~ Zugfahrt| Wunde| Salz| Abendessen| Tochter ~

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Als der Wecker klingelte, wollte Karen erst gar nicht aufstehen. Sie gehörte nicht zu den Frühaufstehern. Doch in ihrer Firma mussten die Auszubildenden auch schon um sieben Uhr anfangen. So wie die Angestellten. Bei einer Stunde Zugfahrt plus Fußwege hieß das halb sechs „Raus aus den Federn!". Zum Glück wohnte sie nicht mehr bei den Eltern. Als Tochter von arbeitswütigen Vollzeit-Berufstätigen war sie mit lustigen Sprüchen und Musik beschallt worden, während sie selbst irgendwie im Dämmerschlaf beim Frühstück saß.

Knurrig schlurfte Karen ins Bad, spritzte sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht und vermied den Blick in den schmalen Spiegel des Badezimmerschränkchens. Sie musste sich den Anblick ihres Aufwach-Gesichtes echt nicht antun!

Zum Frühstück gab es eine Banane und einen Becher kalter Milch. Kaffee kochte sie sich nur am Wochenende oder im Urlaub. Urlaub ... Was für ein Wort! Jetzt sehnte sie sich manches Mal nach den Ferien zurück. Besonders den superlangen Sommerferien. Wann würde endlich der Mensch geboren, der Zeitreisen erfand? Sie würde sich sofort anmelden und zurückreisen in die achte Klasse. Da war der Stress noch recht gering gewesen und die Ferien umso entspannter.

Ein Blick zur Uhr: Sie hatte mal wieder getrödelt. Wenn sie ihren Bus noch schaffen wollte, musste sie sich beeilen. Sonst verpasste sie den Anschlusszug und das war dann wirklich übel. Also eilte sie aus der Wohnung, schmetterte die Tür zu, lief die Treppenstufen hinunter und hastete zur Haustür und hinaus in die eiskalte Winterluft. Leider klingelte es nicht warnend in ihrem Kopf. So eilig, wie sie das Treppenhaus runtergesprungen war, machte sie es auch hier draußen ... Zumindest versuchte sie es. Mit geringem Erfolg. Sie kam ins Rutschen - eiskalte Winterluft! - und knallte mit Wucht auf ihren Hintern. Fluchend rappelte sie sich hoch. Klar, es durfte kein Salz mehr gestreut werden, aber hätte der Hausmeister nicht wenigstens eine Ladung Sand verteilen können?

Als sie sich am Geländer hochziehen wollte, stöhnte sie schmerzhaft auf. Na super! Das Geländer war offensichtlich feucht gewesen und ihre Hand wohl auch nicht ganz trocken. Auf jeden Fall spürte sie, wie die Eiseskälte sich durch die Haut biss. Mit einem Ruck löste sie die Handfläche und der nächste scharfe Schmerz durchzuckte sie. Wie nannte man so eine Wunde, wenn die Haut abgerissen und das hellrote Fleisch zu sehen war, es aber nicht blutete?

Klar, sie wusste, sie war allein Schuld an diesen Unglücken. Dennoch wurde es damit nicht besser. Missmutig rappelte sie sich hoch und nahm die letzten Stufen weitaus vorsichtiger. Sie hoffte, dass nicht noch mehr passierte und vielleicht könnte sie später, nach Feierabend, beim Abendessen bereits über das alles lachen.

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