4-2 | Katz und Maus
So zufrieden wie schon lange nicht mehr wickelte Mina die Spaghetti mit hausgemachter Pesto auf ihre Gabel. Daniel hatte sie tatsächlich erneut in dasselbe Restaurant eingeladen und ihr diesmal die Wahl der gemeinsamen Speise überlassen. Sie fühlte sich stets ein wenig schuldig, wenn sie in einem Restaurant Nudeln bestellte – immerhin konnte sie das auch daheim machen – aber Pesto von einem echten Italiener schmeckte eben immer noch ganz anders als aus dem Glas. Sie war im Himmel.
Dazu kam, dass Daniel sich tatsächlich anständig zu benehmen wusste. So häufig sie auch auf seine traditionsbewusste Familie herabgeschaut hatte, so sehr wusste sie es doch zu schätzen, dass er exzellente Tischmanieren an den Tag legte. Alleine die Art, wie er seine Gabel in der Hand hielt, wie er seine Serviette benutzte, wie er das Weinglas anhob – sie konnte nicht anders als zuzugeben, dass traditionelle Tischmanieren einem Mann gut standen.
»Also sag mir, Mina«, durchbrach Daniel schließlich das Schweigen, nachdem sie einige Minuten beide nur mit Essen verbracht hatten: »Hat René dir inzwischen einen Heiratsantrag gemacht?«
Laut stöhnte sie auf. Natürlich würde er sie von dieser Seite angreifen, nur um sie aus der Reserve zu locken. Doch sie hatte sich vorgenommen, sein Katz-und-Maus-Spiel mitzuspielen, also würde sie ihm den Gefallen tun und darauf eingehen: »Tatsächlich haben wir eine Pause eingelegt.«
Sie sagte das so ungerührt wie möglich, als sei es selbstverständlich und würde ihr nicht innerlich das Herz brechen, und das hatte offenbar den gewünschten Effekt. Mit großen Augen blickte Daniel sie an: »Eine Beziehungspause? Scheint dich ja nicht sonderlich zu berühren.«
Sarkastisch erwiderte sie: »Wenn es mich berühren würde, wäre eine Pause wohl nicht nötig, oder was meinst du?«
»Wow, eiskalt!«, entfuhr es Daniel so voller Respekt, dass Mina beinahe gelacht hätte. War ja klar, dass jemand wie Daniel es gut fand, wenn man keinerlei Gefühle in eine Liebesbeziehung einbrachte.
Kopfschüttelnd erklärte sie: »Wir denken beide, dass ein wenig Abwesenheit unsere Zuneigung zueinander wieder steigern wird. Für den Moment jedenfalls bin ich ... ungebunden.«
Das letzte Wort kam ihr schwer über die Lippen, denn noch immer konnte sie dieser neuen Realität nicht so locker ins Auge sehen. Doch so war es. Sie war Single.
»Und du?«, fügte sie rasch hinzu, um nicht weiter über diese Problematik sprechen zu müssen: »Hast du schon eine Frau an dich gekettet?«
»Hey«, entfuhr es Daniel gespielt entrüstet: »Das klingt ja so, als müsste ich Frauen dazu zwingen, mit mir auszugehen!«
Hinterhältig grinste sie ihn an: »So sollte es auch klingen.«
Er schnaubte: »Zu deiner Information, ich musste noch nie eine Frau zu irgendetwas zwingen. Wenn überhaupt muss ich sie davon überzeugen, dass ich kein Interesse an ihr habe. Ich kann mich jedenfalls vor Angeboten kaum retten.«
Lachend griff sie nach ihrem Weinglas: »Ja, das haben wir ja schon während der Uni bemerkt, mh? Du hast deine Freundinnen wirklich gewechselt wie deine Unterhosen", sie nahm einen tiefen Schluck, dann fuhr sie immer noch lachend fort: »Deswegen hat man dich auch immer nur mit – wie hieß sie noch gleich? Mandy? Marie? - an deiner Seite gesehen. Weil du so ein Weiberheld warst.«
»Woah, wer hätte gedacht, dass die kleine Streberin so eine spitze Zunge hat?«, kam es überrascht von Daniel.
Sie grinste breit: »Du hast dir nie die Mühe gemacht, dich wirklich mit mir zu unterhalten, woher solltest du das also wissen? Deine erbärmlichen Flirtversuche waren jedenfalls nicht genug, um mein Temperament zu reizen.«
Es gefiel ihr, dass Daniel sich im Laufe des Mittagessens offensichtlich entspannt hatte. Sie war darauf bedacht, vorläufig das Thema der Spende nicht noch einmal anzuschneiden, ehe sie nicht noch ein wenig in seiner Gunst gestiegen war. Und wenn das hieß, dass sie mit ihm flirten musste, würde sie das auch tun. Es machte ihr tatsächlich Spaß, ihm diese Seite von sich zu zeigen, gerade weil es ihn so aus dem Konzept brachte. Zu lange war er derjenige gewesen, der sie angeflirtet hatte, und sie hatte ihn stets abgewiesen.
»Du warst während der Uni nie sonderlich einladend", konterte Daniel, während er die letzten Reste von seinem Teller zusammenschob: »Vielleicht hätte ich mich ja richtig mit dir ... unterhalten, wenn du nicht so besserwisserisch und kalt gewesen wärst.«
Mina war nicht entgangen, wie er sie bei dem Wort unterhalten direkt angeschaut hatte, doch sie war nicht bereit, ob der Andeutung rot anzulaufen. Stattdessen erwiderte sie sarkastisch: »Genau, weil du auch noch so viel Interesse an mir hattest, nachdem du von meiner Freundschaft zu Henrik erfahren hast.«
Ein leises Lachen ertönte: »Vielleicht hätte ich dich ja davon überzeugen können, dass ich eine bessere Gesellschaft bin als Zimmer?«
Ein Schauer rann Mina Rücken hinab. Der tiefe Tonfall von Daniels Stimme sagte ihr nur zu deutlich, welche Form von Gesellschaft er meinte. Und die Tatsache, dass das letzte Mal, als sie in Henriks Gesellschaft gewesen war, jegliche Grenze überschritten hatte, machte diesen Gedanken nicht besser. Unwillkürlich fragte sie sich, ob Daniel seine anfänglichen Flirtversuche in der Uni nicht doch ernster gemeint hatte, als sie ihm unterstellt hatte. Sofort bereute sie den Gedanken. Wenn sie mit ihm spielte, spielte er vermutlich auch mit ihr. Natürlich wollte er ihr weismachen, dass seine Annäherungsversuche damals mehr gewesen waren als das typische Verhalten arroganter Schönlinge, die mit einer Abfuhr nicht umgehen konnten.
Sie wusste, sie würde es noch bereuen, aber es reizte sie trotzdem, das falsche Spiel ein wenig weiter zu treiben: »Du könntest ja versuchen, das jetzt nachzuholen.«
Schmunzelnd registrierte sie, wie seine Augen sich leicht weiteten. Ganz offensichtlich hatte er nicht damit gerechnet, dass sie auf seine Flirterei einsteigen würde. Gut so. Je mehr es ihr gelang, ihn aus der Bahn zu werfen und ihm vorzugaukeln, dass sie sich auf seinen Charme einlassen wollte, umso leichter wäre es später, ihn um den Finger zu wickeln. Am Ende würde er von sich aus die Spende tätigen wollen.
Verwunderte über sich selbst und ihre hinterhältige Art zu denken, nahm Mina noch einen Schluck aus ihrem Weinglas. Vermutlich sollte sie nicht zu viel Mitleid für Daniel empfinden. Er war ein Opfer seines Vaters, vermutlich, aber er war immer noch ein schlechter Mensch, der Henrik das Leben schwer gemacht hatte und ihr gegenüber nur noch Verachtung gezeigt hatte, nachdem sie sich auf Henriks Seite gestellt hatte. Geschah ihm nur Recht, wenn er jetzt von ihr ein wenig hereingelegt würde.
Zufrieden bemerkte sie, dass ein ganz neuer Glanz in seine Augen getreten war, als er entgegnete: »Dann werde ich mir alle Mühe geben. Vergiss nicht, dass du mich hierzu aufgefordert hast, Mina, und beschwer dich später nicht über die Nebenwirkungen!«
Sie kicherte. Daniel war so ein typischer Mann – konnte keine Herausforderung ablehnen, konnte nicht widerstehen, wenn eine Frau sich empfänglich für seinen Charme zeigte. Oh ja, er würde sein blaues Wunder erleben.
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