|10| Wir sind hier nicht bei Buffy...
Luzifer entlarvt noch Conners reichen Cousin als Hochstapler, der der Familie mittels Lügen ein illegales Schneeballsystem aufschwatzt, um seinen extravaganten Lebensstil halten zu können, Bens Exfreund, der sich doch so für Conner und Ben gefreut hat, als zutiefst eifersüchtig und von dem Gedanken besessen, die beiden auseinanderzubringen, sowie den homophoben Onkel Bens, der die ganze Zeit grummelnd am Tisch sitzt. Dieser hat wohl vor nicht mal einer Stunde einen der Kellner in der Abstellkammer vernascht.
Mir ist ganz elend und ich muss zugeben, dass Luzifers Frage ‚Willst du das wirklich wissen?' mehr als berechtigt war. Nein! Ich will es nicht! Aber nun ist es zu spät. Ich kann davor nicht die Augen verschließen. Gut, Bens Onkel widert mich zwar an – also nicht, weil er den Kellner vernascht hat, sondern weil er gegen Schwule wettert, nur, weil er mit sich selbst nicht klarkommt, der Heuchler - aber wirklich gefährlich ist er nicht.
Anders Conners Cousin. Ich muss die Familie irgendwie schützen! Aber wie? Sie vertrauen ihm seit Jahren, was die Finanzgeschäfte angeht und es hat bisher ja auch alles gut geklappt...aber wenn sie ihm nun ihr Geld geben...
Ich sehe mich um, sehe die ganzen liebgewonnenen Menschen, von denen einige sicher nicht genug Geld haben, so einen Verlust auszugleichen, der unweigerlich folgen wird, wenn das System zusammenbricht oder auffliegt.
Luzifer mustert mich nachdenklich und etwas besorgt. „Ich denke, wir lassen es für heute, hm?", fragt er sanft und ich nicke. Es ist zwar unglaublich, aber er hat die Wahrheit gesagt. All diese Menschen verbergen eine mehr als hässliche Seite und unwillkürlich frage ich mich, welche Seite in mir die ist, die er aufdecken würde, wenn er sie sehen könnte...
Als habe er meinen Gedanken in meinen Augen schwelen sehen, lächelt er sanft. „Es belastet dich wirklich, oder? Mach dir aber zumindest deinetwegen keine Sorgen. In dir findet sich nichts Dergleichen. Im Gegenteil scheint dein einziger echter Fehler ein zu großes Herz zu sein."
Ich schnaube und blinzele das Brennen meiner Augen weg. Wenn ich jetzt das Heulen anfange, sehe ich aus wie ein Waschbär! „Selbst wenn ich es hätte, warum ist das ein Fehler?", frage ich ein wenig motzig, doch Luzifer lächelt nur und reckt sich. „Ich muss mich kurz entschuldigen, Sarah. Auch der Teufel braucht mal eine kurze Auszeit." Er zwinkert mir zu und verneigt sich, nachdem ich genickt habe.
Einen Moment sehe ich ihm noch nach, wie er durch die Gäste tritt und muss halbherzig grinsen, als ich sehe, wie viele Augen ihm folgen, doch konzentriere ich mich dann wieder auf Ben. Conner. Den Rest der Familie. Wie soll ich ihnen das, was ich nun weiß, beibringen?
Noch während ich vor mich hinstarre und nachdenklich an meiner Unterlippe kaue, sehe ich aus den Augenwinkeln plötzlich flammend rotes Haar aufblitzen. Kälte rauscht durch mich und meine Augen zucken umher auf der Suche nach ihr. Doch entdecke ich sie nirgends. Natürlich nicht. Sie war ein Traum, nicht mehr!
Dennoch rast mein Herz nahe meiner Kehle und meine Hände reiben über mein Kleid, als seien sie schwitzig.
„Was hast du, Sarah?"
Ich zucke mit einem kleinen Schrei zusammen und wirbele herum. Natürlich ist es nur Luzifer, der mich mit gerunzelter Stirn ernst anblickt. Verflucht, mein Nervenkostüm ist echt nicht das Beste.
Ich atme zittrig tief durch und lache etwas verschämt auf. „Ach, nichts. Ich...ich habe nur darüber nachgedacht, was ich den anderen sagen soll, damit sie...gewappnet sind?" Jetzt, da ich es sage, holt mich die Hilflosigkeit der Situation wieder ein und lindert die latente Angst, die meine Knie weich werden ließ.
Luzifer scheint kurz über meine Worte nachzudenken, während er seinen Blick durch den Saal gleiten lässt und nah an mich herantritt. Erneut eine so beschützende Geste. Fuck, ich steh auf sowas. Und ich fühle mich – Dämon oder nicht – unglaublich sicher in seiner Gegenwart.
Warum auch immer. Aber ich stand einfach schon immer auf die ‚Bösen' in den Geschichten, was wird mir nun zum Verhängnis werden könnte. Schließlich sind wir hier in keiner schnulzigen Geschichte, in der der Antagonist eigentlich nur missverstanden wird und in Wirklichkeit ein total netter Kerl ist.
Wir sind in der Realität. Und die ist, dass er ein Wesen der Unterwelt ist. Er gehört zu den Anderen, wie der Kirchler sie nannte und auch, wenn ich sonst nichts glaube, was diese Menschen so von sich geben – also, wenn es um irgendwelche unbewiesenen Dinge geht – bin ich diesmal mehr als gewillt, ihm zu glauben. Aus offensichtlichen Gründen.
„Ich denke, du musst dir keine Sorgen um sie machen", antwortet Luzifer schließlich ein wenig kryptisch und sieht zu Conners Cousin, der wild gestikulierend bei seinen Verwandten steht. Irre ich mich, oder sieht er verzweifelt aus?
Mein Blick geht fragend zu Luzifer, der leicht schmunzelt. „Wie es scheint, beichtet er gerade seine Sünden", teilt er mir gespielt verschwörerisch mit und ich reiße erstaunt meine Augen auf. „Kein Scheiß?", rutscht es mir heraus und Luzifer lacht, während ich erröte.
„Nein, Sarah. Kein Scheiß", neckt er mich und ich feixe, sehe dann zu Conner und Ben, die mit einem sehr ernst aussehenden Jon sprechen. Jon. Der Ex von Ben. Auch Conner und Ben wirken ernst und werfen sich Blicke zu, doch lächeln sie dann und umarmen nacheinander Bens Ex, der das Lächeln erwidert und den Saal verlässt, während Conner und Ben das Knutschen anfangen.
Schmunzelnd wende ich den Blick ab. Ob auch er einen Meinungsumschwung hatte? Und wenn ja, warum?
Wieder sehe ich zu Luzifer, der für einen Teufel einen wirklich unschuldigen Ausdruck im Gesicht hat. „Das warst du, oder?", frage ich leise und ein Lächeln legt sich auf Luzifers Lippen, der die Schultern hebt. „Nun...vielleicht habe ich ihnen den ein oder anderen Ratschlag gegeben."
Ich lächele ebenfalls und beobachte noch ein wenig Conners Cousin, der seine Fehler einzugestehen scheint und kurz frage ich mich, ob die Hochzeit wirklich der richtige Zeitpunkt war, Seelenstriptease zu begehen.
Dann neige ich neugierig den Kopf. „Aber verlierst du hier nicht ein paar Seelen?", frage ich und er schmunzelt. „Es gibt soviele andere", sagt er leichthin, schaut mich dann aber seinerseits forschend an.
„Ich frage mich aber wirklich, welche der verschiedenen Geschichten über mich du für wahr hältst." Ein Lachen entkommt mir und ich werfe ihm einen, wie ich denke, koketten Blick zu. „Keine, wie du sehr wohl weißt. Über Dämonen allerdings stützt sich mein immenses Wissen auf jahrelanges Pen&Paper Rollenspiel."
Luzifer blinzelt und es scheinen ihm wirklich die Worte zu fehlen, sodass ich süffisant grinse. „Was denn?", frage ich neckend. „Nicht mal ein dummer Spruch zu dem Thema Rollenspiel?" In seinen Augen blitzt es auf und ein Grinsen erscheint in seinem Gesicht, was mir klarmacht, wie gern ich ihn zum Lächeln bringe.
Oh, shit. Ich hoffe, dass ihm das nie auffällt und ich dieses Gefühl bald wieder loswerde. Er ist und bleibt ein Dämon. Und wir sind hier nicht bei Buffy. Und er ist kein Spike. Na toll...nach dem Vergleich finde ich ihn noch anziehender.
Vielleicht bin ich doch noch ein Schulmädchen.
„Du bist frech, Sarah", sagt er streng, schmunzelt dann aber. „Unter anderem das gefällt mir so an dir. Und keine Bange. Das Thema Rollenspiele werde ich sehr gern alsbald intensivst mit dir durchgehen." Nun ist es an ihm, zu lachen, da ich mal wieder rot werde.
Dann aber wird Luzifer ernst und sieht mich eindringlich an. „Willst du mir nicht sagen, was du eben wirklich hattest? Du sahst nicht besorgt, sondern verängstigt aus."
Schnaubend verschränke ich meine Arme, lasse sie dann aber seufzend sinken und hebe die Schultern. „Ach...Es ist eigentlich nichts. Ich habe gestern schlecht geträumt und hatte nun ein...eine Art flashback?" Ich lache auf, zu zeigen, wie albern das alles ist, doch entgegen meiner Erwartung lacht Luzifer nicht mit.
Im Gegenteil ist sein Blick von einer Eindringlichkeit, die mir ein wenig Angst macht. „Ein Traum?", fragt er. „Was für ein Traum?" Ich blinzele verunsichert und da ich nicht gern verunsichert bin, regt sich wieder Ärger in mir, sodass ich mich von ihm löse und mein Glas leere.
„Ein Traum halt. Nichts Wichtiges", erwidere ich ein wenig zickig, woraufhin Luzifer eine Augenbraue wölbt und die Arme verschränkt, dabei streng und abwartend auf mich hinabblickt.
Geht's noch? Er ist nicht mein...oh, nein, ich werde hier keine derlei Vergleiche anstellen. Darauf stehe ich dann doch nicht.
Als wisse er um meine Gedanken, geleitet Luzifer mich seufzend an einen der Stehtische und versichert sich mit einem festen Blick, dass er meine volle Aufmerksamkeit hat.
„Eure Träume sind für einige Wesenheiten meiner Welt leicht zu erreichen. Leichter, als tatsächlich stofflich in eurer Welt zu erscheinen, wenn du verstehst. Daher entschuldige bitte, wenn ich dich genauer nach dem Traum frage, doch könnte genau dies hier der Fall sein."
Sein Tonfall klingt im Übrigen ganz und gar nicht danach, als würde er sich entschuldigen wollen.
Kälte erfasst mich, als ich seine Worte sacken lasse und mit denen des Kirchlers verbinde und Bilder der verzerrten Schatten aus meinem Traum treten vor mein inneres Auge, woraufhin die äußeren kurz über den Boden huschen. Doch versuche ich, mir nichts anmerken zu lassen, insbesondere, weil Luzifer mich so intensiv betrachtet. „Gerade, wenn man bedenkt, dass du mit mir zu tun hast und erst vor Kurzem sehr deutlich in unsere Welt eingreifen wolltest..."
„Eingegriffen habe...", korrigiere ich ihn und er lächelt. „Natürlich...", sagt er, aber die Art und Weise, wie er es sagt, lässt mich die Stirn runzeln. „Etwa nicht?", verlange ich zu wissen und das Lächeln des Teufels wird breiter.
„Nun, ich habe doch gesagt, dass ich durch Zufall bei dir war?", stellt er die Gegenfrage und ich nicke langsam. „Und, dass du noch ein Wörtchen mit dem Zufall sprechen willst", ergänze ich und Luzifer schmunzelt. „Richtig. Es war so, dass ich an dem Tag jemanden treffen wollte. An einem bestimmten Ort. Einem Ort, an dem die Grenze zwischen eurer Welt und der unseren etwas durchlässiger ist, als woanders."
Ich ziehe eine Augenbraue hoch und er lächelt. „Nicht, dass wir uns dort gegenseitig sehen oder hören könnten – eigentlich – doch ist es dort ein wenig leichter, in eure Welt zu gelangen. Für andere. Ich habe damit generell keine Probleme."
Schmunzelnd nicke ich. „Natürlich nicht." Offensichtlich ohne den leichten Sarkasmus meinerseits zu bemerken, spricht Luzifer weiter. „Ich wartete und wurde schon sehr ungeduldig – und mich sollte nie jemand ungeduldig machen – da hörte ich plötzlich deine Stimme."
Faszination schleicht sich in seinen Blick, die er so offen zeigt, dass ich spüre, wie meine Wangen anfangen zu brennen und ich kurz davor bin, beschämt zu Boden zu blicken. Fast blicke ich zu Boden. Doch stur, wie ich nun mal bin, schaffe ich es, dem intensiven Blick des Teufels standzuhalten.
Denn das will er mir doch erneut sagen, oder? Dass er der Teufel ist...
„Sie war von einer so lockenden Melodie und so viel Kraft lag in ihr verborgen. Nicht nur in den Worten, die so sicher genügt hätten, einen der Dämonen dazu zu bringen, ihnen Folge zu leisten..." Er ergreift meine Hand und führt meine Finger an seine Lippen, ohne mich aus den dunklen Augen zu lassen, in denen ich meine, ein Feuer schwelen zu sehen.
„Sie verleiteten mich dazu, herausfinden zu wollen, wer die kleine Sirene ist, die in der heutigen Zeit und offensichtlich völlig ohne Scheu einen Dämon beschwören möchte. Und so folgte ich dem Sog, den du gewoben hattest."
Meine Kehle ist trocken, wie ich merke, als ich zu schlucken versuche und mein ganzer Leib steht unter Anspannung, scheint nicht nur auf diese eindringlichen Worte Luzifers zu reagieren, sondern ganz besonders auch auf dessen Körper, der eine Hitze ausstrahlt, die meinen erschaudern und sich danach sehnen lässt.
Fuck, was macht dieser Mann mit mir?
Erneut versuche ich, zu schlucken und suche meine von ihm so hochgepriesene Stimme, die aber wohl zu scheu ist, sich nach diesem Loblied zu zeigen, sodass ich nur einen krächzenden Laut von mir gebe.
Jesses, reiß dich zusammen! Das ist ja peinlich!
„Du...", beginne ich und erfreue mich eines hörbaren Klangs. „Du meinst also, dass es kein Zufall war, dass du eben an jener Stelle gestanden hast und deine Verabredung nicht auftauchte? Obwohl ja bekannt ist, wie wenig du Ungeduld aushältst?", setze ich noch ein wenig spöttisch hinzu, um der Situation die Schwere zu nehmen.
Denn die hat sie für mich inne, seit dieser unfassbar gutaussehende sexy Mann derart über mich gesprochen hat. Wenn ich das nicht unterbreche, hilft auch keine kalte Dusche mehr!
Luzifer neigt zustimmend seinem Kopf und winkt nach einem Kellner. Sehr gut. Ich kann schon wieder etwas zu trinken gebrauchen. Durch die ganze Sache hier werde ich noch zur Alkoholikerin...
„Davon gehe ich in der Tat aus", knüpft Luzifer an das Gespräch an, nachdem wir etwas zu trinken bestellt haben – er trinkt, wie klischeehaft, Whisky.
„Und wenn ich Recht habe", er macht eine kunstvolle Pause und lässt seinen Blick durch den Raum wandern, „dann war das nicht der letzte Eingriff in das Geschehen."
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