In der Nacht war es endlich ruhig im Internat, er konnte zwar von den anderen Räumen her gleichmäßige  Atemzüge hören, aber das lag hauptsächlich an den dünnen Wänden. Er zog sich um und legte sich schlafen. 

Nach einer halben Stunde öffnete sich seine Zimmertür leise und eine etwas pummligere blondhaarige Erzieherin lugte in sein Zimmer. Dann zog sie den Kopf, offenbar zufrieden, wieder zurück.

Stunden vergingen und er lag einfach nur ganz still da, ohne auch nur eine Sekunde ein zu nicken. Mittlerweile war es 3:37Uhr. Wenigstens hatte er inzwischen die Augen geschlossen. Pünktlich um 5:30Uhr, stand er auf, zog sich um und begann seine Schulsachen zu packen. 

Ein Deutsch- und ein Geschichtsbuch und Stifte für den folgenden Kunstunterricht. Die Bücher waren ihm bereits eine Woche zuvor gegeben worden. 

Außerdem befestigte er an einem Ledergürtel, der unter seinem Hoodie verschwand, ein rotes Samtsäckchen, zusammen mit anderen kleineren Gegenständen, die wie auch schon das Säckchen unter dem Hoodie verschwanden und keine Aufmerksamkeit erregen sollten. 

Dann zog er, obwohl es Mitte Mai war und außerdem für heute 21°C angesagt waren, Stiefel und Lederjacke an. Die Jacke musste er zuknöpfen. 

Die Knöpfe waren silbern und eine Krähe mit Schwingen war zu erkennen. Unter ihm waren außerdem die Umrisse einer brennenden Stadt abgebildet. Die Augenklappe hatte er zum schlafen nicht abgelegt. 

Dann schmiss er sich seine schwarze Tasche über die Schulter und setzte sich noch einmal an den Holztisch. Die Uhr, die er sich auf den Tisch gestellt hatte, zeigte nun 5:57 Uhr an.
5:58 Uhr
5:59 Uhr
6:00 Uhr
Klopf, klopf.
Er schloss das Notizbuch wieder in der Schublade weg. Wie erwartet stand dort Jason, in der einen Hand eine Brottüte, in der anderen eine Flasche Wasser.

"Guten Morgen, ich habe dir schon etwas aus der Kantine mitgebracht. " begrüßte er ihn. Er nahm Jason den Proviant ab und steckte ihn in seine Tasche. Gemeinsam gingen sie zur Schule. 

Er ging das erste Mal diesen Weg, aufgrund des gestrigen "Zwischenfalls" . Der Weg führte am See vorbei, wenige Kirschblüten waren durch den Wind in ihn geweht. Nun bei der leichten Briese die wehte und der Sonne die gerade aufging, sah es malerisch schön aus. Er blieb kurz stehen und auch Jason hielt inne.

"Es ist selten das ich die Sonne sehe wenn ich morgens hier vorbei komme, wir haben Glück!" sagte Jason lächelnd. Er nickte nur kurz und ging dann weiter, Jason folgte. 

Nach einer Weile kreuzte sich der Weg. Von rechts hörte er eine vertraute Stimme rufen.
"Hey, Chase, Jason, guten Morgen!" winkend kam Tim herüber. Nach ein paar Schritten die sie gemeinsam gegangen waren, begann Tim zu reden.

"Weißt du, dass du gestern so ruhig bleiben konntest, echt genial! Und wie du so getan hast als würdest du dich endschuldigen,  wie Maison dich dann angesehen hat, unbezahlbar. Wahrscheinlich dachte der wirklich es täte dir Leid, aber mir kannst du nichts vormachen !" Tim holte kurz Luft, dann blickte er ihn fragend an.

"Aber sag mal, warum hast du mitten im Schuljahr die Schulen gewechselt?" Als er keine Antwort gab, meinte Tim:
"Ist schon gut, wenn du nicht willst musst du es uns nicht sagen." 

Den Rest des Weges gingen sie schweigend, naja fast. Denn Tim begann sich zu beschweren, wie denn nur Menschen wie Maison außerhalb eines Films existieren konnten. Zwischendurch sagte Jason manchmal etwas wie "Niemand wird als schlechter Mensch geboren" oder "Maison hatte bestimmt einen Grund dafür es zu tun". 

Generell schien Jason zu versuchen in allen Menschen etwas Gutes zu sehen.

 Inzwischen waren sie am Schulgebäude angelangt. Unterricht hatten sie heute zuerst in Raum2. Die scharlachrote Tür quitschte etwas als sie eintraten, Tim immer noch redend und Jason mit den Zwischenkommentaren. Er ging geradewegs zu seinem Platz am Fenster.Ob die beiden ihn schon als Freund betrachteten? Oder war es selbstverständlich, dass sie sich um ihn kümmerten? Mit solchen Dingen hatte er einfach nichts am Hut. Er setzte sich.  Ein paar Kirschblüten tanzten im Wind.