Kapitel 5: Strahlend wie Berylle


Der Prinz lief an der Wache vorbei, ohne auch nur ein kleines bisschen auf den Mann zu achten, sein Fokus lag im Moment nur darauf, dass es Legolas wieder besser geht. Und er hörte das erleichterte Aufatmen, als der durch die Tür des Hauses zurück an das Licht kam.

Legolas streckte zitternd seine Hände in Richtung Sonne, als würde er die Strahlen berühren können und Aragorn wusste, dass es sich für ihn so anfühlte, als könnte er es. In seinem Ausdruck lag Erleichterung und Sehnsucht, während er sein Gesicht in dem Licht badete und mit geschlossenen Augen die samtige Wärme auf seiner Haut genoss.

Und erst jetzt fiel Aragorn auf, dass sein Elb in nichts anderem gekleidet war, als einem weißen Baumwollhemd, was ihm bis zu den Knien reichte, aber in der Dunkelheit des Raumes hatte er es nicht gesehen. Ohne zu zögern zog er das Überhemd seiner Tunika aus und legte es Legolas um die Schultern.

„Legolas... ich hatte solche Angst um dich... ich war überall, jeden Tag, ich versuchte dich zu finden, ich war völlig verzweifelt... Es tut mir leid, dass ich so lang gebraucht habe, es tut mir so unendlich leid...", sagte er und der Elb umarmte ihn sofort.

„Aragorn... es ist egal, du bist jetzt hier, mir wird es wieder gut gehen, es ist in Ordnung", antwortete er leise und verbarg seinen Kopf am Hals seines Geliebten und er drückte einen sanften Kuss auf die Haut dort.

„Dich wieder bei mir zu haben... ich habe nichts mehr gewollt", hauchte der Prinz und küsste Legolas einen langen Moment liebevoll auf die Stirn. „Ich habe deinem Vater einen Brief geschrieben... Ich bat ihn um Hilfe, weil ich so verzweifelt war, dich nicht zu finden", fügte er hinzu und sah den leicht geschockten Blick des Elben.

„Du hast ihm geschrieben? Also hast du ihm auch von uns erzählt? Was hat er geantwortet?", fragte Legolas, unsicher, ob er die Antwort hören wollte, aber ein Lächeln seines Geliebten beruhigte ihn.

„Ich habe ihm von uns erzählt, und er sagte, dass er sich niemals anmaßen würde, sich in Angelegenheiten deines Herzens einzumischen, weil er weiß, dass du nicht grundlos liebst, er schrieb, dass er es ohne zu zögern annimmt...", sprach Aragorn und war glücklich über das Lächeln, dass nun Legolas' Gesicht erhellte. „Und er wird in ein paar Tagen hier sein und uns helfen... Dann können wir mit ihm zum Grünwald reiten, wie wir es wollten", redete er weiter, woraufhin der Elb glücklich nickte und immer noch nicht fassen konnte, dass das gerade alles passierte und kein Traum war.

Seine Finger kräuselten sich um den Stoff von Aragorns Hemd und er atmete wieder den vertrauten, geliebten Geruch des Mannes ein. Er wusste nicht, wie lang sie in dieser engen Umarmung blieben und einfach nur zu überwältigt waren, sich wiederzusehen, um etwas zu sagen, doch dann durchfuhr Legolas ein Gedanke. Er nahm seinen Kopf von der Schulter des Prinzen, damit er ihn ansehen konnte, aber löste die Umarmung nicht.

„Aragorn... Wir können sicher nicht zurück zum Palast... Aber wo gehen wir dann jetzt hin?", fragte er vorsichtig und hielt seinen Blick auf die mondgrauen Augen gerichtet, die er über alles liebte.

Der Mann hatte noch nicht darüber nachgedacht und musste betrübt feststellen, dass er keine Ahnung hatte. „Ich weiß es nicht, Legolas, jeder Ort, der mir einfällt, wäre ein Risiko von meinem Vater gesehen zu werden, seine Wachen sind ihm treu, deshalb sind seine Augen überall", antwortete er und seufzte resigniert. Der Elb ließ seinen Kopf wieder gegen seine Schulter fallen und Aragorn strich ihm sanft durch das goldene Haar.

„Wir werden bestimmt noch einen Ort finden", gab er hoffnungsvoll zurück und ließ sich in die liebevolle Berührung sinken.

Doch plötzlich schreckten sie beide hoch, als sie eine Stimme neben sich hörten. „Ich habe in meinem Haus ein Zimmer frei, es gehörte früher meinem Sohn, der aber vor vielen Jahren verstorben ist, falls ihr dortbleiben wollt, werde ich euch Hilfe anbieten." Es war die alte Dame, mit der Aragorn schon vorher sprach.

„Wenn es Ihnen nichts ausmacht, wir würden es mit sehr großem Dank annehmen", antwortete Aragorn erleichtert.

Legolas sah verwirrt zu seinem Geliebten auf, um zu sehen, ob man der Frau wirklich vertrauen konnte, doch der Prinz schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln. „Sie hat mir einen Hinweis gegeben, dich zu finden, ohne sie wärst du jetzt nicht hier, also keine Angst, wir können ihr vertrauen."

Die Frau lächelte ebenfalls warm und deutete den beiden ihr zu folgen. Sie führte sie in ihr Haus, welches an der Ecke der Gasse stand, in das besagte Zimmer. Es war nicht sonderlich groß, aber liebevoll eingerichtet. Es gab ein hölzernes Bett, davor lag ein weinrot gewebter Teppich und durch ein großes Fenster mit hellen Vorhängen fiel das Licht der Sonne herein, das den Raum eine gemütliche Atmosphäre verlieh.

„Es ist nicht besonders groß, aber mein Sohn mochte dieses Zimmer immer sehr. Wenn ihr etwas braucht, sei es Tee oder eine Mahlzeit, braucht ihr nur zu fragen", sprach die ältere Dame sanft.

„Es ist mehr, als wir je verlangen könnten. Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll, wirklich, das ist...", wollte Aragorn antworten, doch die Frau unterbrach ihn.

„Es ist keiner Rede wert. Sie haben der Stadt und dem Volk schon so viel Gutes getan, mein Prinz, das hier ist nichts dagegen. Ich bin es, die stattdessen danken müsste", sagte sie und in ihrer Stimme war die Aufrichtigkeit der Worte zu erkennen.

„Trotzdem gebührt Ihnen auch unser Dank", warf nun Legolas ein und schließlich nickte die Dame anerkennend.

Sie ging wieder zurück zur Tür. „Ich werde euch gleich eine Kanne Tee und etwas zu essen bringen, ihr seht hungrig aus", sagte sie noch und verließ den Raum.

Aragorn wandte sich wieder an Legolas, der seine Hände auf das Fensterbrett gelegt hatte und zur Sonne schaute. Der Elb schaute lächelnd zu seinem Geliebten, als dieser den Arm um seine Taille legte und sich neben ihn stellte. „Legolas, ich weiß nicht, ob es der richtige Zeitpunkt ist oder du es überhaupt erzählen willst, aber... was hat mein Vater dir angetan?", fragte er sanft und beobachtete, wie der Elb seinen Blick wieder auf Himmel richtete.

Er dachte erst, dass Legolas es womöglich nicht jetzt sagen wollte, da er nicht direkt antwortete, schließlich schluckte er aber und begann.

~*~

Sie nahmen die bewusstlose Gestalt vom Rücken des Pferdes herunter und brachten sie in den Keller eines alten Hauses, das am Ende einer Gasse stand und seit vielen Jahren unbewohnt war. Die Treppe hinunter legten sie den Elben auf den kalten Steinboden eines Raumes, bis sie die große Eisentür verschlossen und ihn allein ließen.

Als Legolas seine Augen öffnete, sah er nichts anderes als Dunkelheit. Eine erdrückende, schwarze Finsternis, nicht einmal seine Elbenaugen waren fähig einen Lichtstrahl wahrzunehmen. Unter seinen nackten Füßen schien nur kahler, feuchter Stein zu sein und auch die Wände des Raumes fühlten sich unter seinen Fingern steinern an.

Es roch modrig und stickig, aus einer Richtung erklang immer wieder das Tropfen von Wasser. Er ging auf das Geräusch zu, das Wasser musste von der Decke kommen, wo es durchsickerte. Legolas tastete die Wände weiter ab, bis er an etwas metallisches kam, das musste die Tür sein. Er konnte kein Schlüsselloch fühlen, aber weiter oben ein paar Stäbe, die wahrscheinlich ein kleines Fenster waren, was auf und zugeschoben werden konnte.

Plötzlich hörte er jedoch Schritte von außerhalb des Raumes, also setzte er sich schnell wieder an die Wand und wartete. Dann wurde das kleine Fenster aufgeschoben und ein winziger, schwacher Lichtstrahl drang herein, für Menschenaugen kaum sichtbar, dann ertönte ein Klirren und die Tür wurde geöffnet.

Im Schein einer Fackel traten zwei Männer herein, der erste schien eine Wache zu sein und dahinter folgte Arathorn. Die Wache verließ den Raum wieder und verschloss die Tür hinter dem König.

„Elben... sonst so mächtig und erhaben und du sitzt hier, zusammengekauert wie ein ängstliches Kind", stellte er fest und steckte die Fackel in eine Halterung an der Wand. Er blieb einige Schritte vor Legolas stehen, der nicht antwortete und auch seinen Blick starr von ihm abwandte.

„Weißt du, meine Frau war eine Elbin, sie unsterblich und ich nicht, fast wie in den Geschichten von Beren und Lúthien... Aber nicht ich war es, der zuerst starb, sondern sie. Mir war klar, dass meine Jahre hier begrenzt sind, wenn auch nicht so eng, wie die von anderen Menschen, da ich das Glück habe, von der Dúnedain-Linie abzustammen, aber irgendwann werde ich eben doch gehen müssen, sie wusste es, wie ich", begann er und hielt kurz inne, um die Reaktion des Elben zu beobachten, der ihn aber nach wie vor nicht ansah.

„Nun, ich nahm sie mir als Frau und von dem ersten Mal, als ich sie sah, verzauberte sie mich mit ihrer Schönheit. Ihr langes Haar, dunkel wie der Schatten eines mächtigen Baumes, ihre Augen glichen dem Smaragdgrün der Wiesen im Frühjahr, ihr Gesicht zart, wie ihre rosigen Lippen. Es scheint, dass nahezu einem jeden Elben das Geschenk solch beinahe unnatürlicher Schönheit gegeben wurde, bei uns Sterblichen gibt es nur extrem wenige, die eine solche Anmut besitzen", fuhr er fort und stieß einen ausschweifenden Seufzer aus. Legolas beachtete ihn nicht wirklich, fragte sich nur, was der König mit dieser Geschichte, die er ihm erzählte, erreichen wollte.

„Als ich hörte, dass es Gerüchte in der Stadt gibt, wurde ich natürlich sofort hellhörig. Man sagte, man hätte den Prinzen mit einer Frau gesehen, deren langes Haar so rein wie Seide und glänzend wie Gold über ihre Schultern fiel und sie soll ein weißes Kleid getragen haben, heller strahlend, als die zahlreichen Sterne am Nachthimmel. Und was soll ich sagen... ich kenne mein Volk und ich wusste darum, dass es kein Mädchen von solcher Schönheit in dieser Stadt gibt, noch dass Sterbliche jemals eine solche Attraktivität besitzen könnten. Als Aragorn mir dann sagte, er wollte auf Reisen gehen, einfach so, mir war von Anfang an bewusst, dass etwas dahintersteckt, aber ich ließ ihn gehen, weil ich wissen wollte, wer diese wunderschöne Elbin ist", sprach er weiter, sein Ton überraschend ruhig, beinahe freundlich.

„Meine Ritter sind vorgeritten, und dann kamen sie auf einmal zu mir zurück und berichteten mir davon, was sie sahen. Und es war keine Elbenfrau, von der sie sprachen, sondern du." Das letzte Wort klang abwertend und Arathorn griff nach Legolas' Kinn, um den Blick endlich auf seinen zu richten.

„Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass du nicht auch eine unglaubliche Schönheit besitzt, aber es gibt eine Frage, die ich dir stellen möchte, Elb: Wie konntest du es wagen, diese Anmut zu benutzen, um meinen Sohn zu verführen und ihm seinen Verstand zu rauben?", spuckte er und beobachtete Legolas' trotzigen Ausdruck, der seine Lippen zusammenpresste, nicht beabsichtigte, zu antworten.

Einige Augenblicke war es still, doch Arathorn schien die Geduld zu verlieren. „Ich habe dir eine Frage gestellt!", schrie er, ließ das Kinn los und stand wieder auf, doch Legolas schwieg weiter. „Du wirst mir jetzt sofort antworten, sonst wird es dir später noch leidtun!", fügte er hinzu und er hatte schon den Gürtel von seinem Gewand gezogen, bereit den Elben damit zu verletzen.

Legolas Augen fixierten sich auf ihn und schließlich sprach er doch. „Ich habe ihn nicht verführt und schon gar nicht mit meiner Schönheit, was uns verbindet geht tiefer, tiefer als deine begrenzten Gedanken in deinem sterblichen Kopf jemals verstehen könnten", sagte er knapp mit fester Stimme, machte sich nicht die Mühe den König höflich anzusprechen.

Arathorn lachte hämisch und lief wieder zu ihm. Die Worte des Elben waren natürlich nicht das was er hören wollte. Gerade als er zum Schlag ansetzten wollte, redete Legolas aber weiter und er stoppte.

„Ich liebe ihn und wenn du mich schlagen willst, dann tu es, aber es wird nichts daran ändern. Wenn du mich töten willst, dann tu es, doch an unserer Liebe wird auch das nichts ändern und genauso kann ich dir versprechen, dass dein Sohn dich danach nie wieder sehen will. Also, König von Gondor, worauf wartest du?", sprach er eisern, als gäbe es keine Angst, obwohl er in einem Raum ohne natürliches Licht vor jemandem stand, der kurz davor war ihn zu verletzen. Nur war er sehr gut darin, diese Furcht zu überspielen und in diesem Moment gelang es ihm beinahe perfekt.

„Du erlaubst es dir, so mit mir zu sprechen, Elb? Ich bin nicht irgendein dummer Sterblicher, ich bin der König von GONDOR!", gab Arathorn mit erhobener, wütender Stimme zurück und holte erneut aus. Legolas rollte sich auf dem Boden zusammen und ließ die Schläge über sich ergehen, ohne jemals einen Laut von sich zu geben.

Als Arathorn schließlich zufrieden war verließ er die Zelle wieder und Legolas blieb regungslos auf dem kühlen Stein liegen.

~*~

„Er hat dich geschlagen?!", sagte Aragorn fassungslos und stützte den Kopf vor Entsetzen in seine Hände, doch der Elb strich ihm beruhigend durch die kastanienbraunen Locken.

„Es sind nur blaue Flecke, Aragorn, ich bin ein Elb, sie werden schnell heilen. Und die Schläge waren nichts gegen diese erdrückende Dunkelheit, in der ich dann tagelang allein war, denn dein Vater kam danach nicht mehr wieder", flüsterte Legolas sanft und war froh, als die mondgrauen Augen des Mannes seine trafen und er aufschaute.

„Aber trotzdem, Legolas, er hat dich verletzt!", antwortete er mit besorgter Stimme und der Elb umarmte ihn.

Er sprach leise in Aragorns Ohr und hielt seine Arme fest um seinen Hals geschlungen. „Es ist jetzt egal, du hast mich gefunden, mir geht es gut und es ist jetzt vorbei, mach dir keine Sorgen, Anor nîn (meine Sonne)."

Der Prinz küsste ihn liebevoll auf sein blondes Haar und vergrub seine Nase darin, es wunderte ihn, wie es immer noch so rein und perfekt riechen konnte, obwohl Legolas so viele Tage nur in einem stickigen Keller war. Er hatte diesen Geruch schon immer geliebt, es roch nach einem frischen, grünen Frühlingswald, der in den ersten Sonnenstrahlen des Morgens erwacht und der Tau von den kleinen Blättern tropft und wie kleine schimmernde Perlen auf den Boden fällt. Für ihn bedeutete es einfach Freiheit und Unbeschwertheit, denn jedes Mal, wenn er bei Legolas war, wurde nur von Glück, Freude und Liebe erfüllt und vergaß die Belastungen seines Alltages völlig. Der Elb schaffte es immer, ihm ein Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern und wenn Aragorn ihn brauchte, war er da, hörte zu und half wo immer er konnte.

Etwas später brachte ihnen die alte Dame eine Kanne mit Früchtetee und einen Teller mit frisch gebackenen Keksen, die einen himmlischen Duft hatten und sogar noch leicht dampften, da sie gerade erst aus dem Ofen kamen. Sie schmeckten mindestens genauso gut, wie sie sie aussahen und dufteten.

Als der Elb dann am Abend schließlich bevor sie zu Bett gingen sein Hemd auszog, fiel Aragorns Blick auf die Blutergüsse am Rücken. Er ging zu seinem Geliebten und strich mit federleichter Berührung über die Verletzungen. „Legolas...", er seufzte leise, „Soll ich das wirklich nicht behandeln?"

Legolas drehte sich zu ihm um und sofort nahm der Prinz sein Gesicht in beide Hände. Der Elb lächelte und umfasste die Hände mit seinen. „Ich kann es aushalten, es ist in Ordnung, wirklich", bestätigte er sanft und wurde daraufhin in einen brennenden Kuss gezogen. Er vergrub seine Finger in Aragorns braunen Locken und antwortete mit gleicher Leidenschaft. Der Mann lief rückwärts, bis seine Kniekehlen auf die Bettkante trafen und zog Legolas mit sich, als er auf die Matratze fiel.

Lachend lagen sie in den Armen des anderen auf dem Bett und küssten sich noch einmal liebevoll, bis sie in einen tiefen, erschöpften Schlaf glitten.

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Ich glaube das Königsmordbedürfnis wächst mit jedem Kapitel... 😂

Und noch eine kleine Frage:
Wenn ihr euch einen Ort in Mittelerde aussuchen könntet, den ihr gerne Mal besuchten würdet, welcher wäre es? 

Morgen kommt dann also das letzte Kapitel... Die Geschichte ist im Gegensatz zu meinen anderen sehr kurz, aber als Oneshot eben wieder zu lang... Naja 😂😂

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