Meine letzte Mission
Kanan wusste, wie diese Mission enden würde. Er wünschte sich, es wäre anders... aber er wusste auch, dass es das Opfer wert sein würde.
[Kanans Gedankengang vor „Im Schutze der Nacht"]
Kanan konnte nicht genau festmachen, seit wann er es wusste. Irgendwann war dieses Gefühl einfach da gewesen, und auch wenn er eine Weile gebraucht hatte... die Teile hatten sich zusammengesetzt, und es war ihm klar gewesen.
Er konnte sich nicht genau erinnern, was sein erster Gedanke gewesen war, als das passiert war. Was hatte er gefühlt? Angst? Freude?
Es war schwer zu sagen. Aber er hatte gleich gewusst, dass ein Teil von dem, was er spürte, Veränderung war. Veränderung, die unweigerlich passieren würde.
Ob sie es wohl auch schon wusste? Hera war eine der intelligentesten Frauen, die er kannte, und deshalb konnte er nicht ausschließen, dass dem so war... aber er wusste auch nur zu gut, wie sie war. Dass sie Krankheitssymptome ignorierte, wann sie nur konnte, weil die Rebellion ihr so wichtig war, dass sie es nicht riskieren wollte, auszufallen... nicht einmal für ein paar Tage. Dass das Letzte, was sie gerade erwartete... und vermutlich auch das Letzte, was sie momentan wollte... ein Baby war, und sie deshalb vielleicht gar nicht erst auf diesen Gedanken kommen würde.
Er wusste nicht, ob sie anders darüber gedacht hätte, wenn sie gewusst hätte, dass das Baby schon existierte. Er wusste, wie sie über ihren Vater dachte... dass ein Teil von ihr ihn dafür hasste, dass er sie in ihrer Kindheit mit ihrem Schmerz allein gelassen und sich nur um den Krieg gekümmert hatte... aber hieß das automatisch, dass sie nicht genauso sein würde?
Kanan konnte sich beide Wege vorstellen. Er sah gern die Hera vor sich, die für ihr gemeinsames Kind eine so wundervolle Mutter abgab, wie sie es für Ezra und Sabine gewesen war. Aber er konnte nicht ignorieren, dass es diese zweite Seite gab... die Variante, in der das Kind ihr nicht wichtig genug war, um dafür das Kämpfen um die Gerechtigkeit in der Galaxis aufzugeben. In der sie sich in Arbeit versenkte, und ihr Kind so einsam aufwuchs, wie sie selbst aufgewachsen war. Er wollte ihr vertrauen, an sie glauben... das wollte er wirklich. Aber er wusste, dass sie sich, wenn sie die Wahl hätte treffen müssen, immer für die Rebellion entschieden hätte. Jetzt gerade war sie eher bereit zu sterben, als auch nur ein einziges Wort über die Lippen zu bringen, das die Rebellen verraten könnte. Als er gefangen genommen worden war, waren es Ezra und Sabine gewesen, die seine Rettung vorangetrieben hatten, und nicht Hera.
Das lag keineswegs daran, dass sie ihn nicht geliebt hätte... denn das tat sie, und das wusste er. Aber Hera war an erster Stelle immer Rebellin gewesen. Sie lebte nicht für sich selbst. Er glaubte nicht, dass sie das je getan hatte. Sie lebte, um anderen ein besseres Leben... eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Deshalb war sie jederzeit bereit, ihr eigenes Glück dem Gemeinwohl zu opfern. Kanan mochte von ihnen beiden der Jedi sein... aber in diesem Punkt war sie mehr Jedi, als er je sein wollte. Vielleicht machte ihn das selbstsüchtig... aber momentan konnte sich seinetwegen das Glück der ganzen Galaxis zum Imperator scheren, wenn das bloß hieß, dass er sie zurückbekommen und glücklich mit ihr leben konnte.
Er liebte sie. Mehr, als er jemals irgendjemanden geliebt hatte. Und er wusste, hätte er eine Chance dazu bekommen, das Kind kennenzulernen... so wäre es ihm bei diesem sicher genauso ergangen. Aber das würde er nicht mehr erleben dürfen.
Die Macht konnte etwas schreckliches sein. Manchmal war sie nicht gerecht, zumindest nicht aus der Sicht des Einzelnen. Seit das Imperium Hera in Gewahrsam genommen hatte, hatte er diese Visionen... von ihr, ihrem gemeinsamen Sohn, und einer Zukunft, von der er selbst nie ein Teil sein würde.
Es gab keine Möglichkeit, wie er lebend aus dieser Mission herauskam. Je mehr Zeit verging, desto sicherer war er sich dessen. Die Macht war nicht selbstsüchtig. Sie scherte sich nicht um das Glück des Einzelnen, wenn das bedeutete, die Galaxis zu einer besseren zu machen.
Er wusste, dass das der eine Moment war, in dem Hera sich vielleicht wünschen würde, dass er selbstsüchtig war. Er wusste, er könnte nicht weitermachen, wenn er sich anders entschied. Aber hätte er sie vor die Wahl gestellt, sie hätte sicher nicht gewollt, dass er sich opferte, um sie zu retten... denn, so sehr sie sich auch davor drückte, es zuzugeben, er wusste, dass der Gedanke, ohne ihn zu leben, ihr Angst machte. Aber jetzt würde sie es wohl müssen. Weil die Macht ihn letztendlich doch zu ihr rief, nachdem er dem Tod schon so oft durch die Finger geschlüpft war. Weil ein Jedi nicht selbstsüchtig sein durfte.
Das war die eine Lektion, von der Kanan hoffte, dass Ezra sie nicht lernen würde... obwohl er wusste, wie naiv das war. Sein Padawan war schon lange nicht mehr selbstsüchtig. Und er wäre jederzeit bereit, sich für die aufzuopfern, die ihm etwas bedeuteten. Die Erkenntnis, dass er das auch ohne zu zögern für ihn getan hätte, schmerzte Specter 1 im gleichen Maße, in dem es ihn tröstete.
Es war nicht fair, sie alle jetzt allein lassen zu müssen. Kanan wusste, wie sehr sie alle ihn liebten... und er betete zur Macht, oder zu was auch immer sonst zuhören würde, dass sie verstehen würden, warum er dieses Opfer bringen musste, und dass niemand von ihnen daran schuld war.
Kanan hatte Ezra die Planung der Mission übergeben müssen. Er konnte sich kaum konzentrieren, wenn er daran dachte, dass man Hera irgendwo im Imperialen Komplex gerade verletzte. Dass man seinen Sohn verletzte, und den beiden die Zeit davon lief.
Außerdem hätte er selbst immer wieder versucht, den Plan zu ändern. Auf irgendein Ergebnis kommen wollen, bei dem niemand verletzt oder getötet werden würde. Aber es würde keins geben, und ihnen würde die Zeit ausgegangen sein, ohne, dass er auch nur irgendetwas dagegen unternommen hatte.
Er wusste, was er tat. Und er war bereit dazu. Trotzdem, hätte er gekonnt, hätte er alles getan, wenn es nur hieß, sein Kind auch nur ein einziges Mal halten zu dürfen.
Kanan hoffte, dass er es ihr sagen konnte. Ihr klarmachen, dass er es wusste, und die Entscheidung für sie und das Baby getroffen hatte. Er hatte Angst, dass sie sich Vorwürfe machen würde, falls er starb, und sie dachte, dass er es nicht wusste. Sie würde auch so schon genug trauern. Er wollte eigentlich gar nicht, dass sie unglücklich war... er hasste es, sie unglücklich zu sehen. Aber vielleicht... vielleicht konnte er ihren Schmerz zumindest ein wenig lindern. Er überlegte, ob er eine Holo-Aufnahme machen sollte, um sich zu verabschieden. Würde es das für sie leichter machen? Oder nur noch schwerer?
So konnte er sicherstellen, dass sie erfuhr, dass er es gewusst hatte. Aber war das nicht zu unpersönlich? Und falls sie es noch nicht wusste... Würde er ihr nicht nur noch zusätzliche Sorgen bereiten? Und wenn sie erfahren würde, dass er gewusst hatte,was passieren würde, wenn er sie rausholte... Würde sie sich dann nicht nur noch mehr Vorwürfe machen?
Er fluchte stumm. Es war bescheuert, dass er so eine Entscheidung treffen musste. Eine Entscheidung darüber, ob es der Frau, die er mehr liebte als alles im Universum, eine Nachricht hinterlassen sollte, die ihr sagte, dass er gewusst hatte, dass er sterben würde. Es würden so viele Dinge zwischen ihnen ungesagt bleiben. Sollten er diese Nachricht nicht aufnehmen, um sich zu verabschieden, würden es noch mehr sein, als es ohnehin schon waren. Bevor er sich entschied, was er tun würde, tat er alles andere, was noch erledigt werden musste, um noch etwas mehr Bedenkzeit zu haben.
Er schnitt sich die Haare ab, so gut es eben ging, ohne dabei sehen zu können, was man tat. Wenn er schon sterben musste, wollte er wenigstens er selbst sein, wenn es passierte. Caleb Dume. Der junge Jedi, der die Order 66 überlebt hatte, und den er seitdem versucht hatte, zu verstecken und zu vergessen, weil er den Schmerz und die Pflichten und die Erinnerungen nicht gewollt hatte, die er mit sich brachte.
Aber war Kanan das nicht schon länger wieder gewesen? Die Crew hatte ihn gezwungen, wieder zu Caleb zu werden. Es war Caleb Dume gewesen, der Ezra trainiert hatte. Und es war auch Caleb gewesen, der Hera all die Jahre zuvor gerettet hatte, und in den sie sich verliebt hatte.
Wer war Kanan Jarrus eigentlich? Was war es für ein Bild, das von ihm zurückblieb, wenn er als Caleb starb? Ein verängstigter kleiner Junge, der versuchte, sich durchzuschlagen, so gut es ging? Ein junger Mann, der versuchte zu vergessen und jeden Planeten verließ, sobald das Imperium auftauchte, weil man dort dann keinen Spaß mehr haben konnte? Der über einer Bar wohnte, dessen Leben nur aus Trinken und Arbeiten bestand, bis Hera darin auftauchte?
Kanan, der dagegen war, eine Rebellion zu starten?
Kanan, der ein Rebell wurde?
Hatte Kanan überhaupt jemals existiert? War das nicht alles Caleb gewesen? Caleb, der am Leben bleiben wollte? Caleb, der versuchte, seine Existenz auszuradieren, um nicht getötet zu werden? Caleb, der sich in eine junge Twi'lek-Pilotin verliebte, die ihn dazu brachte, wieder zu sich selbst zurück zu finden? Caleb, der zum Rebell wurde?
Und letztendlich... Caleb, der Vater eines Kindes, das er nie kennenlernen würde.
Am Ende spielte es wohl gar keine Rolle, wer er von den beiden wirklich war... solange er wusste, dass das, was er tat, für seine Familie sein war. Für die gleichen Personen, in denen er ein Zuhause gefunden hatte, und die für ihn da waren, ganz egal wie sein Name lautete. Und vor allem für diejenige, die ihn aus seiner Verzweiflung herausgerissen und seinem Leben wieder einen Sinn gegeben hatte, als er keinen mehr hatte sehen können.
Es brauchte nicht mehr, als einen Moment lang an sie zu denken, um wieder ihr Lächeln vor sich zu sehen. Und das war alles, was er je gebraucht hatte, um glücklich zu sein. Die Regeln der Jedi konnten sich seinetwegen sonst wohin scheren.
»Hera... du bist das Beste, das mir je passiert ist. Auch wenn ich ihn nie treffen werde... ich werde in dem Wissen sterben, dass ich meinen Sohn beschützt habe. Dass ich dich beschützt habe... bis zum letzten Atemzug. Es tut mir leid, Liebling. Ich werde dich nie wieder ansehen können. Das hier wird meine letzte Mission sein. Und es ist zugleich die wichtigste, die ich je hatte.«
A/N: Eine Runde Emotionen, nach denen niemand gefragt hat? 😅
Okay, ja, das ist technisch gesehen schon wieder gemogelt, weil das ja auch vor dem Finale spielt... aber ich dachte, ich schmeiße das einfach mal hier rein.
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