|6| Hochzeit Nr. I - Beginn
Als wir an der Kirche ankommen, wird mein Blick direkt von der großen dunklen Gestalt angezogen, die auf dem Platz davor steht und zur Turmspitze hinaufschaut. Ein aufgeregtes Kribbeln geht durch mich und ich kann nicht anders, als leicht zu lächeln. Das wird definitiv kein langweiliger Tag.
Conner, der mir einen neugierigen Blick zugeworfen hat, bevor er meinem folgt, wippt mit den Augenbrauen. „Ist er das?", fragt er und lässt seinen Blick über den Rücken meiner Begleitung wandern. Ich nicke und streiche über mein Kleid, spüre, wie meine Aufregung zunimmt.
Der Bräutigam grinst und gibt mir einen Kuss auf die Schläfe. „Dann sag mal hallo, ich gehe derweil schonmal nach Ben schauen. Wie ich ihn kenne, ist er ein nervliches Wrack." Ich lache auf und nicke. „Du hast dich dafür wirklich sehr gut gehalten." Conner streicht sich übertrieben selbstgefällig das Haar zurück. „Ja, ich bin eben die Ruhe selbst. Und nun hopp, ich will, dass ihr schnell nachkommt und du ihn mir vorstellst."
Er zwinkert mir zu und verlässt mich. Mein Blick gleitet zu Luzifer, der weiterhin die Kirche im Blick hat und ich muss schmunzeln. Habe ich ihm eventuell suggeriert, es würde eine kirchliche Trauung werden, um zu sehen, wie er reagiert? Vielleicht. Nun trete ich leise von hinten an ihn heran. „Keine Angst, wir müssen da nicht rein", wispere ich.
Mit einem amüsierten Grinsen auf den Lippen dreht sich mein dämonischer Begleiter zu mir um und ergreift meine Hand. „Nicht?", fragt er und ich schwöre, er wirkt erleichtert, auch wenn er es gut zu verbergen weiß. Ich schnaube undamenhaft. „Die Pfaffen würden kaum zwei Männer miteinander vermählen", sage ich abfällig und Luzifers Grinsen wird breiter.
„Wie erfrischend die Meinung einer Atheistin doch sein kann...auch, wenn ich eine Emotionalität hinaushöre, die nicht ganz dazu passt, dass du nicht an einen Gott glaubst. Aber ganz davon ab", er neigt den Kopf und haucht einen Kuss auf meine Finger. „Du siehst wunderschön aus, Sarah. Oder soll ich Lou sagen?"
Hitze steigt in mir auf und meine Atmung wird ein wenig zittriger, doch schaffe ich es, den Kopf zu schütteln und zu lächeln. „Nein, Sarah ist vollkommen okay." Und wie okay es ist, meinen Namen mit deiner Stimme zu hören, denke ich und entziehe ihm langsam meine Hand. „Du siehst auch sehr gut aus", erwidere ich nun und erfreue mich der Festigkeit meiner eigenen.
Luzifer deutet eine Verbeugung an und reicht mir seinen Arm. „Nun, ich will dir ja keine Schande machen, Meisterin...", setzt er mit einem Raunen hinzu, welches ziemlich anzüglich klingt und seine Wirkung auf mich definitiv nicht verfehlt. Oh, Himmel – oder eher Hölle – wie soll ich den Tag durchstehen, wenn er schon so losgeht?
Doch eigentlich genieße ich diese Art Aufmerksamkeit sehr, auch wenn ich weiß, dass sie gekauft ist. Und ja, das sollte meine Begeisterung schmälern, aber ich kann nichts dagegen tun, dass es das nicht tut. Dazu schafft es Luzifer zu gut, es wie echt wirken zu lassen. Und warum sollte ich es nicht auskosten, einen Mann an meiner Seite zu haben, der mir derart offensiv schmeichelt? Schließlich ist es tatsächlich schon viel zu lange her, dass ich einen Freund hatte...
„Also, Sarah", holt Luzifer mich aus meinen Gedanken und das erheiterte Funkeln in seinen Augen scheint zu sagen, dass er genau weiß, worüber ich gerade nachgedacht habe. Und natürlich fangen nun auch noch meine Wangen an, verräterisch zu glühen. Dennoch sehe ich fragend zu ihm auf, in der Hoffnung, dass er einfach weiterspricht.
„Wo müssen wir denn hin, wenn wir dankenswerterweise nicht das muffige Gotteshaus betreten müssen?" Ich unterdrücke ein Schmunzeln und mache eine Kopfbewegung in Richtung des ehemaligen Pfarrhauses. Nun gehörte es der Gemeinde. Diese hatte es umgebaut und, entgegen der Stimmen aus der Kirche, entschieden, ihre Trauungen dort durchzuführen. Und zwar jegliche Trauungen. Ungeachtet der Geschlechter.
Dieses deutliche Zeichen, sowie andere fortschrittliche Entscheidungen, welche die Gemeinde bereits getroffen hat, haben mich meine Entscheidung, nie aus meiner Heimatstadt wegzuziehen, auch nie bereuen lassen. „Dort hinüber", sage ich und wir gehen langsamen Schrittes zu der kleinen Traube an Menschen, die sich bereits gebildet hat.
„Ich könnte übrigens ohne Weiteres die Kirche betreten", knüpft Luzifer an das eigentlich beendete Gespräch an und ich sehe spöttisch zu ihm auf. „Warum auch nicht? Es ist nur ein Haus für den Glauben einer zugegebenermaßen großen Gruppe von Menschen."
Luzifers Blick geht auf mich hinab und wirkt nachdenklich. „Du bist ja wirklich davon überzeugt, hm?" Ich zucke mit den Achseln und verlangsame meine Schritte noch ein wenig, da ich nicht möchte, dass irgendwer unser Gespräch hört.
„Natürlich kann ich es nicht wissen, aber es kommt mir alles wirklich zu unglaubwürdig vor. Ich meine, die Bibel" Mein Begleiter lässt mich nicht ausreden, sondern unterbricht mich mit einem Schnauben. „Die Bibel, ja... Wenn du den Glauben an Gott, die Engel und den", er sieht aus funkelnden Augen und mit wippenden Brauen zu mir, die Lippen zu einem stolzen Lächeln verzogen, „Teufel nur daran festmachst, kann ich deine Skepsis verstehen."
Ich hebe meine Hand und bleibe stehen, auch wenn seine Stimme und Ausstrahlung mir selbst dieses Thema schmackhaft machen könnten. „Bitte. Ich glaube zumindest schonmal an Dämonen und sowas, okay? Das ist schon eine starke Wendung in meinem Glauben. Und ja, meinetwegen bist du der Luzifer unter den Dämonen und eine, wie sagtest du, immens wichtige Person."
Luzifer grinst breit und neigt seinen Kopf. Wir gehen weiter. „Ich glaube, dass immens kam von dir", murmelt er und ich lache leise. Dann erblicke ich Tori und Luca und mein Herzschlag erhöht sich. Als würde er es spüren, legt Luzifer seine Hand auf meine, die auf seinem Arm liegt, und neigt sich zu mir hinab. „Keine Angst. Wir schaffen das."
Er zwinkert mir zu und ich muss lächeln. Für das, was ich mir immer unter Dämonen vorgestellt hatte, ist er fast zu nett. Nicht, dass ich es anders haben wollen würde...oh, Mann, ich bin nervös.
„Sarah!"
Tori hat mich entdeckt und wendet sich nun mir zu und auch Luca dreht sich um, macht beim Anblick von meiner Begleitung große Augen. Schmunzelnd erkenne ich direkt Misstrauen in ihnen und sehe, wie er sich unwillkürlich reckt, als die beiden zu uns treten.
Tori umarmt mich, blickt dabei aber zu Luzifer auf und der völlige Unglaube in ihren Augen versetzt mir einen leichten Stich. Was hatte sie erwartet? Dass ich es nicht schaffen würde, einen so attraktiven Mann für mich zu gewinnen?
Also...technisch gesehen hast du das auch nicht. Klappe!
Verflucht, das ist nicht hilfreich. Ich räuspere mich und umarme auch Luca, der direkt seinen Arm um meine Schultern gelegt lässt und Luzifer in die Augen schaut. Die beiden sind ungefähr gleich groß, nur ist Luca eher der bullige Typ und Luzifer...ich spüre meinen Körper schmachten, als ich ihn betrachte. Er ist groß, hat breite Schultern, lange Arme und Beine, wirkt aber eher athletisch als wirklich muskelbepackt. Kurz, er ist verflucht heiß!
„...vorstellen?" Ich bemerke, dass Luca mir eine Frage gestellt hat und sehe blinzelnd zu ihm auf. „Entschuldige, was?" Luca wirkt zwar etwas empört, aber auch amüsiert und entlässt mich aus der halben Umarmung.
„Er fragte, ob du uns nicht einander vorstellen möchtest", wirft Tori ein und scheint ganz unruhig zu sein, Luzifer endlich anfassen zu dürfen. Oder bilde ich mir das nur ein? Wahrscheinlich. Himmel, ich sollte wirklich aufpassen, sonst wird aus dem komischen Gefühl in mir noch Eifersucht. Dabei hätte ich da gar nicht das Recht zu.
Auf den ungeduldigen Blick und das wissende Schmunzeln Luzifers hin, beeile ich mich, zu lächeln. Ich stelle mich wieder neben meinen Begleiter und deute auf meine Freunde. „Morgan, das sind Luca und seine Frau Tori. Leute, das ist Morgan. Mein... Begleiter für heute."
Meine Augen huschen kurz zu Luzifer hinauf, der mich mit diesem Blick ansieht, der meine Beine weich werden lässt, sich aber dann an meine Freunde wendet. Er nimmt Toris Hand und führt sie an seine Lippen, ihren Blick mit seinem gefangen haltend, als versuche er, etwas in ihren Augen zu lesen. Musste das sein?
Ich spüre meine Laune sinken, als er ihr einen Kuss auf die schmalen Finger haucht und Tori errötet. „Tori. Kurzform von Victoria, nehme ich an?", fragt er mit diesem Raunen in der Stimme. Oh! Ja! Kommen wir gleich auch mit der Namensbedeutung?
Tori nickt bereits strahlend. „Das ist richtig. Aber niemand nennt mich so. Ist wie bei Lou. Oder 'Sarah'. Sie kann sich da nicht so ganz entscheiden." Perlendes Lachen verlässt Toris Mund und ich sehe sie unwillig an. „Was? Das stimmt gar nicht, es...", beginne ich, doch wedelt Tori mit der Hand. „Ach, ich mach nur Spaß." Sie lächelt mich liebevoll an. „Es wäre aber auch nicht schlimm, wenn man nicht genau weiß, was man will. Egal, ob Name, Job oder Partner. Nicht wahr, Schatz?"
Sie sieht zu Luca, der ihr Lächeln zärtlich erwidert. Blöde Schl-... Ich beiße mir von innen auf die Lippe und starre zu Boden im Versuch, meine Impulsivität zu dämpfen.
Aber aus irgendeinem Grund bin ich heute sensibler als sonst. Und ich bin ohnehin schon ein sehr emotionaler Mensch. Vielleicht liegt es am Schlaf- und Kaffeemangel. Meine Augen huschen umher auf der Suche nach Conner und Ben, die irgendwo einen Kaffeestand organisiert haben, wie ich weiß. Conner ohne Kaffee geht einfach nicht.
Die beiden Männer haben sich mittlerweile die Hände gereicht und Luzifer scheint etwas über uns zu erzählen. Moment! Ich passe wieder auf, als er meine Hand in seine nimmt, die zweite wie schützend darüberlegend. Dann lächelt er mich derart zärtlich an, dass ich fast selbst glaube, was er da erzählt.
„Wir hatten eine kleine Diskussion über den Glauben und ihre flammende Art hat mich direkt fasziniert", raunt er und Luca lacht auf, grinst mich dann an. „Oh ja. Mit Lou über den Glauben zu diskutieren ist immer wieder ein Fest." Er scheint zufrieden mit der Art, wie Luzifer mit mir umgeht und als ich ihm einen vorwurfsvollen Blick zuwerfe dafür, dass er mir so in den Rücken fällt, zuckt er nur gutgelaunt mit den Schultern.
„Es ist, wie es ist, Lou. Und das weißt du." Ich seufze. „Ja, ja. Eins meiner Stressthemen. Wo sind eigentlich Conner und Ben?", frage ich, um abzulenken. Unter anderem mich von den Tiefen der dunklen Augen, die mich immer noch im Blick haben.
Mir wird heiß und ich schlüpfe aus meinem Mantel, lege ihn mir über den Arm. „Lasst uns die beiden suchen", schlägt Luca vor und legt einen Arm um Tori, sieht aber zu mir. „Er will schließlich auch deinen Begleiter kennenlernen." Ich lächele leicht gequält, lasse mich aber von Luzifer hinter den beiden herführen.
So werde ich schließlich auch zu meinem Kaffee kommen.
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