Kapitel 2
Jil
Langsam schlendere ich über den Schulhof. Dass dies der erste Schultag ist, ist den meisten Schülern regelrecht anzusehen. Verübeln kann ich es ihnen aber keinerseits. Viel eher kann ich es verstehen. Schließlich habe ich diesem Tag auch nicht gerade mit großer Freude entgegengefiebert und heute Morgen hätte ich auch gerne noch ein paar Stunden länger im Bett liegen bleiben können.
So aufmerksam wie man an einem Montagmorgen nur irgendwie sein kann, lasse ich meinen Blick durch die Menschenmenge wandern. Mich auf die Suche nach meinen Freundinnen zu machen, ist das Erste, was mir in diesen frühen Stunden einfällt.
Ohne irgendwie eingebildet zu wirken, kann ich sage, dass es auf dieser Rich – Kids – Schule einige Leute gibt, mit denen ich mich ziemlich gut verstehe. Als beste Freundinnen würde ich jedoch nur einzelne Personen betiteln. Zu dieser Gruppe gehören Tessa Grayham, die es irgendwie schafft die Königin der Schule zu sein und gleichzeitig von einigen als Schlampe tituliert zu werden, und Thalia Grey, der wohl bestgelaunteste Mensch, den ich kenne. Zwar verstehe ich mich auch mit Raven Fabray, der Tochter eines Fotografen und einer bekannten Designerin, doch in letzter Zeit hat sie sich irgendwie von unserer Gruppe abgekapselt.
Mein Blick bleibt allerdings an keiner meine Freundinnen, sondern an jemand ganz anderem, hängen. Es ist Hope Carrington, die Tochter unseres Direktors. Ihr hellbraunes Haar, das ihr etwa bis zu den Schulterblättern geht, fällt ihr über die Schultern und auch wenn sie mich nicht ansieht, muss ich automatisch an ihre leuchtend blauen Augen denken.
Schon bei unserem ersten Treffen im letzten Jahr sind sie mir direkt aufgefallen und haben sie damals regelrecht in meine Erinnerungen eingebrannt. Seitdem hatten wir aber nur noch flüchtigen Kontakt, was mich irgendwie betrübt.
Sie hat mich von Anfang an auf eine Art beeindruckt, die ich vorher nicht kannte. Sie stand schon vom ersten Moment an so stark und ohne Zweifel zu sich, dass ich nichts anderes tun konnte, als ein wenig eifersüchtig zu sein. Denn Hope ist homosexuell und geht damit so offen um, als wäre es nichts Besonderes. Sie hat es ihrem Vater schon vor Jahren erzählt und hat sich dann auch wenige Zeit später öffentlich geoutet.
Schnell wende ich mich ab und versuche das Thema aus meinen Gedanken zu verbannen. Das ist etwas, worüber ich gar nicht nachdenken sollte. Schließlich bin ich doch zu einhundert Prozent hetero. Ein leises Stimmchen in meinem Kopf beginnt zu protestieren, doch ich versuche es einfach zu ignorieren. Leider ist das gar nicht so leicht. Ich wende mich von ihr ab und versuche mich irgendwie auf neue Gedanken zu bringen.
Ich schiebe mich durch die Menge, um einen Platz zu finden, an dem ich möglichst ungestört sein kann. Auf ein Zusammentreffen mit Tessa brauche ich gar nicht erst zu hoffen. Mit Sicherheit kommt sie mal wieder zu spät. Angewöhnt hat sie sich das, nämlich schon vor Jahren.
Plötzlich ertönt die Schulklingel. Ist es denn schon so spät? Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr. Tatsächlich sind es nur noch fünf Minuten, bis die erste Stunde beginnt. Die anderen Schüler machen auch auf den Weg zu den Eingangstüren. Ich gliedere mich in den entstandenen Schülerstrom ein und mache mich auf zu meinem Spind, um die schwersten Bücher dort abzulegen und erst nur die zu behalten, die ich für die nächste Stunde, Mathe, brauche. Dann gehe ich ins Klassenzimmer. Trotzdem bin ich seit ich Hope gesehen habe, nicht ganz bei mir. Hoffentlich schaffe ich es, mich im Unterricht abzulenken.
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