|17| Einer der Transformers
Zehn Minuten... Zehn Mi-... „Was?!", krächze ich und sehe ihn entsetzt an.
Luzifer lächelt maliziös. „Du hast noch zehn Minuten, Liebes", wiederholt er, als wäre es völlig in Ordnung, als wären zehn Minuten ausreichend Zeit, sich fertig zu machen und als wäre er nicht vollkommen übergeschnappt, sowas von mir zu erwarten!
„Hast du sie nicht alle?", fahre ich ihn an und ich schwöre, er weicht einen kleinen Schritt zurück, als ich aus vor Wut und Anspannung lodernden Augen zu ihm aufblicke. „Kein Mensch der Welt kann sich in verfickten zehn Minuten fertig machen! Schon gar keine Frau, die sich noch schminken muss!"
Luzifer muss trotz Zurückweichens schmunzeln. „Also zum einen: Pfui, Sarah, ich wusste nicht, was du für Wörter kennst." Ich werfe ihm einen vernichtenden Blick zu, den er nur mit einem weiteren Grinsen quittiert. „Und zweitens" Er sieht mich an und das sanfte Lächeln, die Zärtlichkeit in seinem Blick, lassen mich erneut fast vergessen, dass er eben nicht mein Freund ist, mit dem ich auf eine Feier gehe, um danach wilden, hemmungslosen...Sarah!
Mich räuspernd schlage ich mir solche Gedanken aus dem Kopf und versuche, mich zu konzentrieren, als er weiterspricht. „Ich finde nicht, dass du dich schminken musst. Du hast wundervolle Haut und diese großen braunen Augen..." Die Augen verdrehend, lasse ich den Schleimer stehen und haste ins Bad zurück, während ich sein tiefes Lachen höre.
Denn ich zumindest weiß genau, dass diese wundervoll großen braunen Augen nur durch genügend Wimperntusche und ein wenig Lidschatten und Kajal wirklich zur Geltung kommen. Im Spiegel sehe ich mich an. In einem hat er recht. Meine Haut ist wundervoll und braucht kein Make-up, welches ich daher auch nicht benutze.
Klingt das eingebildet? Sicher. Aber ich halte nichts von falscher Bescheidenheit. Nicht, um Widersprüche und Komplimente zu fischen und schon gar nicht mir selbst gegenüber.
Also kein Make-up spart ein wenig Zeit, dazu kurze Haare, die nicht viel Styling benötigen. Dennoch sind zehn Minuten niemals genügend Zeit! Wie kam der – reiß dich zusammen, Sarah – ‚Teufel' darauf, mir nicht vorher Bescheid zu sagen?!
Als ich aus dem Bad komme, hat er das Kleid bereits aus der Schachtel genommen und hält es mir hin. Es ist ein Traum aus anthrazitfarbenem Stoff, der sanft zu glitzern scheint, obwohl ich keine Steinchen an ihm entdecken kann. Es scheint eine Art bodenlanges Neckholderkleid zu sein, welches die Schultern und einen Großteil des Rückens freilässt.
Die Brust und das Dekolleté sind bedeckt und um den Hals liegt der Stoff ein wenig breiter an, fällt dann hinten wie ein sehr langes Tuch aus dem Nacken hinab bis fast zu den Knien, soweit ich es erkennen kann.
Alles in mir kribbelt und diesmal ist nicht Luzifer daran schuld. Na ja, indirekt schon, aber es juckt mir wirklich heftig in den Fingern, das Kleid zu probieren, um zu sehen, ob es passt.
Ich nehme es fast etwas ehrfürchtig entgegen und da Luzifer immer noch keine Anstalten macht, das Schlafzimmer zu verlassen, nehme ich den Nachthimmel mit ins Bad, da ich gegebenenfalls mein Make-up anpassen will.
Überschreite ich damit dann auf jeden Fall die zehn Minuten? Ganz sicher. Ist es mir egal? Scheiße, ja!
Es überrascht mich zwar nicht und doch regt sich unbändige Freude in mir, als ich in das Kleid schlüpfe, und es einfach perfekt ist. Hatte ich anfangs noch ein wenig Zweifel, ob es gut um die Brust halten würde, da der Rücken so frei ist, spüre ich nun, dass die Sorge völlig unbegründet war.
Es passt wie eine zweite Haut und als ich in den Spiegel schaue, muss ich schlucken. Es sieht verflucht teuer aus. Ich sehe teuer aus...nein, warte, das klingt falsch. Ich sehe wohlhabend aus. Und unglaublich gut!
Ein leises Quietschen entkommt mir und ich zücke mein Smartphone, einige Selfies zu machen – so viel Zeit muss einfach sein. Ich werde wahrscheinlich nie wieder so ein Kleid tragen. Meine Augen betone ich noch ein wenig dunkler und lege dann die silbernen Kreolen an, dazu einige sehr zarte silberne Armreifen, die ebenfalls leicht glitzern.
Dann trete ich wieder in mein Schlafzimmer und mein Blick sucht den Luzifers. Er steht in der Mitte des Raums, hat sich ein Jackett übergezogen und nun bemerke ich, dass sein Hemd vom selben Anthrazit ist wie mein Kleid, auch wenn es weniger glitzert.
Lächelnd kommt er auf mich zu und nimmt meine Hand, sie zu küssen, bevor er sie hebt und mich betrachtet. „Ich wusste, das Kleid würde dir stehen. Du siehst wirklich unglaublich aus, Sarah. Viel zu gut für eine Sterbliche."
Sterbliche. Nett, mich so daran zu erinnern, dass ich die einzige meiner Art sein werde. Oder? Ich räuspere mich. „Wird es...noch andere...wie mich geben?", frage ich und ja, ich klinge ein wenig unsicher. Luzifer lächelt und ich hake ein. „Und wenn du jetzt sagst, dass niemand wie ich ist, muss ich dich leider schlagen. Du hast dein Kontingent an schlechten Anmachsprüchen bereits mehr als ausgeschöpft."
Luzifer lacht sein herrliches volltönendes Lachen und seine Augen funkeln angetan. „Und dennoch wäre es wahr. In beiden Fällen, denn du wirst der einzige Mensch sein, meine Liebe. Aber keine Bange. Ich werde nicht von deiner Seite weichen. Dir wird nichts geschehen."
„Ganz genau", erklingt plötzlich eine andere Stimme. „Weil sie nicht mitgehen wird."
Mein Kopf ruckt herum. Meine Augen weiten sich, als sie den zweiten Mann erblicken, der diesen Tag in mein Zimmer einbricht, ohne die Tür zu nutzen und ich fasse es nicht. Was ist mein Schlafzimmer?! Ein Bahnhof?
Dann erkenn ich den Mann und mir klappt die Kinnlade hinunter.
„Matt?!"
Sofort schießt mein Blick zu Luzifer und meine Augen werden schmal. „Aber du kennst ihn nicht, oder wie?", zische ich und Luzifer, der Matt aus genervten und wütenden Augen angefunkelt hat, sieht komplett unbeschämt und mit einem Achselzucken zu mir.
„Na ja, kennen ist so ein weiter Begriff. Darf ich vorstellen? Metatron."
Ein Lachen entkommt mir und mein Blick huscht kurz zu Matt, dann wieder zu Luzifer. Will er mich verarschen? Was ist er? Einer der Transformers?
„Metatron", wiederhole ich und meine Stimme trieft vor Sarkasmus, was den Blonden zu einem Augenrollen animiert, während Luzifer diabolisch grinst. „Aye. Einer der Erzengel. Du hast sicher noch nie von ihm gehört."
Nun verbeiße ich mir mein Grinsen, auch wenn ich diese Spitze ziemlich lustig finde, da ich es wirklich nicht habe. Dennoch sehe ich den blonden Adonis entschuldigend an. „Nein, aber ich bin auch Atheistin", erkläre ich ihm, doch er wirft mir einen Blick zu, wie es Conner tut, wenn er einen auf eingeschnappte bitch macht.
„Das sagt gar nichts. Von Michael, Raphael oder Gabriel hast du bestimmt trotzdem schonmal gehört, oder? Oh, und natürlich von Luzifer, unsere Berühmtheit", zickt er und ich muss nicken. „Ja, schon, aber...", beginne ich, doch Matt seufzt theatralisch. „Das ist so unfair. Dabei bin ich derjenige, der immer zwischen Himmel und Erde den Boten spielt", wispert er, strafft sich dann aber.
„Wie auch immer. Du nimmst sie nicht mit. Ich habe es dir bereits auf der Hochzeit gestern gesagt, dass ER es nicht erlaubt." Luzifer schnaubt und richtet sich zur vollen Größe auf, die wahrscheinlich ganze zwei Zentimeter über der des Engels liegt.
Des Engels? Sarah, reiß dich zusammen, das sind einfach ein paar Dämonen mit Identitätsproblemen...
Aber so ganz kann ich das nicht mehr glauben.
„Und ich habe dir gesagt, wo ER und du sich diese Anweisung hinschieben können", antwortet mein Dämon und mir entkommt ein amüsiertes Geräusch. Als beide mich ansehen, will ich schon die Hand heben und ‚Oh, entschuldigt, macht weiter', sagen, als mir einfällt, dass es hier ja um mich geht. Und über mich entscheide immer noch ich.
Also öffne ich den Mund, doch da sprechen die Herren schon weiter. „Du hast dir den Vertrag erschlichen, Luzifer!", poltert der Engel und ich weiche fast ein wenig vor der Kraft zurück, die plötzlich in Stimme und Gehabe des Blonden liegt. Holy shit, wo nimmt er das denn her?
Also, er ist ein... Ja! Nein! Ich weiß, das war eine rein rhetorische Frage.
Luzifer allerdings zeigt sich gänzlich unbeeindruckt von Matts Auftreten und verschränkt mit einem süffisanten Grinsen die Arme. „Oh, aber es ist doch gar nicht mein Vertrag...", säuselt er und Matts Licht, welches um ihn glomm, fällt ein wenig in sich zusammen, als er irritiert von Luzifer zu mir und wieder zurücksieht.
„Wie meinst du das?", fragt er – immer noch Luzifer, was mich wirklich etwas wütend macht. Auf der anderen Seite bin ich nicht zur Gänze sicher, was hier gerade das Thema ist, beziehungsweise, wo es hinführen soll, also beschließe ich, wenigstens noch Luzifers Antwort abzuwarten, bevor ich den beiden meine Meinung zu der Tatsache sage, dass sie über mich reden, statt mit mir.
Und es ist ja schließlich immer noch meine Entscheidung, ob ich das mache, oder nicht. Da hat kein Engel reinzureden. Auch nicht, wenn er ein Transformer ist.
„Wie ich das meine?", wiederholt Luzifer selbstgefällig und sieht kurz zu mir, die Augen gefährlich funkelnd. Ich schlucke. Fuck, er ist so heiß... Matt scheint meinen Gedanken aufzufangen, oder wieso schaut er mich mit einem ‚Ernsthaft?'-Blick an?
„Es ist Sarahs Vertrag", sagt der Dunkle zu dem Hellen, welcher weiterhin recht verwirrt aussieht. Luzifer seufzt und verdreht die Augen. „Sie hat versucht, einen Dämon zu beschwören, Matt", erklärt er und Matts Kiefer klappt nach unten. Er sieht derart fassungslos und tadelnd zu mir, dass ich ein heftiges Brennen auf den Wangen verspüre und verlegen den Blick senke. Scheiße...
„Einen...warum? Und wieso kann sie das?", fragt Matt wieder an Luzifer gerichtet, doch reicht es mir nun. Ich stemme die Hände in die Hüften und lasse mich ganz auf meine Wut ein. Angriff ist die beste Verteidigung.
„Sie ist hier und kann selbst reden, Matt", sage ich und Luzifer grinst, da ich den Namen mit genau derselben Betonung ausspreche, wie er zuvor. Ich ignoriere das. „Und sie kann zudem auch ganz hervorragend für sich selbst entscheiden. Da braucht sie keinen angeblichen Engel, oder Gott oder sonst ein übernatürliches Wesen, ihr da reinzureden."
Matts Blick wird ernst und er betrachtet mich forschend. Dann sieht er zwischen uns umher und richtet die Augen kurz gen Himmel, als warte er auf Anweisungen aus dem Kosmos. Jeeez... „Und wie genau kamst du darauf, einen Dämon zu beschwören, Sarah?"
Luzifer knurrt genervt und auch mir gefällt es nicht, darüber zu reden. Dennoch denke ich, dass es meine beste Chance ist, Matt loszuwerden. „Durch ein Buch, welches ich gefunden habe", erwidere ich und nun scheint auch Luzifer aufzumerken. Er runzelt die Stirn. „Gefunden?", fragt er, doch ist es Matt, der weiterspricht. „Wo denn?"
Ich zucke verärgert mit den Schultern. „Irgendwo eben. In einem Buchladen, nehme ich an." Matt macht große Augen und sieht kurz zu Luzifer. „Nimmst du an", wiederholt er schon wieder meine Worte, was mich ein wenig aggressiv macht.
„Ja", schnappe ich daher und mein Bein beginnt unruhig zu zucken. „Ist doch auch völlig egal, woher ich es habe", fauche ich und, dass Luzifer mich nachdenklich betrachtet, macht das Ganze nicht besser. Ich sehe ihn an. „Was?", gifte ich. „Hast du nun auch Probleme damit?", herrsche ich ihn an und er schüttelt langsam den Kopf, lächelt dann.
„Ganz und gar nicht, meine feurige Meisterin", neckt er mich, wohl in dem Versuch, meine Laune zu verbessern. Und warum auch immer, schafft er es. Mein Puls beruhigt sich und auch mein Atem geht wieder langsamer und regelmäßig. Faszinierend...
Dies scheint auch Matt so zu sehen, der zwischen uns hin- und herblickt und dann eine Entscheidung zu fällen scheint. Er wendet sich an Luzifer und sagt ihm noch etwas, doch kann ich mir die Worte nicht merken. Oder kenne ich nur die Sprache nicht? Oder...
Matt nimmt meine Hand und meine Überlegungen in die Richtung schwinden, als mich eine innere Ruhe erfasst, die der ähnelt, die ich an Luzifers Seite empfinde. Wenn auch nicht so stark. Dennoch lächele ich zu ihm auf, was Luzifer zu einem Schnauben veranlasst.
„Weiche nicht von seiner Seite. Ich weiß nicht, warum oder wie das alles zusammenhängt", sagt er warm und schürzt dann die Lippen „mir sagt ja keiner was...", setzt er sehr leise hinzu, was ihm einen mahnenden Blick Luzifers einbringt, der ihm meine Hand entzieht, sie in seiner eigenen zu bergen.
„Ja ja, danke, Matt", flötet er und Matt richtet seinen kühlen Blick auf meinen Begleiter. „Wir sind eh schon zu spät und sie hat kein Interesse an euch." Dies sagt er mit einem so selbstgefälligen Blick, dass ich fast Lust habe, ihm zu widersprechen, nur – er hat ja recht. Wenn es denn der Verein ist, zu dem Matt gehört...
Matt grinst leicht. „Auch wenn du es nicht gern hörst, so gehörst du immer noch dazu, Lichtbringer." Damit wendet er sich wieder mir zu. „Was ich sagen wollte. Auch, wenn ich nicht weiß, wie alles zusammenhängt, scheint er dich wirklich zu mögen und wird daher wohl wirklich auf dich achten...denke ich..."
Ein wenig zweifelnd schaut er auf Luzifer, nickt dann aber und verbeugt sich. „Wenn aber nicht, ruf mich. Ich werde dich auch dort hören."
Damit verschwindet er in einem wunderschönen gleißenden Licht, das mich tief in meinem Herzen zu berühren scheint, sodass ich fast weine.
Aber vielleicht liegen meine brennenden Augen aber auch nur daran, dass das Licht mir selbige mit seiner Helligkeit fast ausgebrannt hat... Who knows.
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