Kapitel 8
Kent 2003
„War... war das mein Vater ?", bricht die zittrige Stimme meiner Tochter durch meine Erinnerungen. Mein Atem stockt für ein paar Sekunden, als ich nun in die gleichen braunen Augen blicke, wie die seinen.
Ich nicke sanft, gefangen von der braunen Verletzlichkeit in den Augen meiner Tochter. Ihr blondes Haar, der gleiche Farbton wie meines. Außenstehende sagten, sie sähe aus wie mein Ebenbild, aber ich sah nur Séamus, wenn ich sie ansah. Es waren nicht nur ihre Augen. Es waren die Grübchen in ihren Wangen, wenn sie lachte. Die Fröhlichkeit, die sie ausstrahlte. Ihre wilde Ader und die Herzlichkeit, die sie sogar Fremden gegenüber zu zeigen versuchte. Sie sah vielleicht aus wie ich, aber ihr Herz war das gleiche wie das ihres Vaters.
„Warum hast du mir diese Geschichte nicht früher erzählt, Mum?" , fragt sie mich plötzlich sanft und greift dabei nach meiner Hand.
„Weil du mich nie darum gebeten hast, Sweetheart.", erwidere ich ebenso sanft, meine Augen auf ihre gerichtet. „Weißt du, er liebt dich Angelina, auch wenn er nichts von dir weiß.", bringe ich mit emotionsbehangener Stimme hervor. „Weil so habe ich Séamus kennengelernt."
„Aber Mum, gibt es keine Möglichkeit ihn zu finden?", fragt sie mich, wie jedes Mal, wenn wir über ihren Vater sprechen.
Ich schüttele so wie immer den Kopf und gebe ihr dieselbe Antwort. „Nein. Ich habe es jahrelang versucht. Aber ich kenne nicht einmal seinen Nachnamen, Sweetheart. Und die meisten Leute in seinem Dorf haben kein Telefon."
„Aber was ist, wenn wir dorthin fahren und nach ihm suchen?", ruft Angelina auf einmal mit einer verzweifelten Dringlichkeit in ihrer Stimme aus.
„Sweetheart...", beginne ich leise. Ich bin mir nicht einmal mehr sicher, ob er dort wohnt."
„Muss er", beharrt meine Tochter mit fester Stimme. „Wenn er mich liebt, muss er dort noch wohnen, Mum. Er würde niemals wegziehen ohne, dass ich ihn gefunden habe. Ohne, dass er weiß, wer seine Tochter ist"
Mein Herz zieht sich bei ihren Worten zusammen. Séamus wusste nicht einmal, dass er ein Kind hatte. Ihn hielt absolut nichts in Carnlough. Er könnte längst woanders wohnen. Verheiratet sein, mit seiner eigenen kleinen Familie. Doch das alles erzähle ich Angelina nicht. Stattdessen nicke ich sanft und gebe ihr die Illusion, dass sie Recht hat. Denn manchmal war es besser, in Illusionen zu leben als in der Realität.
„Siehst du?", bringt meine Tochter mit einem Lächeln auf dem Gesicht hervor, im selben Moment werden wir durch ein lautes Klopfen an unserer Haustür unterbrochen.
Ich hebe meinen Kopf und frage mich, wer das sein könnte. Ich erwartete keinen Besuch. Vermutlich war es einer meiner Nachbarn.
„Ich gehe schon.", sagt Angelina augenblicklich und springt vom Bett auf. Ihre flinken Füße tragen sie weg vom Bett. Weg von mir und raus aus ihrem Zimmer. Auf den Weg zur Haustür.
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