10. Dezember: Flucht in die Wärme
Die Kälte des Verbotenen Flügels hatte sie bis ins Mark erschüttert. Als Harry und Draco das düstere und eisige Rätsel endlich gelöst hatten, waren sie froh, wieder draußen in den Korridoren von Hogwarts zu stehen. Doch die frostige Luft des Schlosses und der beißende Wind, der durch die Gänge zog, ließen sie unwillkürlich frösteln. Harry zog den Umhang fester um sich und verzog das Gesicht. Er hatte genug von der Kälte und war entschlossen, irgendeinen Ort zu finden, an dem er sich aufwärmen konnte.
„Es kann doch nicht sein, dass es hier im Schloss keine bessere Wärmequelle gibt.", murmelte Draco, der ebenso unzufrieden mit der Kälte zu sein schien, als er sich die Hände aneinander rieb. „Ich hätte nie gedacht, dass der Winter hier schlimmer ist als irgendwo anders."
„Ganz ehrlich, ich hätte nichts dagegen, jetzt einfach in einem gemütlichen Raum mit einem Kamin zu sitzen.", stimmte Harry zu und schlang sich seinen Umhang enger um den Körper, um die Kälte abzuwehren.
„Ein Kamin also? Glaubst du wirklich, es gibt hier noch unentdeckte Orte, die uns wärmen können?", Draco sah ihn skeptisch an, als wolle er sagen, dass Harrys Vorschlag eine eher naive Vorstellung war.
„Warum nicht?" sagte Harry entschlossen. „Es gibt so viele geheime Ecken in diesem Schloss. Vielleicht ist irgendwo ein versteckter Raum, von dem niemand weiß – und vielleicht ist er genau so ein Ort, wie wir ihn brauchen."
Draco zog die Augenbrauen hoch, als ob er Zweifel hegte, dass Harrys Plan funktionieren würde, aber nach einem Moment zuckte er die Schultern und folgte ihm.
„Na gut, Potter. Wenn du wirklich glaubst, dass du uns dorthinführen kannst, dann bin ich mal gespannt, ob wir hier tatsächlich etwas finden, das wir nicht erwartet haben."
Sie gingen eine Weile durch die verlassenen Gänge, die tief im Schloss verborgen lagen, weit weg von den üblichen Trampelpfaden der Schüler. Der alte Stein unter ihren Füßen schien die Schritte zu verschlucken, und der Korridor war nur vom fahlen Licht der Fackeln erleuchtet, die in den Wänden steckten. Die Dunkelheit war fast greifbar, und Harry konnte das Gefühl der Neugier und Nervosität nicht abschütteln, das sich langsam in ihm breit machte. War es wirklich eine gute Idee, hierher zu gehen? Wer wusste, welche Geheimnisse dieser Teil von Hogwarts verbarg?
Doch dann, als sie um eine Ecke bogen, entdeckte Harry etwas. Etwas, das nicht in den sonst so funktionalen, nüchternen Schlossflur passte: Eine unscheinbare Holztür, die von Spinnweben und Staub bedeckt war und in der Ecke des Flurs verborgen lag. Sie war so alt, dass Harry beinahe dachte, sie sei gar nicht mehr zu öffnen, aber die neugierige Instinkt von Draco schien die gleiche Entscheidung zu treffen, als er sich der Tür näherte.
„Was denkst du?" fragte Draco mit einem schiefen Lächeln. „Eine Falle?"
„Ich hoffe nicht.", sagte Harry, drückte die Tür jedoch vorsichtig auf. Mit einem leisen Knarren öffnete sie sich, und sie traten in einen kleinen Raum, der sofort von einem warmen, goldenen Licht durchflutet wurde.
„Oh wow.", flüsterte Harry, als er die Szenerie betrachtete. Der Raum war kleiner als er erwartet hatte, doch er war bezaubernd. In der Mitte des Zimmers brannte ein großer Kamin, dessen Flammen die Wände in ein sanftes Licht tauchten. Der Raum war behaglich, fast heimelig, und er war voll mit weichen, plüschigen Kissen, die auf dem Boden und auf kleinen Sofas verstreut lagen. Ein bequemer Teppich bedeckte den Boden, und es gab überall Decken in allen Farben, die einladend und warm aussahen. Der Duft von Holz und einem Hauch von Zimt lag in der Luft, als ob hier in der Nähe gerade etwas Gebackenes auf dem Feuer brutzelte.
„Das... das ist ja mal ein Überraschungserfolg.", sagte Draco und ließ sich mit einem tiefen Seufzer auf einem der Kissen nieder, das vor dem Kamin lag. „Ich hätte nie gedacht, dass wir hier etwas finden würden, das so... gemütlich ist."
Harry schüttelte den Kopf und trat vorsichtig weiter in den Raum. „Ich habe diese Ecke in Hogwarts noch nie gesehen. Wie ist es möglich, dass so ein Ort verborgen bleibt?"
„Magie, Potter. Magie, die die meisten Schüler nicht einmal bemerken. Aber das ist nicht wirklich der Punkt. Der Punkt ist, dass wir hier wahrscheinlich einen Ort gefunden haben, an dem wir uns entspannen können, ohne Angst vor Spionen oder ärgerlichen Lehrern haben zu müssen.", Draco zog einen der Kissen näher und kuschelte sich in die weiche Polsterung.
„Ich glaube, das ist die beste Idee des Tages.", stimmte Harry zu, als er sich ebenfalls in einem der Kissen niederließ und die Wärme des Kamins genoss. Die Kälte, die sie vorher empfunden hatten, schien nun weit entfernt.
„Ich frage mich, wer diesen Raum eigentlich nutzt.", murmelte Draco nachdenklich, während er das flackernde Feuer beobachtete. „Ich wette, er ist nicht für Schüler gedacht."
„Vielleicht für die Lehrer? Vielleicht hat er einfach für uns alle ein bisschen zu viel magische Aufmerksamkeit erregt, als dass er weiterhin ein Geheimtipp bleibt.", Harry grinste und ließ sich tiefer in das Kissen sinken.
„Ja, ja.", erwiderte Draco mit einem amüsierten Lächeln, „wir werden schon sehen, wie lange es dauert, bis der Hausmeister uns hier rausschmeißt."
„Ich glaube, der Hausmeister weiß gar nicht, dass dieser Raum existiert.", sagte Harry und zog die Beine an, um es sich bequemer zu machen. „Vielleicht müssen wir ihm das nicht unbedingt erzählen."
Für eine Weile saßen sie einfach nur da, die Flammen des Kamins flackerten leise und warm. Der Raum war von einer friedlichen Stille durchzogen, und die Geräusche des Schlosses, die in den weit entfernten Gängen widerhallten, drangen nur schwach zu ihnen. In dieser Behaglichkeit schien die Zeit stillzustehen, und Harry konnte nicht anders, als sich zu fragen, wie lange es schon her war, dass er das letzte Mal in einem Raum wie diesem entspannt hatte.
„Es ist fast... als könnte man hier all die Probleme des Schlosses vergessen.", sagte Harry nach einer Weile und betrachtete das flackernde Feuer.
„Ja, aber wer sagt, dass man das tun sollte?" Draco warf ihm einen Seitenblick zu. „Vielleicht haben wir hier nur die Möglichkeit, uns eine kleine Pause zu gönnen. Wer weiß, was morgen passiert."
„Du bist ein echter Pessimist, Malfoy.", lachte Harry.
„Ich nenne es Realismus.", erwiderte Draco scharf. Doch als er Harrys Blick sah, verlor er seine Ernsthaftigkeit und schüttelte mit einem Lächeln den Kopf. „Vielleicht hast du ja recht. Manchmal ist es nicht schlecht, einfach mal eine Auszeit zu nehmen."
„Stimmt.", sagte Harry und streckte sich, während er sich in die Kissen zurücklehnte. „Es tut gut, einfach mal nichts zu tun und zu reden. Keine Aufgaben, keine magischen Rätsel. Einfach nur wir und dieser Raum."
„Es fühlt sich fast an, als könnten wir hier in Ruhe sein... als wären wir einfach zwei Schüler, die den Winter hinter sich lassen wollen.", sagte Draco nachdenklich, seine Stimme etwas leiser.
„Wirklich? Und was ist mit der Rivalität?" fragte Harry mit einem schiefen Lächeln.
„Ach, die Rivalität.", murmelte Draco und zuckte mit den Schultern. „Vielleicht ist sie ja gar nicht so wichtig, wie ich immer dachte."
Harry sah ihn an und bemerkte, dass es eine unerwartete Ernsthaftigkeit in Dracos Worten gab. Zum ersten Mal konnte er sich vorstellen, dass Draco mehr war als sein Rivale. Vielleicht war er auch ein wenig wie er selbst, auf eine Weise, die schwer zu erklären war.
„Vielleicht hast du recht.", sagte Harry nachdenklich und grinste dann. „Vielleicht ist es ja auch gar nicht so schlimm, hier mit dir zu sitzen."
„Wahrscheinlich nicht.", antwortete Draco und lehnte sich zurück, während das Feuer weiter vor sich hin prasselte und die Kissen um sie herum einladend weich waren. „Vielleicht ist es sogar besser, als ich erwartet habe."
Und so saßen sie dort, in dieser unerwartet gemütlichen Ecke von Hogwarts, während die Welt draußen in Schnee und Dunkelheit versank, und für einen Moment schien die Zeit stillzustehen.
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