XXIV

Kapitel 24

Roxy und Lee verbringen die restliche Zeit bis zum Meeting noch bei uns. Wir reden sehr viel während wir zusammen auf der Couch sitzen, so erfahre ich zum Beispiel, dass die beiden ebenfalls Waisen sind. Sie wurden kurz nachdem ihre Eltern bei einer Forschungsmission im Himalaya umgekommen sind (sie waren anscheinend Wissenschaftler) von der Agentur angeworben und ebenso wie Edward sehr früh ausgebildet. Anscheinend suchen die sich nur verzweifelte Leute ohne Familien aus.

Ebenfalls bemerke ich, dass de beiden eine wirklich starke Verbindung zueinander haben, was ich wirklich bewundernswert finde, da sie sich eigentlich gar nicht so sehr ähnlich sind, wie ich am Anfang dachte. Lee wirkt viel gelassener und ruhiger, während Roxy eher quirlig und aufgeregt ist. Es scheint auch so, als wäre Lee deutlich emotionaler, was bei Roxy nicht der Fall ist, sie ist etwas taktlos.

Ich frage Roxy auch einige Male über die Mission aus, die Edward und ich heute Abend bekommen sollen, doch sie möchte mir nichts verraten. Nicht so cool. Am Nachmittag beginnen Edward und ich wie jeden Tag zu kochen, während Roxy und Lee Fernsehen gucken. Inzwischen würde ich schon sagen, ich wäre ein Fünf-Sterne-Koch, was Edward aus irgendeinem Grund zu verneinen scheint. Könnte daran liegen, dass ich mich in den letzten Wochen schon um die drei Mal ein den Finger geschnitten, zwei Teller und einen Mixer geschrottet habe, von meinen Verbrennungen nicht zu reden.

Eventuell bin ich etwas ungeschickt. Aber auch nur eventuell.

Nachdem wir vier fertig gegessen haben, machen wir uns schon auf den Weg zum Hauptquartier, um pünktlich um sieben Uhr da zu sein. Zwar hat Edward inzwischen schon ein neues Auto, doch als ich vorschlage, damit zu fahren, schauen mich alle entgeistert an, da dieser Weg angeblich vollkommen zu laufen sei. Wahrscheinlich ist das eine meiner Macken, dass ich immer und überall fahren möchte, da ich als Kind nie gefahren wurde. Da musste eben der Bus oder meine Füße herhalten.

Glücklich darüber, dass es warm ist und ich abends immer noch ein Kleid tragen kann, verlasse ich also mit den anderen dreien das Haus. Von Schritt zu Schritt werde ich immer aufgeregter, immerhin werde ich vielleicht bald etwas Gefährliches machen. Wie in einem Actionfilm. Das hoffe ich zumindest, denn wenn die Mission langweilig und ungefährlich ist, wäre ich ziemlich enttäuscht. Aber würden sie dann auch so ein großes Drama darum machen? Wäre sie dann überhaupt wichtig?

Wie schon erwartet kommen wir pünktlich im Konferenzzimmer an, wo schon Isabelle sitzt und auf uns wartet. ,,Oh, das ist ja schön, dass ihr alle gleichzeitig kommt, Philipp und Jonas kommen nämlich sowieso nicht. Wir können also sofort beginnen", begrüßt sie uns, weswegen wir uns an den großen, braunen Tisch setzen. Sobald ich neben Edward und Lee Platz genommen habe, nickt Isabelle Roxy zu, woraufhin diese aufsteht und aus ihrer Tasche eine Mappe kramt, die sie auf den Tisch legt.

,,Also", beginnt sie an mich und Edward gerichtet zu erzählen. ,,In unserer Undercoverzeit bei E.A.T.E.R. haben Jonas, Philipp und ich folgendes herausgefunden: Sie machen jedes Jahr in den Sommerferien eine Führung für kluge, zukünftige Zwölftklässler, die an einem Pharmaziesudium interessiert wären. Dabei zeigen sie ihnen ihre Räumlichkeiten, Labore und andere Dinge. Orte, an die wir nicht gelangen, da wir im Marketing und der Verwaltung arbeiten, immerhin hat keiner von uns eine Ahnung von Pharmazie. Hier kommt ihr beide ins Spiel. Felicia ist sogar eine Zwölftklässlerin, weswegen sie auch eine sein wird. Edward, du müsstest dann Felicias Vater spielen."

Ich gebe mein bestes, bei dieser Aussage keinen lauten Lachanfall zu bekommen, klatsche jedoch Edward belustigt auf die Schulter. Das wird spaßig. ,,Roxanne, du weißt schon, dass ich und Felicia gerade einmal einen Altersunterschied von vier Jahren haben, ich könnte vielleicht ihr Bruder sein, aber nicht ihr Vater", bemerkt Edward mit seiner Vernunft, weswegen ich meine Augen verdrehe.

,,Das kommt voll unseriös, wenn ein Superhirn wie ich, dass sehr viel Ahnung von Chemie hat mir ihrem Bruder zu so einer Führung geht. Da nimmt man ein Elternteil mit", erkläre ich Edward also, fühle mich dabei tatsächlich etwas klug.

,,Ganz genau, außerdem kann Felicia wie man sieht ziemlich gut schminken, also könnte sie dir ein paar Fältchen zaubern. Generell müsstet ihr euch darum kümmern, anders auszusehen, damit ihre Systeme, die jeden, der ein und ausgeht etwas länger Zeit brauchen, um euch zu kontrollieren. Aus diesem Grund müsst ihr auch die letzten sein, die durch den Security-check gehen, verstanden?"

Edward und ich murmeln beide zustimmend, woraufhin sie die Mappe öffnet und ein Dokument herauszieht, es mir hinhält. ,,Das ist dein Zeugnis der 11. Klasse, Felicia, das du an einem naturwissenschaftlich orientierten Gymnasium in Heilbronn erhalten hast. Wie du siehst, scheinst du sehr gut in der Schule zu sein."

Meine Augen staunen bei der Menge guter Noten, die ich mir sonst nie hätte erträumen können. ,,Könnte ich das vielleicht mit meinem jetzigen Zeugnis eintauschen?"

Roxy lacht etwas auf, zeigt mir jedoch anschließend ein bedauerndes Gesicht. ,,Wie du siehst heißt du ab sofort Marie-Charlotte Weiß, das wird also nicht möglich sein. Edward, du heißt übrigens Reinhard Peter Weiß und bist 47 Jahre alt. Für eure Ausweise müsstet ihr morgen Passfotos machen, weswegen ihr schon gleich heute die Vorbereitungen für eure Verkleidungen treffen müsst. Seid bitte so glaubwürdig wie möglich, lasst euch Hintergrundgeschichten einfallen, Charaktereigenschaften und so weiter. Edward, du weißt ja wie so etwas abläuft."

,,Und mit Felicias Kreativität, von der sie eindeutig zu viel hat, sollte das durchaus funktionieren", kommentiert Edward belustigt, wirft einen kurzen Blick zu mir, weswegen ich schmunzeln muss.

,,Nachdem ihr morgen die Passfotos gemacht habt, bringt ihr diese bitte bei Linus vorbei, der macht dann eure Pässe fertig. In drei Tagen, also am Montag, den 21. August ist dann diese Führung, hier ein Flyer, auf dem alle Infos diesbezüglich stehen." Roxy drückt mir einen Flyer, den sie ebenfalls aus ihrer Mappe gezaubert hat, in die Hand.

,,Ihr werdet dort erscheinen, den Führern ein bisschen was vorspielen und dann euch unauffällig davonmachen und nach den geheimen Laboren suchen, von denen nur wenige etwas wissen." Jetzt nimmt sie ein weiteres Papier aus der Mappe, legt es vor Edward und mir auf den Tisch. ,,Das ist ein Grundriss der unteren Etage, auf dem alle Räume, in die wir nicht kommen gekennzeichnet sind. Meine Vermutung ist es, dass die zwei Räume links und rechts von dieser Besenkammer die größten Labore sind, also versucht, in eines von diesen beiden hineinzukommen. Wie ihr sieht, gibt es in diesem Bereich auch keine Sicherheitskameras, also wird das auch kein Problem sein." Roxy zeigt auf zwei Türen zwischen denen eine weitere ist, die aber als Besenkammer beschriftet ist.

,,Und wie sollen wir da reinkommen?", hinterfragt nun Edward, schaut erwartend zu Roxy, die sich auf die Lippe beißt.

,,Die einzigen Personen, die Zutritt zu diesen Räumen haben, sind die Bosse, denen ihr aber lieber nicht begegnen solltet und die Securitymänner in den schwarzen Anzügen. Von denen gibt es nicht so viele, die meisten haben normale Uniformen an, sind für euch unwichtig, da sie nichts wissen und auch keinen Zutritt haben. Ihr braucht also den Ausweis von einem der Männer, den ich euch aber nicht zuvor beschaffen kann, da er sonst als gestohlen gemeldet werden würde-"

,,Gut, den können wir einem klauen, wenn Felicia ihn etwas verführt", unterbricht sie Edward schulterzuckend, woraufhin ich entsetzt aufschnappe.

,,Du lenkst ihn wenn schon ab und ich klaue den Ausweis, ich werde ihn mit Sicherheit nicht verführen! Mach du das doch!"

,,Ja, weil er sich mit Sicherheit von einem Typen wie mir verführen lässt, du Genie!"

,,Vielleicht ist er ja schwul", bemerke ich, werde aber von Roxy, die 'Stop' ruft gestoppt, weswegen Edward und ich gleichzeitig zu ihr gucken.

,,Ihr braucht nicht nur seinen Ausweis, sondern auch seine...Hand." Entsetzt schaue ich in Roxys haselnussbraune Augen. Das kann doch wohl kaum ihr voller Ernst sein.

,,Klar, dann hacken wir ihm eben die Hand ab", rufe ich aus, werfe verzweifelt meine kleinen Hände in die Luft. So etwas ist komplizierter, als gedacht.

,,Wir schlagen ihn einfach K.O und nehmen ihn dann mit", verbessert mich Edward, weswegen ich erneut meine Augen verdrehe. Diese besserwisserische Art ist wirklich nervig.

,,Ganz genau das dachte ich mir auch", stimmt ihm Isabelle zu, die gerade zum ersten Mal etwas sagt, davor hat sie das Geschehen nur beobachtet. Sie hat nicht einmal etwas zu mir gesagt, obwohl sie weiß, dass ich jetzt weiß, dass sie meine Mutter ist.

,,Wenn ihr dann im geheimen Labor seid, müsst ihr Beweisfotos machen, vielleicht Beweise mitnehmen, damit wir E.A.T.E.R. zur Strecke bringen können, sie anklagen und der Menschheit endlich die Wahrheit erzählen können. Anschließend müsst ihr so schnell wie möglich wieder zu eurer Gruppe der Führung zurück, um euch später wieder heraus schleichen zu können. So liefe der Plan, falls nichts schief geht."

,,Du weißt aber schon", beginnt Edward zu zweifeln. ,,Dass dieser Plan sehr waghalsig ist. Jeder dieser Schritte könnte drastische Konsequenzen mit sich ziehen, einer von uns könnte sogar draufgehen, wir könnten gefangen genommen werden. Das ist uns unbekanntes Territorium, wir kennen keine Orte, an denen wir uns verstecken können, wir wissen ja nicht einmal, wonach wir konkret suchen."

,,Ich war in diesen Einrichtungen, Roxys Vermutung zum Standort der Räume sollten korrekt sein. Aber bitte, lasst euch nicht abschrecken, wenn ihr diese gefunden habt. Mir wurde schlecht, als ich gesehen habe, mit was diese Menschen experimentieren. Seid also auf der Hut", erklärt Isabelle, hat dabei einen ernsten Ausdruck auf dem Gesicht.

Das alles erst einmal verarbeitend müssend, nicke ich nur, warte darauf, dass jemand etwas sagt. Es ist Lee, der die kurze Stille bricht: ,,Hat jemand noch Fragen?"

,,Ja, wer ist Linus?", möchte ich deswegen wissen, obwohl ich mir bereits denken kann, dass es ein Hacker ist.

,,Der beste Hacker weit und breit. Er hat die auch dein Zeugnis geschrieben", erklärt Roxy mir, deutet auf das Blatt Papier vor mir. ,,Ach ja, ihr seit schon für die Führung angemeldet, da nur eine gewisse Anzahl an Schüler dabei sein dürfen. Ja, jetzt denke ich, habe ich alles gesagt."

,,Gut, wenn das so ist, werden Fee und ich uns jetzt auf den Weg machen, immerhin haben wir morgen viel zu Tun", seufzt Edward, steht auf, weswegen ich es ihm gleich mache. ,,Einen schönen Abend noch."

,,Viel Glück, ihr zwei", verabschiedet sich Roxy, Lee nickt uns beiden zu.

,,Tschüss", sind meine letzten Worte, dann verlasse ich mit Edward den Raum und schließe die Tür hinter mir.

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