: Ich will nicht, dass du dich von mir fernhältst, aber es wäre wohl besser für mich.
Also ja, bitte lass mich in Ruhe, oder erklär mir, was wirklich los ist.

Sie hatte über fünf Minuten für diese wenigen Zeilen gebraucht, hoffte schließlich, dass sie die richtige Wortwahl getroffen hatte. 
Nun war es seine Entscheidung, wie es zwischen ihnen beiden weiterging und vielleicht bekäme sie endlich Antworten.

Es war schon stockdunkel und Elli hatte genug. Viel zu lange hatte sie schon wieder auf den Laptop gestarrt, seitenweise Notizen und Informationen zusammengetragen, die vielleicht irgendwie irgendwann mal helfen könnten. Etwas Handfestes gegen Fitzpatrick oder ProCharming hatte sie jedoch nicht gefunden. 
Ausgiebig streckte sie sich, ihr Rücken schmerzte und knackste laut.
Schnell räumte sie auf, brachte den Laptop zurück ins Büro und legte sich dann ins Bett.
Jax hatte noch immer nicht geschrieben, aber sie schaffte es, über ihre Recherchen nachzudenken und nicht über ihn. So schlief sie relativ schnell ein.


Beim ersten Klingeln ihres Weckers war sie hellwach, denn sie hatte irgendwann nachts noch eine Nachricht bekommen.
Regelmäßig blinkte das kleine grüne Licht in der linken oberen Ecke ihres Smartphones. Den Absender hatte sie gesehen, als sie den Wecker ausgeschaltet hatte. Es war Jax.

Jax: Okay

Okay. Okay?
Was genau meinte er mit okay?
Okay ich lass dich in Ruhe oder okay ich erklär es dir?
War es wirklich okay oder stimmte er damit etwas zu, was er gar nicht wollte?
Konnte er sich nicht genauer ausdrücken?

Seufzend stand sie auf. Was sie darauf hätte antworten sollen, wusste sie nicht.
Da hieß es immer, man könnte mit dem, was eine Frau zu einem Thema zu sagen hatte, ein ganzes Wörterbuch füllen, aber immerhin verstand man die Frauen dann.
Sie spürte, wie die Wut in ihr hochkochen wollte, gleichzeitig kam aber auch die Furcht. Wie immer, wenn es um Jax ging, waren ihre Gefühle intensiver und drängender.
Jetzt brauchte sie Kaffee, eine Zigarette und danach eine heiße Dusche.


In der Mittagspause war Ellis Laune im Keller.
Jax war da, sein Bike stand vor dem Clubhaus, aber ihn selbst hatte sie den ganzen Vormittag über noch nicht gesehen. Er schien sich tatsächlich dazu entschieden zu haben, sich von ihr fernzuhalten.
Es war besser so, sie könnte endlich wirklich abschließen. So hatte sie es ihm geschrieben, dennoch tat es weh.
Und gleichzeitig fragte sie sich, warum er sich noch immer weigerte, ihr den richtigen Grund für die Trennung zu sagen. Es war ja nicht so, dass sie ihm deshalb den Kopf abreißen würde. Sie wollte es doch nur nachvollziehen können, denn so oft sie auch darüber nachgedacht hatte, bis heute war ihr nichts eingefallen, was seine „Gründe" stützen würde.
Es hätte nicht funktioniert, so hatte er sich ausgedrückt. Eine beklopptere Ausrede hatte sie noch nie gehört. Außer vielleicht von Paul, der seinen Seitensprung mit Sara bei einem seiner vielen Erklärungsversuche darauf geschoben hatte, dass es evolutionär bedingt wäre sich als Mann mehrere Frauen zu suchen, damit das Erbgut weit gestreut wurde.
Ein netter Versuch zu umschreiben, dass er ein mieses untreues Arschloch war.
Aber Jax war kein Arschloch, auch wenn sie ihn so genannt hatte.
Er hatte sie nicht betrogen und sie nie schlecht behandelt. Er hatte sie einfach nur abserviert und sie musste damit klarkommen.
Hatte sie sich nicht genau das vorgenommen?


Der Tag zog irgendwie an Elli vorbei.
Immer wieder rief sie sich selbst zur Ordnung. Wenn sie sich schon auf etwas anderes als ihre Arbeit im Büro konzentrieren wollte, dann wenigstens auf die Praxis und nicht ihren Exfreund.
Immerhin stand die Eröffnung nun kurz bevor und das flaue Gefühl in ihrem Magen, welches sich hin und wieder meldet, lag sicherlich an der Aufregung.
So viel Energie und Geld hatte sie bereits in ihren Traum gesteckt und irgendwie kam es ihr trotzdem noch unwirklich vor. Dabei war es in nur drei Tagen soweit.
Nur noch drei Tage, dann hätte sie geschafft, worauf sie so lange hingearbeitet hatte.
Und nur noch einen Tag in der Werkstatt, dann läge dieses Kapitel hinter ihr.

Ein bisschen Wehmut mischte sich in ihre Gedanken.
Die Arbeit hier hatte ihr geholfen, wofür sie Clay und auch Gemma dankbar war. Ganz unabhängig vom Club, der Familie oder Jax, hatte sie hier eine schöne Zeit gehabt und gut verdient. Selbst als sie dann aufs College gegangen war, hatte Clay sofort zugestimmt, ihre Arbeitszeiten anzupassen, was sicherlich nicht jeder Arbeitgeber getan hätte.
Bisher hatte sie nur darüber nachgedacht, was Neues auf sie zukam, aber nicht darüber, was sie hinter sich ließ.
Gesellige Runden um den Aschenbecher, Gespräche an der Kaffeemaschine, immer war irgendjemand da, der Mittagessen besorgt hatte und die Stimmung war fast immer gut gewesen. Natürlich konnte auch mal einer der Jungs schlechte Laune haben und Clay grummelig sein, aber die meiste Zeit über war es hier recht stressfrei zugegangen.
Außerdem hatte sie nie Probleme bekommen, wenn sie mal krank war oder Urlaub wollte.
Ein Umstand, der sich recht schnell ändern würde.

Urlaub oder eine Krankheit konnte sie sich in den nächsten Monaten nicht leisten. Wie es bisher aussah, musste sie über jeden Termin froh sein, den sie vergeben konnte. Egal wie beschissen sie lagen und ob sie zwischen zwei Terminen drei Stunden nichts zu tun haben würde.
Tatsächlich hatte sie mit mehr Anfragen gerechnet und hoffte nun auf Sonntag.
Sie war nicht aus Charming, hatte es bisher bewusst unter den Teppich gekehrt, dass ihre Mutter früher einmal hier gelebt hatte, und außer die Kunden in der Werkstatt hatte sie kaum Kontakt zu den Einwohnern, sah man vom Club und dessen Freunden ab.
Wahrscheinlich wollten sich die meisten zuerst ein Bild von ihr machen.


Abends war Elli in der Praxis.
Wie sie es Alessa gesagt hatte, war der Schlüssel im Briefkasten, es wartete keine Überraschung auf sie und die Wand sah wirklich toll aus.
Offensichtlich hatte sich Alessa nicht entscheiden können, denn in ordentlichen Buchstaben waren gleich drei Sprüche an die Wand gepinselt worden.

Nur in einem ruhigen Teich spiegelt sich das Licht der Sterne.

Lerne loszulassen, das ist der Schlüssel zum Glück.

Wenn du das Gefühl hast, dass gerade alles auseinander zu fallen scheint, bleibe ganz ruhig. Es sortiert sich nur neu.

Vielleicht sollte sich Elli diese Sprüche zu Herzen nehmen, loslassen und warten, bis alles neu sortiert war.
Einfacher gesagt als getan, aber es klang immerhin ganz gut.
Besser als das Motto, nachdem sie gerade lebte.
Sie hoffte auf das Beste aber rechnete mit dem Schlimmsten.

Mehrere Schriftarten hatte sie schon ausprobiert, bis sie sich schließlich für eine entscheiden konnte.
Verschnörkelte, elegant geschwungene Buchstaben bildeten das Wort Gutschein.
Für ein paar Minuten war sie beinahe in Panik ausgebrochen, als ihr klar geworden war, dass sie gar kein Abschiedsgeschenk für ihre Kollegen hatte. Gewiss hätten sie es ihr nicht krumm genommen, aber irgendwie gehörte sich das doch. Und nur einen Karton Schnaps bereitstellen für die nächste Party erschien ihr so einfallslos.
Dann hatte sie die Idee mit den Gutscheinen gehabt.

Bestimmt würden die "harten Jungs" nicht von allein auf die Idee kommen, sich eine Massage zu gönnen, selbst wenn es ihnen guttun würde. Dem würde sie Abhilfe schaffen.
Jeder würde zwei Gutscheine über eine 45-minütige Entspannungsmassage bekommen.
Nicht ganz ohne Hintergedanken, denn wenn sie auf den Geschmack gekommen waren, würden sie vielleicht öfter vorbeikommen.
Also druckte sie jeweils zwei Gutscheine für Juice, Halfsack, Opie, Bobby, Tig, Chibs, Clay, Piney und Curt aus. Dann noch für Donna, Gemma und Luann. So wäre die ganze Familie abgedeckt.

Fehlte nur noch Jax und Elli zögerte.
Er wollte sich von ihr fernhalten, wie sie es ihm geschrieben hatte. Wie würde es da aussehen, wenn sie ihm nun Gutscheine für eine Massage schenkte?
Andererseits wusste sie gerade bei ihm, wie sehr er ihre Massagen immer genossen hatte, er war also ein potenzieller Kunde.
Und würde es nicht viel blöder aussehen, wenn er der Einzige war, der etwas anderes oder gar nichts von ihr bekam?
Wenn es ihm ernst damit war sie in Ruhe zu lassen, sollte er die Gutscheine eben nicht einlösen.
Also druckte sie noch zwei weitere Seiten aus, schob sie in einen Umschlag wie die anderen zuvor und beschriftete diesen mit Jax' Namen. 

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