|20| Lilith, Belial und die Stimme

Die Augen der verflucht schönen Frau vor mir sprühen vor Hass und Mordlust und ich schwöre, ich würde am liebsten flüchten.

Automatisch mache ich einen Schritt zurück und pralle gegen den harten Körper meines Dämons, dessen Hitze mich sofort beruhigt. Er ist da. Mir wird nichts passieren.

„Lilith", grollt er und meine Augenbraue zuckt, als ich den bekannten Namen höre.

„Luzifer", schnurrt die Dämonin und verneigt sich, ohne ihn aus den funkelnden Augen zu lassen. Bei dem einschmeichelnden Tonfall stellen sich selbst meine feinen Härchen auf. Dämonen haben es echt drauf. Wenn ich nicht solche Angst hätte...nein, auch dann wäre sie nicht mein Typ. Ich steh nicht so auf die Durchgeknallten.

„Wir dachten, du wirst nicht kommen", säuselt die angenehme dunkle Stimme der Rothaarigen, die noch besser aussieht, als in meiner Erinnerung. Verflucht, neben ihr komme ich mir vor wie ein Mauerblümchen. Aber gut, ich habe auch keine Hörner... „Du sagtest, du habest kein Interesse an der Hochzeit einer einfachen Succubus..." Ihre schöne Stimme zischt leise.

Luzifer indes sieht mit versteinerter Miene zu der Dämonin, auch wenn ich meine, ihn kurz zu mir huschen zu sehen. „Dann wurdet Ihr ja nun eines Besseren belehrt", sagt er dunkel und Lilith legt den Kopf schräg. Ihre Haltung ist immer noch eine Mischung aus Unterwürfigkeit und Ärger.

„Liegt es an ihr?!" Kurz streift ihr Blick meine Gestalt, wird dabei erneut derart feindselig, dass man meinen könnte, ich hätte ihren dreiköpfigen Lieblingshund überfahren, nur um dann wieder Luzifer anzuschmachten.

Ooh... Ooooh!

Mein Blick geht zu Luzifer.

Sie steht auf ihn.

Und ich bin im Weg.

Fast muss ich vor Erleichterung lachen. Mit einem so durch und durch menschlichen Gefühl wie Eifersucht kann ich umgehen. Ich kenne solche Zicken. Mein Dämon stellt sich mit solch düsterem Ausdruck neben mich, dass es mich wundert, Lilith noch nicht flüchten zu sehen. Ernsthaft, würde er mich so ansehen...

Okay, das denke ich lieber nicht weiter. Konzentration, Sarah!

„Warum?", wispert eine Stimme schräg hinter mir. „Vielleicht ist es genau das, was du endlich tun solltest. Es weiterdenken und...handeln!"

Ich wirbele herum, doch steht dort niemand. Stirnrunzelnd suche ich die Umgebung ab und nun haben auch Luzifer und Lilith gemerkt, dass etwas nicht stimmt und stellen ihr gegenseitiges Anstarren ein.

„Was ist los, Sarah?", fragt mein Begleiter mich gefühlt zum hundertsten Mal seit wir uns kennen und wieder zucke ich langsam mit den Schultern. „Ich...ich weiß nicht. Ich habe eben eine Stimme gehört, doch...da ist niemand."

Lilith beginnt, hämisch zu grinsen. „Ehrlich, Luzifer. Eine Sterbliche. Eine ängstliche schwache Sterbliche, wie es scheint..."

„Sterblich bist auch du, meine Liebe", braust Luzifer auf und seine Stimme dröhnt in meinen Ohren. Auch Lilith scheint zu merken, dass er nicht gerade glücklich über ihre Aussage ist, doch funkelt sie ihn trotz allem wütend an.

„Und doch hast du dich für diese hier entschieden! Warum?", faucht sie. „Wer ist sie schon?"

Nun fühle ich mich bemüßigt für mich selbst einzustehen und verschränke die Arme. „Das wolltest du ja schonmal von mir wissen, nicht wahr?", frage ich kühl und lächele dann zuckersüß. „Wie gut, dass du mich nun im wachen Zustand fragst, da antwortet es sich leichter."

Jaaa, vielleicht habe ich es gesagt, damit Luzifer weiß, dass sie es war, die mich im Traum besuchte und gemessen an der Hitze, die die Luft um ihn herum zum Flirren bringt, hat er es verstanden. Und ist sauer.

Ich atme einmal tief durch, da mich dies nicht unbedingt kalt lässt und konzentriere mich dann lieber auf die Dämonin. „Sarah ist mein Name. Sarah Winter, um genau zu sein. Luzifers Begleitung. Und du bist...?"

Wie erwartet verzieht sich das schöne Gesicht vor Wut und Verachtung, weil ich so tue, als würde mir ihr Name nichts sagen. Denn natürlich hab ich ihren Namen schon mal gehört. Sie taucht in der ein oder anderen Form in jedem drittklassigen PC-Spiel auf, als gäbe es keine anderen Dämoninnen.

Gut, um ehrlich zu sein, kenne ich tatsächlich keine weiteren. Zumindest keine weiblichen.

„Uh, du solltest sie nicht sauer machen", wispert wieder diese Stimme.

„Lilith", knurrt die Rothaarige zeitgleich und lenkt mich so davon ab, den Besitzer der Stimme zu suchen. Ich nicke. „Nur ein Vorname. Wie Cher oder Madonna, hm? Nett. Und du heiratest?"

Die Lippen der Dämonin verziehen sich. „Ich bin keine Succubus!", faucht sie und ich mache große Augen, während Luzifer ein Husten von sich gibt, das eher wie ein schlecht verstecktes Lachen klingt. „Oh, ich wusste nicht, dass es etwas Schlechtes ist, eine Succubus zu sein", erwidere ich entschuldigend und schaue sie unschuldig an.

„Wie ich hörte sind diese echt gut darin, sich die Männer zu schnappen, die sie haben wollen..." Die bedeutsamen Worte lasse ich in der Luft hängen und erkenne genau den Moment, in dem sie bei Lilith ankommen.

Mit einem fast würgenden Laut wirbelt sie herum und verschwindet, scheint sie sich dabei nur durch Luzifers warnenden Blick davon abhalten zu lassen, mich auf der Stelle zu massakrieren. Dieser wandelt sich schnell in Vergnügen, als mein Begleiter herzhaft auflacht und auch andere, die das Gespräch mitbekommen haben, verleihen ihrem Amüsement lautstark Ausdruck, was mich unsinnigerweise ein wenig stolz macht.

„Ach, Süße, das war zwar lustig, aber ich wäre in nächster Zeit vorsichtig, was ich esse, trinke, oder sonst wie anrühre. Wobei...Luzifer solltest du ruhig anrühren."

Nun dreht auch Luzifer sich stirnrunzelnd nach der nicht mehr so leisen Stimme um und wir beide erblicken einen kleinen Jungen, doch bevor wir auf ihn eingehen können, donnert eine Stimme durch den Raum.

„Luzifer! Junge, ich dachte schon, du kommst nicht!"

Wir drei sehen nach vorn und ich trete einen Schritt zur Seite, als ein mächtig großer Mann mit einer Katze und einer Kröte auf je einer Schulter zu uns tritt und Luzifer in die Arme schließt. Perplex wechsele ich mit dem Jungen, der nicht älter als acht zu sein scheint, einen Blick.

Der Kleine zuckt mit den Schultern, doch kann ich ihm den unschuldigen Gesichtsausdruck nicht wirklich abnehmen. Die kleinen dicken Wangen färben sich nämlich rot und er scheint meinem Blick schnell auszuweichen.

„Belial", erklingt indes Luzifers Stimme. „Schön, dich zu sehen, nachdem du mich letztens einfach versetzt hast." Nun klingt ein grollender Tonfall mit und die Härchen auf meinem Arm stellen sich auf.

Dem riesigen Dämon und seinen Tieren, die, wie ich gerade bemerke, irgendwie mit ihm verwachsen zu sein scheinen – gruuuselig – scheint das Grollen jedoch nichts auszumachen. Stattdessen runzelt er die buschigen Augenbrauen.

ICH?!", poltert er grimmig und doch verspüre ich keine Angst. Irgendwie ist mir der riesige Kerl sympathisch.

Toll...nun drehst du ganz durch...

„Du bist doch einfach nicht gekommen!" Er will noch mehr sagen, doch funkt ihm mein Dämon dazwischen. „Was für ein Unsinn!", donnert er und steht in Kraft und Lautstärke dem Riesen in nichts nach. „Du hast kurzfristig den Ort verlegt und bist dann nicht aufgetaucht!"

Belial schnaubt, seine Katze faucht und die Kröte bekommt so dicke Backen, dass ich fürchte, sie würde platzen. Schnell mische ich mich ein.

„Das klingt irgendwie nach einem klassischen Missverständnis", sage ich und tatsächlich verlässt die Kröte mit einem Pfeifen die Luft, während Katze, Riese und Teufel zu mir sehen.

Teufel? Tja, nun...

Ich sehe zu meinem Begleiter. „Du sagst, Belial habe den Ort des Treffens kurzfristig verlegt?" Luzifer nickt zustimmend. „Das ist korrekt, ich habe die Nachricht an dem Morgen von ihm erhalten." Kurz frage ich mich, ob Dämonen wohl auch Smartphones benutzen, doch verwerfe ich den Gedanken schnell wieder, da es dann sicherlich nicht zu so einer Situation gekommen wäre.

„Gut", fahre ich fort und bin dankbar, dass der große Dämon zwar mit verschränkten Armen und düsterem Gesichtsausdruck, ansonsten aber stumm dasteht und abwartet. „Und wer hat dir die Nachricht überbracht? Ich meine...wie informiert ihr euch hier über solche Dinge?"

Ich meine, neben mir eine Bewegung zu verspüren und sehe aus den Augenwinkeln, wie der kleine Junge sich unauffällig zurückbewegt, während es in Luzifers Augen aufblitzt. Seine Hand schnellt vor und packt den Kleinen im Nacken.

„Schön hierbleiben, Pausbäckchen", knurrt er und der Junge hebt mit unschuldigem Augenaufschlag die Hände. „Schon gut, schon gut, oh Feuriger", säuselt er, doch sehe ich ein amüsiertes Funkeln in seinen Augen.

Luzifer sieht ihn auffordernd an. „Du hast mir gesagt, dass Belial mich bei den unteren Wällen treffen will. Erinnerst du dich?" Der Junge kraust nachdenklich die Nase und wiegt den Kopf hin und her. „Hmm...hab ich das...?", murmelt er mit heller Stimme und Belials Katze maunzt drohend, während er selbst schmale Augen bekommt.

„Warte mal...du bist doch der kleine Kerl, der mir gesagt hat, Luzifer würde nicht mehr kommen. Nachdem ich wirklich lange auf ihn gewartet habe!", fügt er an Luzifer gewandt verärgert hinzu, doch habe ich auch bei ihm das Gefühl, dass ihn eher Neugierde erfüllt, als wirkliche Wut.

Nun rollt der kleine Kerl mit den Augen und befreit sich aus Luzifers Griff. Er glättet seinen Kragen und sieht mit blasiertem Blick und süffisantem Grinsen zwischen uns umher. Ein eigenartiger Anblick an einem Kind.

„Na ja, irgendwie musste ich dich ja in ihre Nähe bekommen. Ohne mich hättest du sie nie gefunden. Und ich wusste, ihr das Buch zu geben, würde allein nicht reichen. Wer weiß, wer sonst so alles dem Ruf gefolgt wäre. Schließlich ist sie so ein Schnuckelchen!"

Okay. Ein Achtjähriger nennt mich Schnuckelchen. Total weird!

Aber auch der Rest seiner Aussage lässt mich irritiert zurück, bis ich in plötzlicher Erkenntnis die Augen aufreiße. „DU hast mir in der Bücherei das Buch gegeben! Stimmt!", rufe ich und der Kleine strahlt mich an, während Luzifer irritiert die Hand hebt und Belial einen der Kellner um ein Tablett mit diesem roten Sekt erleichtert.

Er", sagt Luzifer und deutet auf den Jungen, „hat dir das Buch gegeben, das dir gezeigt hat, wie du Dämonen beschwörst?!" Ich nicke und ein weiteres Detail fällt mir wieder ein, welches schon gestern an die Oberfläche wollte.

„Ja und...davor wäre ich nie auf die Idee gekommen, so etwas zu tun. Ich meine, nichts für Ungut, aber ich habe nicht geglaubt, dass das hier existiert." Ich mache eine unbestimmte Geste, die meine Umgebung einfängt und reibe mir verlegen über den Oberarm.

Luzifer lächelt und nimmt meine Hand, sie sanft zu küssen. „Es kam mir ohnehin schon sehr merkwürdig vor, dass gerade du so einen Weg einschlägst", raunt er, doch verlässt ihn der feurige Blick direkt, als er sich an den Kleinen wendet, der unser Verhalten mit einem schmachtenden Seufzen und großer Zufriedenheit beobachtet.

Belial indes leert ein Glas nach dem anderen und scheint ebenfalls zufrieden damit, der Unterhaltung zu lauschen. Seine Katze schnurrt leise, während die Kröte mit geschlossenen Augen zu schlafen scheint.

„Wie kommst du dazu, ihr so ein gefährliches Werk in die Hände zu geben, Cupido?"

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