Kapitel 2
{Ebony}
Mein Gesicht spiegelt sich kurz auf der polierten Oberfläche des absurd großen Messingschilds, das an der Eingangstür zur Kanzlei hängt.
Mein Name prangt in verschnörkelten Buchstaben darauf.
Seelenkanzlei
Ebony Fields & Partner
Jedes Mal, wenn ich meinen Namen auf diesem scheiß dekadenten Schild lese, möchte ich kotzen.
Ich betrete den Altbau und gehe die Treppe hinauf zur Kanzlei.
Ich drücke die schwere Holztür auf und Ada, die Empfangsdame, hebt den Kopf.
"Ms. Fields! Guten Morgen!",frohlockt sie und ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie sie es schafft, mit einer solch guten Laune hier zu sitzen.
Ada ist Mitte vierzig und klein. Kleiner als ich, das allein ist schon eine Kunst. Sie kann gerade so über den Mahagoniempfangstresen blicken.
Ihre leicht ergrauten dunklen Haare stehen zu allen Seiten ab. Doch aus irgendeinem Grund steht ihr das unheimlich gut. Jeder andere würde aussehen wie der Hutmacher. Wahnsinnig.
Ada ist die Freundlichkeit in Person.
Sie hat etwas großmütterliches, obwohl es nicht ihrem Alter entspricht.
"Sie sehen müde aus, Kindchen. Ich bringe ihnen einen Kaffee",sagt sie flötend und erhebt sich.
Es macht größentechnisch kaum einen Unterschied ob sie sitzt oder steht.
"Danke, Ada",sage ich, klopfe mit der flachen Hand auf den Tresen und gehe dann den Flur entlang zu meinem Büro.
"Oh, Ms. Fields! Sie haben Besuch!",ruft Ada mir nach und ich runzle die Stirn.
Ein Blick auf meine Uhr sagt mir, das es sich bei dabei nicht um den neuen Klienten handeln kann.
"Wer ist es?",will ich wissen und Ada lächelt verschmitzt und zwinkert mir zu, was mich noch mehr irritiert.
Sie antwortet nicht, weshalb ich gerade die Klinke meiner Bürotur herunterdrücken will, als Kyle seinen Kopf aus seinem Büro steckt.
"Jo, Ms. Fields",sagt er und ich verdrehe die Augen.
Kyle ist einer meiner Partner und es ist mir ein Rätsel, wie er es schafft am Leben zu bleiben. Wäre ich der Teufel, hätte ich ihm längst den Hals umgedreht
Kyle ist fahrig, unzuverlässig, faul, anmaßend und kindisch. Diese Kombination sorgt dafür, das er mich regelmäßig zur Weißglut bringt.
Manchmal taucht er gar nicht erst bei der Arbeit auf. Dann hat er sich meistens so dermaßen zugedröhnt, das er nicht mehr weiß, wo oben und unten ist.
Doch wer kann es ihm verübeln? Für den Teufel zu arbeiten ist halt auch kein Blümchenpflücken.
"Sie sehen heute wieder richtig heiß aus",sagt Kyle.
Ach ja genau, ich vergaß zu erwähnen, das Kyle sich für den größten Frauenheld auf diesem, und vermutlich auf allen anderen, Planeten hält.
Und daraus macht er auch keinerlei Hehl.
Vielleicht ist es auch das, was mich so an ihm nervt.
"Was kann ich für dich tun, Kyle?",frage ich genervt und Kyle feixt. Augenblicklich bereue ich meine Wortwahl.
"Oh da wüsste ich einiges, Ms. Fields",sagt er süffisant und ich mache ein lautes Würgegeräusch.
Kyle drückt sich theatralisch eine Hand an die Brust.
"Das tat weh!",jammert er gekünstelt und zieht sich lachend in sein Büro zurück.
Was für eine bereichernde Konversation an diesem morgen.
Ich schüttle den Kopf und öffne die Tür zu meinem Büro.
"Alice!",rufe ich freudig aus und falle meiner besten Freundin in die Arme.
"Wie schön dich zu sehen!",sage ich und drücke sie lächelnd ein Stück von mir, "Du siehst toll aus!"
Alice ist seid meinem 16. Lebensjahr meine beste und einzige Freundin.
Wir haben gemeinsam die Ausbildung zur Seelensammlerin absolviert und sind seither unzertrennlich.
Wir sehen uns nicht so oft, da sie in einem anderen Bezirk arbeitet. Doch wir haben täglich Kontakt.
"Danke! Ich würde ja sagen, du auch, aber das wäre gelogen. Was zum Teufel sind das für Monsteraugenringe, Ebbie?",erwidert Alice und fuchtelt mit ihren Händen vor meinem Gesicht herum.
"Witzig",sage ich und umrunde meinen Schreibtisch, um mich auf den Drehstuhl fallen zu lassen.
"Bist du nur hier, um mich daran zu erinnern, das mein Leben die Hölle ist?",frage ich und versuche dabei nicht zu ernst zu klingen.
"Red nicht so eine Scheiße!",sagt Alice und schüttelt ihre grün gefärbten Locken.
"Was verschafft mir dann diese seltene Ehre?",frage ich grinsend und verschränke geschäftig meine Hände vor meiner Brust.
"Ich hab dich vermisst, Ebbie!",sagt sie, doch ich weiß, dass das nicht alles ist.
Sie verschweigt mit etwas. Ich sehe es ihr an.
Skeptisch lege ich den Kopf schief.
"Spucks schon aus, Alice",sage ich und Alice hebt beschwichtigend die Hände.
"Ich weiß nicht, wovon du sprichst!",erwidert sie und greift auf meinem Schreibtisch nach Stift und Papier.
Sie kritzelt etwas auf das Blatt und hält es mir dann unter die Nase.
Nicht hier!
Ich kräusle die Stirn.
"Hast du Lust nachher mit mir ins Black Leaf zu gehen?",will sie wissen und ich nicke.
"Klar! Kann's kaum erwarten",erwidere ich wahrheitsgemäß.
Ich bin sehr neugierig, was Alice mir so wichtiges zu erzählen hat, das wir es nicht in meinem Büro besprechen können.
"Hey Rob! Machst du uns zwei Bier, bitte?",rufe ich dem Barkeeper des Black Leafs zu.
"Für dich doch immer, Nachtigall",antwortet er zwinkernd und macht sich ans Zapfen, während Alice und ich uns am Tresen niederlassen.
Das Black Leaf ist unsere Stammkneipe. Hier habe ich auch regelmäßig Auftritte mit meiner Band Daddy's Pride.
Ja, den Namen habe ich ausgewählt.
Ich bin Frontsängerin. Wir spielen hauptsächlich Metal.
Für mich ist es ein Ventil für meine Wut.
Auf alles und jeden.
Die Angestellten der Bar haben mir direkt nach unserem ersten Auftritt den Spitznamen Nachtigall verpasst.
Er hält sich bis heute wacker.
"Und, was ist es, was du mir in meinem Büro nicht sagen konntest?",frage ich neugierig und lehne mich mit meinen Ellenbogen auf den Tresen.
"Wieso eigentlich nicht?",füge ich hinzu, während ich das Bier von Rob entgegen nehmen und ihm dankbar zunicke.
"Vielleicht sollten wir uns woanders hinsetzen",sagt Alice und sieht sich verunsichert um.
"Was ist denn los?",frage ich und so langsam fühle ich mich unwohl. Alice tut nie so geheimnisvoll. Sie ist direkt und frei heraus.
"Komm",sagt sie, greift sich ihr Bier und meinen Ärmel und zieht mich hinter sich her zu einem Tisch in der hintersten, dunkelsten Ecke der Kneipe.
Endlich scheint Alice zufrieden zu sein und ich klopfe ungeduldig mit den Ringen an meinen Finger auf den Tisch.
"Jetzt spann mich nicht so auf die Folter!",sage ich und nehme einen Schluck von meinem Bier.
Alice beugt sich zu mir und verschränkt ihre Finger ineinander.
"Es geht um Azrael",sagt sie und sämtliche Farbe weicht aus meinem Gesicht.
"Genau genommen um Ivory. Sie ist nämlich verschwunden und Luzifer ist stinksauer."
Ich lege irritiert meine Stirn in Falten.
Was interessiert es den Teufel, wo Azraels Jugendliebe hin ist?
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