16. Dezember: Schneemagie
Die Nacht hatte das Schloss in ein silbernes Leuchten gehüllt, als Harry und Draco zusammen den Pfad hinter dem Gewächshaus hinuntergingen. Der Schnee unter ihren Füßen knirschte leise, und ihr Atem bildete weiße Wolken in der eisigen Luft. Die Suche nach dem verlorenen Geschenk hatte sie den ganzen Nachmittag in Atem gehalten, doch als sie schließlich wieder Zeit fanden, miteinander zu sprechen, war es Draco gewesen, der vorgeschlagen hatte, an die frische Luft zu gehen.
„Du wirst schon sehen, Potter.", hatte Draco mit einem rätselhaften Lächeln gesagt, als sie sich auf den Weg machten.
Harry war misstrauisch, doch ein Teil von ihm wollte wissen, wohin Draco ihn führte. Das Verhältnis zwischen ihnen hatte sich in den letzten Tagen seltsam verschoben – die alten Feindseligkeiten waren nicht verschwunden, aber sie hatten sich mit einer Art unausgesprochener Neugier vermischt.
„Und wohin gehen wir jetzt?", fragte Harry schließlich, als sie einen schmalen, verschneiten Weg entlanggingen, der tiefer in die Dunkelheit führte.
Draco blieb stehen und drehte sich zu ihm um. „Hast du jemals von der Schneemagie gehört?" Harry runzelte die Stirn. „Schneemagie?"
Draco nickte. „Es ist ein alter Zauber, der angeblich Schnee zum Leben erwecken kann. Die Legende besagt, dass er nur an bestimmten Orten funktioniert – Orten, die von uralter Magie durchdrungen sind. Und Potter.", er deutete auf eine Lichtung vor ihnen, „Hogwarts ist einer dieser Orte."
Harry folgte Dracos Blick. Vor ihnen lag eine kleine, versteckte Lichtung, umgeben von schneebedeckten Bäumen. Der Mondschein ließ den Schnee wie Millionen von Diamanten funkeln, und die Stille des Ortes war fast überwältigend.
„Das sieht... besonders aus.", sagte Harry, während er weiterging, den Blick immer noch auf das funkelnde Weiß vor sich gerichtet.
Draco zog seinen Zauberstab und grinste. „Du hast keine Ahnung."
Draco trat in die Mitte der Lichtung und schwang seinen Zauberstab in einer langsamen, eleganten Bewegung. „Glacies Volatus.", sagte er leise, und sofort begannen die Schneeflocken um sie herum zu glühen.
Harry hielt den Atem an, als der Schnee um ihn herum zu tanzen begann. Die Flocken wirbelten durch die Luft, bildeten Muster, die an funkelnde Sterne erinnerten, und begannen dann, in einer Art Choreografie zu schweben. Einige zogen glitzernde Bahnen, andere schienen fast wie kleine Wesen mit Flügeln zu fliegen.
„Das ist... unglaublich.", murmelte Harry, als er die schimmernden Muster um sich herum betrachtete.
„Es ist nicht nur ein Zauber.", sagte Draco, seine Stimme war leise, fast ehrfürchtig. „Es ist Magie, die aus den Erinnerungen und Gefühlen des Zaubernden gespeist wird. Sie zeigt, was in deinem Inneren ist."
Harry sah ihn an, überrascht von der Ernsthaftigkeit in Dracos Gesicht. „Und was zeigt das hier?"
Draco zögerte. Sein Blick fiel auf die tanzenden Schneeflocken, die sich jetzt in einer Art Wirbel um sie beide bewegten. „Das,", sagte er schließlich, „müsstest du selbst wissen."
Harry wollte etwas sagen, doch in diesem Moment fiel eine einzelne Schneeflocke auf seinen Zauberstab und begann, ein sanftes Licht auszustrahlen. Die anderen Schneeflocken schienen darauf zu reagieren, denn sie formierten sich zu einer Art leuchtendem Kreis um ihn und Draco.
„Das passiert nicht immer.", sagte Draco, der die Szene ebenso fasziniert beobachtete. „Man sagt, dass der Zauber nur so stark ist, wenn zwei Zauberer etwas teilen... etwas, das sie miteinander verbindet."
Harrys Herz klopfte schneller, als er Dracos Worte hörte. „Etwas, das sie verbindet?", wiederholte er, unsicher, was er damit anfangen sollte.
Draco sah ihn an, sein Blick war plötzlich ungewohnt weich. „Ja."
Die Stille zwischen ihnen war greifbar, nur unterbrochen vom leisen Wispern der Schneeflocken, die weiter ihre Muster zeichneten. Harry wusste nicht, warum er plötzlich so nervös war – oder warum sein Blick immer wieder zu Dracos Gesicht wanderte.
„Weißt du,", sagte Draco schließlich, und seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, „ich dachte immer, du wärst... einfach nur ein dummer Gryffindor."
Harry lachte leise. „Danke, Malfoy. Das ist wirklich schmeichelhaft."
Draco schüttelte den Kopf, ein kleines Lächeln auf den Lippen. „Das meine ich nicht. Was ich sagen will, ist... ich habe mich geirrt."
Harrys Herz setzte für einen Moment aus. Er wollte eine Antwort geben, doch die Worte schienen in seiner Kehle stecken zu bleiben.
„Du bist anders, als ich dachte.", fuhr Draco fort, sein Blick jetzt fest auf Harry gerichtet. „In den letzten Tagen habe ich Dinge gesehen... Seiten von dir, die ich nie erwartet hätte."
Harry spürte, wie seine Wangen heiß wurden, doch er zwang sich, Dracos Blick nicht auszuweichen. „Ich... glaube, ich habe dich auch anders gesehen.", gestand er schließlich. Die Schneeflocken um sie herum schienen heller zu leuchten, und für einen Moment fühlte es sich an, als würde die ganze Welt stehen bleiben.
Der Zauber ließ langsam nach, und die Schneeflocken sanken leise zu Boden. Doch die Magie zwischen ihnen blieb spürbar – unausgesprochen, aber präsent.
„Vielleicht sollten wir zurückgehen.", sagte Draco schließlich, doch seine Stimme klang fast widerwillig.
„Vielleicht.", stimmte Harry zu, doch auch er machte keine Anstalten, sich zu bewegen.
Für einen Moment standen sie einfach nur da, die winterliche Stille um sie herum, und obwohl keine Worte gesprochen wurden, wussten beide, dass etwas zwischen ihnen begonnen hatte. Etwas, das sie beide noch nicht ganz verstanden, das aber dennoch da war – so real wie die Schneeflocken, die jetzt auf ihre Umhänge fielen.
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