5-1 | Ein anderer Mann
»Wie läuft es mit Frau Richter?«
Lächelnd stellte Daniel seine Kaffeetasse zurück und schaute über den Frühstückstisch hinweg zu seiner Mutter hinüber: »Ausgezeichnet.«
»Oh?«, hakte sie interessiert nach: »Was genau bedeutet das?«
Er musste an sich halten, nicht zu sehr zu prahlen und direkt mit allem herauszuplatzen. So langsam es ihm möglich war, legte er dar: »Ich habe auf deine Anweisung hin meine charmante Seite gezeigt und sie scheint doch recht empfänglich dafür zu sein. So empfänglich jedenfalls, dass sie nur zu gerne noch öfter mit mir ausgehen will.«
Seine Mutter erwiderte sein Lächeln warm: »Das freut mich. Was ist dein Plan? Willst du am Ende eine Spende tätigen oder nur öffentlichkeitswirksam eine Beziehung inszenieren?«
Kurz schloss Daniel die Augen. Für ihn gab es da überhaupt keine Frage, denn dass er einer Frau wie Mina Geld in den Rachen werfen würde, war keine Option: »Im Moment sieht es so aus, als wäre eine Beziehung eine sehr leicht zu arrangierende Sache.«
»Geht sie tatsächlich auf deine Flirtversuche ein?«, erkundigte sich seine Mutter überrascht.
Er konnte nicht anders, als bei diesen Worten zu grinsen. Ja, es war in der Tat eine Überraschung, wie empfänglich Mina für seinen Charme war, gerade nach seinen Erfahrungen während ihrer gemeinsamen Studienzeit. Sie war am Ende wohl doch seinem guten Aussehen ebenso erlegen wie die meisten anderen Frauen. Grinsend bestätigte er: »Ja, in der Tat. Und sie läuft so niedlich rot an, wenn man ein paar Anspielungen bringt.«
Ein nachdenklicher Ausdruck trat auf das Gesicht seiner Mutter: »Das ist interessant. Pass nur auf, dass sie dich nicht hereinlegt, mein Guter.«
Er schnaubte bloß: »Keine Sorge. Jemand wie die ist viel zu ehrlich, um einen Flirt vorzuspielen. Hab ich dir nicht oft genug erzählt, dass sie so anstrengend streberhaft ist? Sie hält viel zu viel von ihren eigenen Moralvorstellungen, als dass sie mit Gefühlen spielen würde."
Sie nickte abwesend: »Jaja, sei nur einfach vorsichtig.«
Kopfschüttelnd nahm Daniel die Tageszeitung in die Hand. Die Sorge seiner Mutter war absolut unbegründet. Mina reagierte aufrichtig auf seine Avancen, und er war der letzte, der sich auch nur im Mindesten für sie interessierte. So ein lächerlicher Gedanke, dass sie ihn da irgendwie hereinlegen könnte.
Während er in der Zeitung blätterte, beschloss er, die Daumenschrauben anzuziehen. In der Uni hatte er sie nicht allzu oft zu sehen bekommen, wodurch es ihr leicht gefallen war, sich ihm zu entziehen. Aber wenn er sich jetzt jeden Tag in ihrem Leben zeigte, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie ihm verfallen würde.
***
Ein Klopfen an ihrer Bürotür schreckte Mina aus ihrer Lektüre. Nachdem sie mit den von Hohensteins erste Fortschritte gemacht hatte, hatte ihre Chefin ihr erlaubt, sich wieder um ihr eigentliches Spezialgebiet zu kümmern. Konzentriert ging sie den letzten Bericht über ein Projekt, für das sie als Koordinatorin zuständig war, durch. Sie hatte wenig Ahnung von den Gegebenheiten vor Ort, doch das war auch gar nicht ihre Aufgabe. Sie war dafür zuständig, die zehn Mitarbeiter als Teamleiterin anzuführen und für jegliche rechtliche Fragen die Expertise zu liefern oder einen finanziellen Rahmen zu setzen.
»Herein«, rief sie genervt. Sie war nicht in der Laune, sich mit übereifrigen Kollegen herumzuschlagen, doch sie wusste, dass von ihr erwartet wurde, jederzeit verfügbar zu sein. Das brachte ihre Position im Verein mit sich.
Die Tür wurde vorsichtig geöffnet, dann ertönte ein: »Schlechter Zeitpunkt?«
Überrascht blickte sie auf: »Dan?«
Grinsend schob sich Daniel durch den Spalt und schloss die Tür schnell wieder hinter sich: »Deine Empfangsdame war gerade nicht da, das habe ich ausgenutzt, um ungesehen zu dir zu gelangen.«
Kopfschüttelnd erhob Mina sich von ihrem Schreibtisch: »Das ist keine Empfangsdame, sie ist eine ganz normale Mitarbeiterin. Und was willst du überhaupt hier?«
Immer noch lächelnd deutete er eine Verbeugung an: »Ich dachte, du hast vielleicht gleich Feierabend, und ich könnte dich zum Abendessen ausführen.«
»Bitte?«, entfuhr es ihr unhöflicher als geplant. Ertappt schlug sie sich eine Hand vor den Mund, doch ihr Entsetzen blieb: »Tschuldige, das sollte nicht ganz so abweisend klingen. Aber ehrlich. Was willst du?«
Seine ganze Körperhaltung strahlte selbstbewusste Arroganz auf, als Daniel den Raum durchquerte, vor ihrem Schreibtisch zu stehen kam und beide Hände flach auf der dunklen Holzplatte ablegte, um sich weit zu ihr vorzubeugen: »Du hattest mich doch dazu aufgefordert, dir zu beweisen, dass ich eine bessere Gesellschaft bin als Zimmer. Also, hier bin ich, bereit, die werte Dame erneut zum Essen auszuführen.«
Mehrmals blinzelte Mina. Wie konnte Daniel wissen, dass sie gerade dabei war, sich auf Henrik einzulassen? Sie wollte gerade anklagend etwas sagen, da fiel ihr die Unterhaltung am Mittagstisch wieder ein. Es ging gar nicht um ihre jetzige Beziehung zu Henrik. Sie hatte ihn tatsächlich spielerisch dazu herausgefordert, ihr zu zeigen, ob er nicht eine bessere Gesellschaft darstellen konnte als ihre Unifreunde. Sie schloss die Augen. Richtig. Sie hatte sich ja auf dieses Katz-und-Maus-Spiel mit ihm eingelassen, um sein Vertrauen zu gewinnen. Mühsam kramte sie ihre verspielte, flirtende Seite hervor, um sich in diese Schlacht zu werfen.
»Du hast das tatsächlich ernst genommen«, murmelte sie erheitert: »Wie schön. Dann nehme ich das Angebot doch gerne an.«
Zufrieden richtete Daniel sich wieder auf: »Hast du jetzt Feierabend?«
Rasch schloss Mina die Akte auf ihrem Tisch und verstaute sie in ihrem Schrank. Ihr Blick wanderte auf die Uhr über ihrer Bürotür: »In zehn Minuten, ja, aber das spielt keine Rolle. Lass uns gehen.«
Rasch schrieb sie einen Notiz an ihre Kollegin, die noch immer abwesend war, und klebte ihr das Post-It dann an den Rahmen ihres Bildschirms. Wann auch immer die andere Frau wiederkommen würde, so wüsste sie zumindest, dass die Teamleiterin schon außer Haus war.
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