Kapitel 2
Zuhause angekommen sprang ich förmlich aus dem Wagen. Wir wohnten in einem Landhaus, ungefähr eine halbe Stunde von New York entfernt.
Meine Mutter war Geschäftsführerin und mein Vater Arzt, daher konnten wir uns etwas leisten. Leider waren beiden dadurch oft weg. Auf Geschäftsreisen, Weiterbildungen und so weiter. Für mich war das inzwischen normal geworden.
Den Hund hinter mir her ziehend, betrat ich die Eingangshalle. Von dort aus führte eine Treppe in die erste Etage, die ich ganz für mich alleine hatte.
„Wir sind wieder da!“, rief ich fröhlich ins Haus hinein.
Meine Mutter kam aus der Küche und umarmte mich.
„Und hast du was gefunden?“
Ich nickte stolz und zeigte ihr meinen Hund.
„Der sieht ja schon etwas gefährlich aus.“, meinte meine Mutter zweifelnd.
„Sie war nicht von ihm abzubringen, obwohl er einen Maulkorb tragen muss.“, erwiederte mein Vater schmunzelnd.
„Ich geh nach oben!“, rief ich fröhlich und rannte die Treppe hoch.
Der Hund neben mir musste immer zwei Stufen auf einmal nehmen um mitzuhalten, aber er hielt mit. Oben angekommen verschwand ich sofort in meinem Zimmer. Es war nicht sehr groß, dafür aber sehr gemütlich und es hatte einen traumhaften Blick auf den Wald, in dem ich oft spazieren ging.
„Hier wirst du schlafen.“, erklärte ich meinem Hund und zeigte auf das Körbchen neben dem Bett. „Im Bett hat Mama leider nicht erlaubt.“, fügte ich noch hinzu.
Ich knotete die Leine an einem Bettpfosten fest. Danach ging ich zum Fenster hinüber und setzte mich auf das breite Fensterbrett. Ich liebte es hier zu sitzen und in den Wald zu starren, wenn ich nicht gerade im selbigen herumstreifte.
Na großartig, jetzt darf ich hier den Schoßhund spielen.
Erschrocken zuckte ich zusammen. Schon wieder diese Stimme. Was war mit mir los? Wurde ich verrückt?
Wer ist da?, entschloss ich mich vorsichtig in meinen Gedanken zu fragen.
Ich bekam keine Antwort, nur ein Gefühl des Erschreckens, das bestimmt nicht von mir stammte.
Mein Blick glitt über den Wald und anschließend durch mein Zimmer. Beim Hund blieb ich hängen. „Na großartig, jetzt darf ich hier den Schoßhund spielen.“, murmelte ich.
Konnte es sein dass? Nein! Der Hund, der da so friedlich in dem Körbchen lag, konnte nicht gesprochen haben.
Dennoch näherte ich mich ihm vorsichtig und setzte mich neben ihn.
„Kannst du sprechen?“, flüsterte ich und kam mir dabei so blöd vor.
Natürlich kam keine Antwort. Gedankenverloren strich ich dem Hund durch das struppige Fell. Dann hatte ich eine Idee. Einen letzten Versuch würde ich noch wagen.
Wenn ich dir den Maulkorb abnehme, redest du dann mit mir?, fragte ich in Gedanken und stellte mir dabei vor, ich würde es schreien.
Au, nicht so laut, beschwerte sich die Stimme in meinem Kopf. Und ich wäre sehr glücklich darüber, keinen Maulkorb zu tragen ,fügte sie noch hinzu.
Ich bin verrückt geworden, dachte ich, während ich mit meinen Fingern am Maukorb herum nestelte. Jetzt spreche ich schon mit einer Stimme in meinem Kopf.
Na vielen Dank auch, beschwerte sich die Stimme.
Der Hund schüttelte seinen Kopf, als ich den Maulkorb endlich abbekommen hatte.
„Also bist du nun der Hund, Stimme?“, fragte ich und bemerkte wie dumm es klang, wenn man es aussprach. Besser ich dachte sowas nur noch. Das klang wenigstens etwas normaler.
Ja, bin ich.
„Cool“, hauchte ich.
Wie machst du das? Können das alle Tiere und wieso kann ich dich hören?, plapperte ich los.
Nein, das können nicht alle Tiere, sondern nur sogenannte Woodwalker. Woodwalker sind Menschen die eine Tiergestalt besitzen. Ich bin zum Beispiel ein Timberwolf, der Wolf reckte sich stolz, und du kannst mich hören, weil du auch ein Wandler bist.
Völlig verblüfft starrte ich meinen „Hund“ an.
Ich bin ein Wolf?, fragte ich immer noch etwas fassungslos von dem eben Gehörten.
Nicht zwangsläufig. Du kannst jede beliebige Tierart sein. Du bemerkst es, wenn du dich zu einer Tierart hingezogen fühlst und ein Kribbeln verspürst, erklärte der Wolf.
Aha, und wieso war ein Timberwolf wie du im Tierheim? Und wie heißt du eigentlich?
Wird das jetzt hier ´ne Fragestunde?, grummelte der Wolf, antwortete dann allerdings doch noch.
Ich heiße Jeffrey und sagen wir mal, ich habe mich zur falschen Zeit am falschen Ort verwandelt.
Achso, ich kraulte Jeffrey im Nacken.
Wieso habe ich eigentlich noch nie was von Woodwalker gehört?, fragte ich dabei.
Weil sowas super geheim ist, kein normaler Mensch darf etwas davon wissen, verstanden?, fuhr Jeffrey mich an.
„Ist ja schon gut, kein Grund so unfreundlich zu werden.“, murrte ich herum und bemerkte dabei wieder, warum ich dieses Gespräch in Gedanken geführt hatte. Laut mit einem Wolf zu reden klang einfach komisch.
Eine Weile saß ich einfach nur so da, bis sich der Wolf wieder zu Wort meldete.
Ich hoffe dir ist klar, dass ich als Mensch auch eine Familie habe. Außerdem ist Montag Schule, erinnerte er mich.
Hast du deswegen am Tierheim nach einem Theo geschrien?
Das hast du auch schon gehört?, fragte mich Jeffrey erschrocken.
Dabei hob er seinen Kopf und fixierte mich mit seinen gelben Augen. Ich nickte nur.
Theo ist der Hausmeister meiner Schule, auf die Woodwalker gehen, sein Auto fuhr gerade vor, als wir losfuhren, erklärte mir Jeffrey.
„Cool, glaubst du, ich könnte auch auf die Schule gehen?“, fragte ich Jeffrey.
Der Wolf nickte, was echt lustig aussah.
Klaro
Dann kam mir ein Gedanke, genau, das war die Lösung.
Was ist die Lösung?, fragte Jeffrey neugierig.
Liest du etwa meine Gedanken?, fragte ich ihn empört, Jetzt erzähle ich es dir erst nach dem Essen.
Das ist gemein, winselte der Wolf in genau dem Moment, als meine Mutter von unten: „Komm essen Seba!“, rief.
Jeffrey ließ lachend die Zunge raushängen.
„Ich komme!“, brüllte ich zurück. Dann band ich die Leine los und lief mit Jeffrey die Treppe nach unten.
Im Wohnzimmer angekommen, saßen meine Eltern schon am Esstisch. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, als ich die Brathähnchen roch. Jeffrey ging es offenbar ähnlich, denn er versuchte auf meinen Stuhl zu klettern. Während ich das lustig fand, war meine Mutter nicht so begeistert.
„Bring ihn in die Küche, da steht sein Futternapf.“, meinte sie im säuerlichem Tonfall.
Ich nickte und band Jeffrey drüben fest.
Das ist unfair, maulte Jeffrey, als er vor dem Hundefutter stand.
„Keine Sorge, ich hebe dir ein Stück Fleisch auf.“, versprach ich ihm, bevor ich an den Esstisch zurückkehrte.
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