Kapitel 21 ✔️


Unfähig mich zu bewegen, wachte ich auf. Kein Wunder, ich lag halb auf Takoda drauf und der dickköpfige Lakota hatte beide Arme fest um meinen Körper geschlungen. Na super.

Positiv anzumerken war, dass er mich nicht heimlich entkleidet hatte und dass ich zum ersten Mal seit dem Rez wieder erholsam geschlafen hatte. Ich hob meinen Kopf ein wenig an und starrte auf den Wecker. Wir hatten noch zwanzig Minuten, bis es klingeln würde. Entweder blieb ich bis dahin entspannt liegen oder weckte ihn auf. Klüger wäre sicher Zweiteres, doch mein Körper entschied sich für Ersteres. Also legte ich meinen Kopf zurück auf Takodas Schulter. Tief sog ich seinen himmlischen Geruch ein. So vertraut. So beruhigend. Etwas später klingelte der Wecker. Schlaftrunken hob ich meinen Kopf. Zwei bekannte dunkle Augen schauten mich ebenso verschlafen an.

„Guten Morgen Kratzbürste."

Scheiße, seine raue, tiefe Stimme klang wieder unwiderstehlich sexy. Fasziniert sah ich ihn an. Aufstehen konnte ich eh vergessen, weil seine Arme mich nach wie vor umschlangen wie eine Würgeschlange ihre Beute. Dabei war ich doch keine Maus zum Vernaschen. Obwohl, Takodas Blick zufolge, hielt er mich eindeutig für einen geeigneten Fang.

„Habt ihr jetzt endlich miteinander geredet?" Jake platzte ins Zimmer, hielt aber schnell inne und grinste zufrieden, als er mich in den Armen seines Bruders vorfand. „So gefällt mir das schon besser mit euch beiden." Für den Kommentar zeigte ich ihm meinen schönsten Finger, doch er lachte nur. „Kommt ihr mit in die Schule oder wollt ihr lieber den Tag im Bett verbringen?"

„Schule."

„Bett."

War ja klar, dass der Typ unter mir Bett sagen würde. Ich warf ihm einen strafenden Blick zu und er seufzte theatralisch.

„In fünf Minuten stehen wir auf", sagte ich streng.

Jake grinste breit, als er das Zimmer verließ. Kaum schloss er dir Tür, kuschelte ich mich wieder komplett an meinen Lakota. So viel zum Thema, ihm aus dem Weg zu gehen.

„Bist du dir sicher, dass du zurück nach Deutschland willst?"

„Ja, bin ich." Die Arme um meinen Körper umklammerten mich noch fester, drückten mir die Luft ab. Takodas Brust hob und senkte sich stark, dann ließ er mich los.

„Ich werde deine Entscheidung akzeptieren. Auch wenn es mir schwerfällt. Aber ich will nicht jeden Tag aufs Neue gegen dich kämpfen müssen." In seinen Augen schimmerte es verdächtig. Ich küsste ihn sanft auf die Stirn. Sein Schmerz war auch meiner. Das fühlte ich nur zu genau. Denn der Kloß im Hals wurde immer dicker. Schnürte mir die Kehle zu. „In der Schule werde ich dir mehr Freiraum geben, aber bitte akzeptiere meine Nähe, wenn wir allein sind." Flehend sah er mich an. Da ich meiner Stimme nicht vertraute, nickte ich nur. In den nächsten Minuten genossen wir zusammen die Stille. Bis Jake wieder ins Zimmer platzte, um uns aufzuscheuchen.

„Eure fünf Minuten sind mittlerweile eine halbe Stunde. Wenn ihr so weitermacht, könnt ihr wirklich gleich im Bett bleiben."

„Gute Idee", brummte der Typ unter mir.

„Na los, wir sollten echt mal aufstehen." Ich biss ihn ins Ohrläppchen und er schob mich grummelnd von sich.

„Nicht nur kratzbürstig, sondern auch noch bissig." Er ließ mich endlich los und ich flitzte in mein Zimmer, um mir saubere Sachen zu holen. Dann sprang ich unter die Dusche. Während ich mir gerade die Haare wusch, gesellte sich Takoda zu mir.

„Mach mal Platz. So sparen wir Zeit."

„Aber nur, wenn du deine Hände bei dir behältst", warf ich ihm zu.

„Du bringst mich da grad auf eine Idee", brummte er an meinem Ohr. Gleich darauf quietschte ich wie ein Meerschweinchen los, weil er mir in den Hintern kniff.

„Lass das." Ich schlug seine Hand weg, doch er lachte nur dunkel.

Irgendwie schafften wir es, rechtzeitig in der Schule anzukommen. Vermutlich nur, weil Jake unsere Taschen gepackt und für uns Frühstück für unterwegs vorbereitet hatte. Beim Schulgebäude angekommen trennten sich wie zuvor besprochen unsere Wege. Leise summend lief ich zu meinem Spind, als mir wie aus dem Nichts etwas Nasses und Kaltes am Rücken entlanglief. Das nervtötende Kichern zweier Cheerleader erklang. Genervt wandte ich mich den Störenfrieden zu. Brittany und Tiffany.

„Hoppla, da ist mir wohl leider meine Cola aus der Hand gerutscht. Tut mir leid Nerdie." Gespielte Sympathie spiegelte sich auf Brittanys Gesicht ab. Tiffany dagegen hielt sich eine Hand vor Mund, um nicht laut loszulachen. Der Beweis, dass es pure Absicht war. Innerlich kochte ich, doch nach außen bewahrte ich Ruhe.

„Kann ja mal passieren", erwiderte ich lahm und mit einem Achselzucken. Dann drehte ich mich zu meinem Spind. Nachdenklich starrte ich hinein. Die Zicken waren längst verschwunden, als mir ein Sweatshirt gereicht wurde.

„Soll ich denen mal die Meinung sagen?" Takodas Kiefermuskeln spannten sich. Ihm war ebenso bewusst wie mir, dass es kein Versehen der Cheerleader war.

„Lass gut sein. Das regele ich heute Mittag selbst. Frage mich nur, was das jetzt so plötzlich sollte."

„Vermutlich, weil du uns gestern aus dem Weg gegangen bist und sie dich jetzt als perfektes Opfer ansehen." Seine Stimme mutierte zu einem Knurren. Ich runzelte die Stirn. Seine Worte ergaben Sinn.

„Gut möglich. Ich sollte mir mal etwas Trockenes anziehen." Mit dem Kleidungsstück verschwand ich auf der Mädchentoilette. Mein nasses klebriges Shirt zog ich aus. Dann kuschelte ich mich in Takodas Sweatshirt und roch daran. Gestört grinste ich. Hatten die Biester mir unbewusst einen Gefallen getan. Mit etwas Verspätung kam ich zur ersten Stunde. Bevor ich mich dafür entschuldigen konnte, winkte unsere Lehrerin schon ab. Max hatte ihr bereits Bescheid gesagt, dass ich unfreiwillig mit Cola geduscht hatte. Da der Platz neben Max frei war, setzte ich mich zu ihm.

Ich kritzelte etwas auf einen Zettel, schob diesen zu ihm rüber und wartete ab. Er schaute mich fragend an, nickte dann aber nur.

Bis zur Mittagspause verlief der Unterricht und die Pausen ohne Probleme. Ich hoffte, dass mein Plan funktionieren würde. Den ersten Punkt hakte ich ab, denn was ich brauchte, hatte ich in der Zwischenzeit auf dem Smartphone gesucht. Nummer zwei erledigte sich ebenfalls. Max reichte mir am Eingang zur Schulcafeteria seinen tragbaren Bluetoothspeaker. Zufrieden grinsend betrat ich den Saal. Die Cheerleader saßen bereits einträchtig an ihrem Tisch und ich wanderte gemächlich auf sie zu, während ich den Speaker mit meinem Smartphone koppelte. An ihrem Platz angekommen lächelte ich freundlich. Nebenher platzierte ich den Lautsprecher auf der Tischecke und drückte auf meinem Smartphonebildschirm auf Start. Allerdings erst, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass die höchste Lautstärke eingestellt war. Direkt dröhnte das Eurodance-Lied einer dänischen Gruppe durch den Saal.

I'm a Barbie girl in a Barbie world

Life in plastic, it's fantastic

You can brush my hair, undress me everywhere

Imagination, life is your creation.

Steffi verschluckte sich an ihrem Sandwich und prustete los. Auch Ashley begann, wie eine Irre zu kichern, während die anderen Cheerleader mich nur wie dumme Schafe anglotzten. Und ich? Ich stand seelenruhig mit einem breiten Grinsen und verschränkten Armen vor ihnen. Provokativ zog ich dazu eine Augenbraue hoch.

An vereinzelten Stellen in der Kantine erklang Gekicher.

I'm a blond bimbo girl in a fantasy world

Dress me up, make it tight, I'm your dolly

You're my doll, rock'n'roll, feel the glamour in pink

Kiss me here, touch me there, hanky panky

You can touch

You can play

If you say "I'm always yours"

Nach dieser Textstelle brüllten die glorreichen Sieben vor Lachen los und der Rest der Schüler stimmte mit ein. Brittany lief dagegen puterrot an. Ich schnappte mir ihre Cola. Seelenruhig kippte ich ihr das kalte Getränk in den Ausschnitt.

„Hoffe die kleine Abkühlung tut dir gut. Deine Gesichtsfarbe sah nicht mehr gesund aus." Mit den Worten schnappte ich mir den Speaker und lief hüftschwingend zum Tisch der Nerds. Dort drehte ich mich um und betrachtete die Cheerleader, wie sie mucksmäuschenstill an ihrem Platz saßen. Wusste gar nicht, dass die in der Lage waren, so lange ihre Schmollmündchen zu halten. „Ach Brittany, bevor ich es vergesse. Leg dich nicht mit einem Nerd an, denn da kannst du mit deinem Erbsenhirn nicht mithalten." Zufrieden setzte ich mich zu Jenny und biss von meinem Brot ab. Das Gelächter der anderen Schüler hielt noch eine Weile an, so dass die Cheerleader schließlich bedröppelt die Cafeteria verließen. Spiel – Satz – Sieg.

Zum Ende der Pause holte Max seinen Bluetoothspeaker bei mir ab.

„Übrigens, Samstag Party bei mir und ihr taucht gefälligst alle auf." Dann verschwand er mit den Jungs zum Unterricht. Meine Nerds schauten mich verwundert an, doch ich grinste nur.

Den Rest des Schultages verbrachte ich damit, für Max weitere Spaßlieder wie Barbie Girl von Aqua herauszusuchen. Die Jungs wollten mal was Altes für die Party. Dank meiner Tante kannte ich viele Songs aus den Neunzigern und aus den ersten Jahren des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Sie war früher im Gegensatz zu meiner Mum ein richtiges Partygirl. Laut ihren Aussagen war die beste Disco ihrer Meinung nach eine Großraumdisco zwischen Hamburg und Bremen, die Meyers Tanzpalast hieß. Damals waren dort wohl auch oft niederländische Berufssoldaten, wegen denen sie extra jedes Wochenende dorthin fuhr, statt in Hamburg Party zu machen.

Auf jeden Fall hatte sie mich von klein an musiktechnisch versaut, sehr zum Leidwesen meiner Mutter. Bald hatte ich eine ganze Playlist zusammen. Mit weiteren Liedern von Aqua, aber auch von Toy-Box, Vengaboys, Cartoons von Witch Doctor, Basshunter, den Happyhardcore Sachen von Charly Lownoise & Mental Theo und Scooter durfte natürlich auch nicht fehlen. Ebenso wie Jan Wayne, Cascada, Groove Coverage, Starsplash und Special D. Dann noch etwas spätere Sachen wie Italobrothers und Manian.

Als ich mit meiner Ausbeute zufrieden war, schickte ich Max die Liste. Selber Schuld, wenn er mir die Musikauswahl überließ. Grinsend verließ ich den Klassenraum, nachdem die letzte Schulstunde endlich vorbei war. Auf dem Gang legte sich sofort ein Arm um meine Taille.

„Damit du nicht wieder abhaust", knurrte Jake in mein Ohr.

„Als ob ich das machen würde", flötete ich unschuldig. „Liegt heute eigentlich noch etwas an?"

„Ja, wie wäre es, wenn du mal wieder die leckeren Apfelmuffins backst?" Er führte mich zielstrebig Richtung Ausgang.

„Wie wäre es, wenn ich es dir und Takoda beibringe, damit ihr die später auch selber backen könnt?" Provokativ schaute ich Jake an. Er seufzte nur leise und gab sich geschlagen.

„Na meinetwegen."

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