12. Dezember: Der Ball

Die Weihnachtszeit hatte Hogwarts vollständig in ihren Bann gezogen. Überall funkelten Lichter, der Duft von Zimt und Nelken zog durch die Korridore, und die Schüler schwirrten vor Aufregung wegen des bevorstehenden Weihnachtsballs durch die Hallen. Die großen, geschnitzten Türen der Großen Halle waren geschlossen, während die Hauselfen und Lehrer die letzten Vorbereitungen für den Ball trafen.

Harry stand in einer Ecke des Gryffindor-Gemeinschaftsraumes und versuchte, die Krawatte seines smaragdgrünen Festumhangs zu binden. Sein Spiegelbild sah ihn kritisch an, während er zum dritten Mal versuchte, den Knoten hinzubekommen.

„Lass mich das machen.", sagte Ron, der mit einem ungeduldigen Seufzen aufstand. Er trug einen dunkelblauen Umhang, der zwar schlichter war als Hermines glitzernde Robe, aber dennoch feierlich wirkte.

„Danke." murmelte Harry und hielt still, während Ron die Krawatte richtete.

„Hermine wartet unten.", sagte Ron, als er fertig war. „Also, beeil dich besser. Sie hasst es, wenn wir zu spät kommen."

Harry lachte leise. „Das habe ich bemerkt."

Gemeinsam machten sie sich auf den Weg zur Großen Halle, wo sich bereits zahlreiche Schüler versammelt hatten. Die großen Flügeltüren waren nun geöffnet, und ein beeindruckender Anblick bot sich den Gästen: Die Halle war kaum wiederzuerkennen. Magische Schneeflocken schwebten von der Decke, ohne den Boden zu berühren, und riesige Weihnachtsbäume, geschmückt mit funkelnden Ornamenten, standen in den Ecken. Das Licht der Kerzen, die in der Luft schwebten, schien noch heller als sonst.

Harrys Blick wanderte über die Menge, die sich bereits auf der Tanzfläche und an den langen Buffet-Tischen verteilt hatte. Sein Herzschlag beschleunigte sich unwillkürlich, als er Draco Malfoy am Rand der Halle stehen sah. Der Slytherin trug einen silbernen Umhang mit schwarzen Akzenten, der seinen blassen Teint und sein helles Haar noch mehr betonte.

Draco war in ein Gespräch mit Blaise Zabini vertieft, doch Harry bemerkte, wie seine Augen kurz zu ihm herüberwanderten – ein flüchtiger, kaum merklicher Blick, der Harry dennoch eine seltsame Unruhe bescherte.

„Was ist los?" fragte Ron, der Harrys Abwesenheit bemerkte.

„Nichts.", sagte Harry schnell und wandte sich wieder dem Buffet zu.

Doch er konnte den Blick nicht abschütteln. Seit den letzten Aufgaben des magischen Adventskalenders hatte sich ihre Beziehung verändert. Sie waren sich näher gekommen – nicht unbedingt Freunde, aber es war, als hätten sie eine stillschweigende Abmachung getroffen, die ewigen Streitigkeiten hinter sich zu lassen.

Die ersten Tänze begannen, und Paare füllten die Mitte der Halle. Harry stand mit Ron und Hermine abseits, unsicher, ob er sich in die Menge wagen sollte. Er war nie ein besonders begeisterter Tänzer gewesen, und die Idee, vor all diesen Leuten aufzufallen, war nicht gerade verlockend.

Plötzlich hörte er eine Stimme hinter sich. „Potter."

Harry drehte sich um und sah Draco, der mit einer selbstbewussten Haltung vor ihm stand. Seine silbernen Augen funkelten im Kerzenschein, und auf seinen Lippen lag ein Ausdruck, der irgendwo zwischen Herausforderung und Neugierde schwebte.

„Malfoy.", antwortete Harry und versuchte, seinen Ton neutral zu halten. „Was gibt's?"

Draco trat einen Schritt näher, und Harry bemerkte den leichten Duft von Bergamotte und Zedernholz, der von ihm ausging. „Du stehst hier herum wie ein missmutiger Troll, während die halbe Schule tanzt. Was hältst du davon, das zu ändern?"

Harrys Augen weiteten sich. „Willst du etwa... mit mir tanzen?"

Ein amüsiertes Lächeln breitete sich auf Dracos Gesicht aus. „Warum nicht? Du bist nicht der schlechteste Partner hier, und ehrlich gesagt, bin ich neugierig, ob der große Harry Potter auf der Tanzfläche genauso gut ist wie im Quidditch. Unser kleiner Tanz im Adventskalender war ja doch recht schnell vorbei."

Ron, der das Gespräch mit angehört hatte, verschluckte sich an seinem Kürbispunsch. „Was? Du kannst doch nicht –"

„Ron.", unterbrach Harry ihn und hob eine Hand, um ihn zu beruhigen. Er wusste selbst nicht genau, warum er das sagte, aber etwas in Dracos Tonfall – die Mischung aus Spott und Ernst – weckte seinen Widerspruchsgeist.

Er drehte sich wieder zu Draco um und zog eine Augenbraue hoch. „Na schön. Aber wenn du auf meinen Fuß trittst, werde ich es dir nicht durchgehen lassen."

Dracos Lächeln vertiefte sich, und für einen Moment sah er fast... zufrieden aus. „Das kannst du ja versuchen, Potter."
Die beiden traten auf die Tanzfläche, und Harry spürte die Blicke der anderen Schüler auf sich. Es war seltsam, mit Draco Malfoy zu tanzen, doch zugleich fühlte es sich nicht so falsch an, wie er gedacht hätte. Draco führte mit überraschender Sicherheit, und obwohl sie sich anfangs ein wenig ungeschickt bewegten, fanden sie bald einen Rhythmus.

„Du bist besser geworden.", sagte Draco leise, als sie eine elegante Drehung machten.

„Danke, glaube ich?" Harry war sich nicht sicher, ob es ein Kompliment war oder nicht, doch er spürte, wie sich seine Anspannung langsam löste.

Der Tanz endete, und als sie sich voneinander lösten, bemerkte Harry ein seltsames Gefühl in seiner Brust – eine Art Wärme, die nichts mit dem Ball oder dem Fest zu tun hatte.

„Vielleicht bist du doch nicht so schrecklich, Potter.", sagte Draco leichthin, doch seine Augen verrieten etwas Tieferes.

„Danke, Malfoy. Du bist auch... erträglich."

Sie sahen sich einen Moment lang an, bevor Draco sich abwandte und mit einem letzten, fast schelmischen Lächeln zurück zum Slytherin-Tisch ging. Harry blieb stehen und sah ihm nach, während das Summen der Feier um ihn herum wieder einsetzte.

Etwas hatte sich verändert, und Harry wusste, dass dieser Ball ein Wendepunkt gewesen war – auch wenn er noch nicht wusste, was genau das bedeutete.  

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