Kapitel 2 ✔️
„Ihr habt also schon die glorreichen Sieben kennengelernt. Sagt, ist Takoda nicht ein Traum von einem Mann?" Ashley stieß Steffi breit grinsend mit dem Ellbogen in die Seite. Diese knurrte verbissen, legte die Modezeitschrift, die sie zuvor aufmerksam gelesen hatte, weg.
„Du meinst diesen aufgeblasenen Möchtegern-Krieger? Der kann uns gestohlen bleiben, nicht wahr Anna?" Ich nickte brav zustimmend, obwohl mein Herz aus dem Takt stolperte. Aber das zuzugeben, bedeutete Ärger. Dafür kannte ich Steffi und ihre derzeitige Laune zu genau.
„Oh Mann, ihr habt ihn doch nicht verärgert? Was ist passiert? Bitte sagt mir, dass ihr ihn nicht verärgert habt." Entsetzen breitete sich auf Ashleys grell geschminktem Gesicht aus. Trotz der Farbe schimmerte eine fast schon kränkliche Blässe durch. Nervös spielte sie mit einer Strähne ihrer platinblondgefärbten Haare, nagte dabei an ihrer Unterlippe. Jetzt hatte sie sicher Lippenstift an den Zähnen, überlegte ich stirnrunzelnd.
„Na wenn schon. Der braucht sich gar nicht so aufzuspielen. Ein paar Manieren täten ihm gut." Meine Freundin schnaubte entrüstet. „Für wen hält er sich eigentlich?"
„Für jemandem, der auf unserer High-School hoch angesehen ist und verdammt viel zu sagen hat. Die glorreichen Sieben sind grandiose Sportler. Alle Jungs wollen so sein wie sie. Außerdem werden sie von allen Mädchen angehimmelt. Ihr habt doch selbst gesehen, wie klasse sie alle aussehen." Ihre graublauen Augen nahmen einen verträumten Ausdruck an, der Mund zu einem Lächeln geformt. Doch schnell sackten ihre Mundwinkel ab und schaute sie uns eindringlich an. „Bringt es gefälligst in Ordnung. Entschuldigt euch bei Takoda. Er kann euch das Leben auf der Schule zur Hölle machen. Sein Wort ist Befehl. Und ich verspüre nicht den geringsten Wunsch euretwegen zwischen die Fronten zu gelangen."
„Wie bitte? Er hat gefälligst uns um Vergebung zu bitten. Außerdem haben wir keine Angst vor ihm. Wir werden uns bestimmt nicht von diesem aufgeblasenen Wicht einschüchtern lassen", empörte sich Steffi. Ihr Gesicht verfärbte sich zum gefühlten zehnten Mal an diesem Tag vor Wut zu einem Rot, mit dem sie locker einer Tomate die Schau stahl. Ich hielt mich raus. Das würde sowas von schiefgehen, unkte mein Bauchgefühl. Meine beste Freundin würde sich nie im Leben beim Chief entschuldigen. Meine Mundwinkel zuckten. Komisch, dass ich die Bezeichnung so schnell übernahm. Sie passte zu ihm. Ich blendete das weitere Gespräch aus und holte mir sein Bild vor Augen. Seidig lange schwarze Haare, dunkle Iriden, eine warme tiefe Stimme, bei der ich dahinschmolz wie ein Eis in der Mittagssonne im Hochsommer.
„Sag mal Anna, träumst du schon wieder?" Steffi zerstörte wie ein Hagelsturm meine Träumerei. Dennoch lächelte ich sie an.
„Kennst mich doch. Tagträume sind meine Spezialität." Dann wurde ich ernst. Etwas hatte sich verändert. Suchend sah ich mich um. „Wo ist denn Ashley hin?"
„Mann, du hast aber echt tief geträumt, wenn du das nicht mitgekriegt hast", spottete sie kichernd. „Sie bekam eine Nachricht, murmelte etwas von einer Krisensitzung bei den Cheerleadern und war weg. Aber sag mal, was hältst du von der Sache mit den Typen."
„Wie auch immer du entscheidest, ich halte voll und ganz zu dir." Unsere Freundschaft ging vor jegliche unsinnige Schwärmerei. Dank ihr war ich in den vergangenen Jahren nicht mehr ausgegrenzt worden, weil sie für mich mit einer Fahrradkette auf meine Peiniger losgegangen war. „Wir sollten allerdings vorsichtig sein. Jake ist für meinen Geschmack zu freundlich zu mir und ich habe das Gefühl, dass Takoda aus Rache unsere Freundschaft zerstören will. Die hecken was aus."
„Ja, das Gefühl hatte ich auch schon. War mir gleich komisch vorgekommen, dass er deine Nähe gesucht hat. Nichts für ungut Süße." Sie zuckte mit den Schultern. Ich verzog das Gesicht zu einem Grinsen, das schmerzte.
„Jaja, die kleine graue Maus gehört halt nicht zu seiner bevorzugten Beute. War mir schon klar." Meine eigenen Worte versetzten mir einen Stich ins Herz. Wieso sich Chancen ausmalen, die nicht existierten? Ich atmete tief durch, linste zu Steffi, die sich ans Kinn tippte.
„Naja, zumindest hat Ashley angedeutet, dass alle Mädels, mit denen er mal kurz was hatte, alle blond gewesen sind."
„Von welchem der Brüder redest du gerade? Nicht dass wir aneinander vorbeireden." Ich zog die Nase kraus.
„Von dem Möchtegern-Krieger natürlich. Jake soll ganz okay sein." Steffi zuckte abermals mit den Schultern. „Takoda scheint ein übler Frauenheld zu sein, aber die Mädchen fahren wohl trotzdem auf ihn ab."
„So ganz abgeneigt schienst du ihm gegenüber auch nicht zu sein", warf ich ein, ihren wackelnden Hintern und die kokett über die Schulter geworfenen Locken vor meinem inneren Auge.
„Das war aber, bevor er mich angegrabscht hat." Sie starrte nachdenklich auf ihre perfekt manikürten Fingernägel und ich schaute auf meine unlackierten kurzen Nägel. Ihr seid grundverschieden, das geht auf Dauer nicht gut. Erschrocken fuhr ich zusammen. Wieso spukte mir der Satz jetzt durch den Kopf? Ließ ich mich etwa so leicht beeinflussen? Nur weil ich Takoda anziehend fand? Schnell schob ich den Gedanken beiseite und fragte Steffi, ob sie bereits einen Plan hatte.
„Wir werden den Spieß mal umdrehen. Ich werde dafür sorgen, dass ich ins Cheerleader-Team komme. Dort sind alle gutaussehenden Mädchen der Schule. Außerdem werde ich weiterhin mit Luke flirten." Sie warf elegant ihre Locken nach hinten. „Und du meine Liebe, wirst entgegen deiner Gewohnheit schön brav mit Jake flirten."
„Das ist jetzt nicht dein Ernst", stöhnte ich auf. Ja, er war gutaussehend und schien freundlich zu sein, aber ich war nicht an ihm interessiert. Ich starrte meine Freundin mit weit aufgerissenen Augen an. Dies war nur ein Scherz, redete ich mir ein. Ich hatte doch kaum Erfahrung mit Jungs. Andererseits war es eine Möglichkeit, sich ungestraft in unmittelbarer Nähe des Chiefs aufzuhalten.
„Oh doch Süße. Mal schauen, ob wir die Brüder auseinanderkriegen können. Oder am besten gleich die ganzen glorreichen Sieben. Dann steht der Häuptling ohne seine Krieger da. Würde ihm ganz guttun." Ich unterdrückte den Impuls, vehement den Kopf zu schütteln. Intrigen passten nicht zu mir, doch schienen sie notwendig zu sein, meine Freundin nicht zu enttäuschen. Verflixte Zwickmühle.
Meine Gedanken schweiften ab, als Steffi zu einem langen Vortrag über erfolgreiches Flirten ansetzte und mir haargenau bis ins kleinste Detail erklärte, wie sie Luke um den Finger wickeln und manipulieren würde. Sie hatte gerade mit einem selbstzufriedenen Grinsen ihre Erläuterungen beendet, als Ashley atemlos ins Zimmer hechtete.
„Sag mal Steffi. Du willst doch bestimmt in unser Team kommen, oder?" Kein Wort über die Diskussion von vorhin? Meine rechte Augenbraue schoss in die Höhe.
„Aber sicher, ich war schon immer sportlich und kann mir Choreografien gut merken", flötete die Angesprochene direkt. In ihren Augen blitzte es zufrieden auf, wähnte sie sich doch am Ziel ihrer Wünsche.
„Das hört sich gut an. Wir könnten nämlich Verstärkung gebrauchen und du würdest perfekt ins Team passen. Allerdings," Ihr Blick fiel auf mich, „Anna passt nicht rein. Tut mir leid."
„Keine Angst, ich hatte eh nicht vor bei euch mitzumachen. Tänze und so, das ist nicht mein Ding." Ich schmunzelte. Diese Abweisung gefiel mir ausnahmsweise. So brauchte ich mir wenigstens nicht Arme und Beine bei diesen seltsamen Choreografien zu verbiegen. Dabei würde ich eh nur über meine eigenen Füße stolpern.
„Was ist eigentlich dein Ding? Du bist doch nicht etwa ein Nerd?" Sie schaute mich stirnrunzelnd an.
„Ich mag gern Bücher und spiele seit Jahren am Computer ein auf Verbrechen ausgerichtetes MMORPG." Ihr verwirrter Blick ließ mich breit grinsen und selbst Steffi fing an zu kichern.
„MMO-was?" Ashley hatte keine Ahnung, wovon ich sprach, was mich bei ihrem Aussehen nicht wunderte. Meiner besten Freundin hatte ich ebenso über das Hobby aufgeklärt. War aller Wahrscheinlichkeit nach doch etwas dran, dass meist nur Nerds und nicht die hübschesten Menschen stundenlang am Computer saßen.
„Massively Multiplayer Online Role-Playing Game", erklärte ich ihr. „Aber keine Angst, ich mag auch normale Dinge wie Reiten und Joggen, allerdings dann lange Strecken. Nicht irgendwas mit Sprints oder Hürden."
„Ach so, ja. Es gibt an unserer Schule ein Leichtathletik-Team. Vielleicht ist das etwas für dich." Sie wirkte zu erleichtert, daher beschloss ich, sie etwas mehr zu ärgern. Ihre Haltung war mir zu oberflächlich.
„Mal schauen, vielleicht verkrieche ich mich auch einfach in der Bibliothek, wenn es dort schön ruhig ist." Die Blondine riss die Augen weit auf. Nur mit Mühe unterdrückte ich ein Kichern und entschied mich dazu, sie zu erlösen. „Oder ich feuere euch beim Training an." Ich zwinkerte vergnügt. Ashley und Steffi fingen an zu lachen.
„Du bist wohl auch eine kleine Schauspielerin", meinte unsere Gastgeberin. „Es gibt auch eine Theatergruppe." Ich rollte in Gedanken die Augen. Klar, vor einem Publikum zu stehen, wünschte ich mir sehnlichst.
„Lass uns doch erst einmal richtig ankommen. Für alles andere haben wir genug Zeit." Ich stimmte oberflächlich in das Gelächter mit ein, um mein Missfallen zu vertuschen. Dennoch half mir das Lachen. Die Anspannungen von der Reise und den Erlebnissen in Jack und Takodas Garten flossen gemächlich von mir ab.
„Apropos Zeit." Steffi gähnte. „Wann müssen wir morgen aufstehen? Ich hoffe, nicht zu früh." Sie rieb sich die Augen, unter denen dunkle Flecken prangten.
„Morgen können wir ausschlafen, in Ruhe frühstücken und dann zeige ich euch die Stadt. Wir können mit meinem Auto fahren, dann brauchen wir nicht zu laufen", teilte Ashley uns gutgelaunt mit.
„Wie, du kannst schon selber fahren? Du bist doch wie wir erst siebzehn." Meine Freundin runzelte die Stirn.
„Hier in South Dakota dürfen wir mit sechzehn schon den Führerschein machen. Allerdings dürfen wir erst mit einundzwanzig Alkohol kaufen." Ashley seufzte. „Aber die glorreichen Sieben kommen immer an die Getränke. Keine Ahnung wie sie das hinbekommen. Ihre Partys sind legendär. Das werdet ihr noch sehen."
„Du meinst also, dass die uns nach dem Vorfall von heute trotzdem einladen werden? Vorhin hast du dich noch anders angehört." Ich war skeptisch. Für meinen Geschmack änderte sie zu schnell ihre Meinung. Andererseits waren Amerikaner womöglich optimistischer eingestellt.
„Natürlich. Deswegen nehmen wir Steffi ja in unser Team auf. Dann können die Jungs gar nicht nein sagen. Immerhin werden wir auf jede Party von ihnen eingeladen. So fantastisch wie wir aussehen auch kein Wunder." Ihr Blick fiel auf mich. „Und dich nehmen wir dann einfach so mit."
Wow, das klang wahrlich ermutigend. Das hässliche Entlein war angewiesen auf die Hilfe der schillernden Paradiesvögel. So langsam fragte ich mich, ob zu Hause in Deutschland zu bleiben, nicht die bessere Alternative gewesen wäre. Mein Magen grummelte, doch nicht vor Hunger. Ein flaues Gefühl breitete sich von dort zu meiner Brust aus. Vor allem, weil Steffi sich nicht für mich einsetzte. Sie spielte gedankenverloren mit einer ihrer Locken. Ich atmete tief durch. Womöglich war es besser, erst mal in Ruhe darüber schlafen.
„Ihr könnt gerne noch weiter quatschen, aber ich verkrümele mich ins Bett." Ich streckte die Arme hoch über den Kopf und gähnte.
Später lag ich grübelnd in dem Raum, der für ein Jahr mein Zimmer sein würde. Momentan sah er mit seinen weißen Wänden und freien Regalen unpersönlich, kalt und leer aus. Aber das würde sich bald ändern. So wie ich mich kannte, würde einer der ersten Einkaufstrips in einem Buchladen enden. Bei Steffi tippte ich eher auf einen Klamottenladen und grinste breit. Gegensätze zogen sich doch an. Nimm das Takoda. Mist, was hatte ich nur angerichtet? Sofort schweiften meine Gedanken wieder zu ihm. Ich lächelte, als mir abermals eine Szene vom Nachmittag vor Augen kam. Das Shirt, das an seinem durchtrainierten Oberkörper wie eine zweite Haut klebte, als er aus dem Pool kletterte. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Gern hätte ich ihm aus den nassen Klamotten geholfen. Ruckartig setzte ich mich auf, schlug die Hände vor den Mund. Das Blut schoss mir ins Gesicht und ich war froh, dass niemand mich in diesem Augenblick sah. Ausgerechnet ich hatte den Auftrag, mit Jake zu flirten, um die Einheit der zwei Brüder zu zerstören? Steffi hatte doch einen an der Waffel. Das konnte sie sich abschminken. Das würde ich nie im Leben hinbekommen. Kopfschüttelnd verkroch ich mich unter die Decke, schloss die Augen und versuchte, zu schlafen.
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