XXII.

Kapitel 22

,,Also, was hat denn Mister-Geheimnisvoll mir so zu sagen?", frage ich Edward grinsend, als wir uns zusammen an den Tisch setzten. ,,Immerhin musst du mir jetzt alles verraten, deine Geheimnistuerei hat dir also gebracht. Nichts!"

Ich grinse Edward triumphierend an, der jedoch einen sehr angespannten Ausdruck aufgesetzt hat, gestresst ein- und ausatmet, sich auf die Lippen beißt. ,,Hör jetzt endlich auf mit den Witzen, Felicia. Diese Situation ist überhaupt nicht witzig. Oder was glaubst du, warum Isabelle diesen Job nicht macht?"

,,Warum sollte sie das denn machen, hat sie nicht bessere Sorgen? Wie auch immer Eddilein, jetzt musst du mir alles erzählen. Also beginn, von vorne bitte!"

Noch einmal rückt er mit seinem Stuhl näher an mich (wir sitzen über die Ecke des Tisches nebeneinander), dann beginnt er, zu erzählen: ,,Vor sechzehn Jahren wurde ein kleines Mädchen mitten in der Nacht von einer geheimnisvollen Frau in einem Waisenhaus abgeliefert. Die Übergabe ging sehr schnell, da es stürmte und die Mutter verfolgt wurde. Dieses Mädchen warst natürlich du. Und die Mutter, vielleicht hast du es schon erraten, war zur Hälfte Französin. Die Mutter hieß-"

Plötzlich kommt mit die Erkenntnis, weswegen ich Edward unterbreche: ,,Isabelle!" Alles ergibt einen Sinn. Sie hat die gleiche Haarfarbe, Augenfarbe und Statur wie ich. Dazu ist mein Nachname französisch, was mich schon immer wunderte. Und deswegen reagierten alle auch so komisch, als sie mich gesehen haben.

,,Ganz genau, Isabelle Dumont. Sie sorgte all die Jahre für dich, schickte Frau Müller Geld und erkundigte sich oft nach deinem Wohlbefinden. Es gab sogar immer einen Agenten, der für deine Sicherheit zuständig ist. Isabelle konnte dich wegen der großen Gefahr nicht bei sich behalten ", stimmt mir Edward zu, macht eine kurze Pause, um meine Reaktion abzuwarten.

,,Okay", meine ich also, raufe mir durch die Haare. ,,Welche Gefahr? Hat das etwas mit meinem Vater zu tun? Was ist vor meiner Ablieferung im Waisenhaus passiert?"

,,Deine Mutter war eine Mitarbeiterin bei E.A.T.E.R., stieg in der Forschungsabteilung immer mehr auf, woraufhin sie eine Affäre mit dem Inhaber der Firma hatte, Sebastian Bitterwolf, deinem Vater. Isabelle wurde schwanger und als er von dem Baby erfuhr, wollte er dich abtreiben lassen, doch-"

,,Warte!", unterbreche ich Edward ein weiteres Mal, um mich zu vergewissern. ,,Ich war ein ungewolltes Kind?" Edwards Miene wird noch ernster, er beißt sich auf die Lippen, was mir als Antwort genügt. ,,Oha", bemerke ich, raufe mir ein weiteres Mal durch die Haare.

,,Ist alles gut?", möchte Edward besorgt von mir wissen, ich schaue ihn mit einem Ist-das-dein-Ernst-Blick an. ,,Ich habe gerade erfahren, dass ich nicht nur keine Eltern die ersten siebzehn Jahre meines Lebens hatte, nein, ich war auch noch ungewollt. Natürlich geht es mir gut!"

,,So ist das nicht, Felicia. Isabelle mag zwar eigenartig sein, dennoch liebt sie-"

,,Edward, ich war ein verkackter Unfall! Was soll da nicht wie sein?"

,,Deine Mutter hörte nicht auf Sebastian. Sie stritt sich mit ihm, hielt anschließend Abstand. Bis sie auf Arbeit entdeckte, was los war. Sie erfuhr, wer dein Vater wirklich ist. Man fand sie dort, folterte sie, mit dir in ihrem Bauch. Sie konnte jedoch entkommen, gebar dich in ihrer Notunterkunft, blieb versteckt. Sobald du geboren warst, ging sie zur Polizei, doch niemand wollte auf sie hören, denn die Bosse von E.A.T.E.R sind viel zu mächtig und reich. Als sie aufgebracht das Gebäude verließ wurde sie von jemandem dort aufgefangen, der ihr glaubte. Es war ein Mitarbeiter der DSDB, der Division zum Schutz Deutscher Bürger, der Hauptorganisation, von der wir nur ein kleiner Teil sind."

,,So kam sie also hier her, oder?"

,,Nein nicht ganz. Sie sagte dem Mitarbeiter ab, da sie ihr Leben lieber auf dich fokussieren wollte. Er gab ihr aber eine Visitenkarte. Ungefähr ein Jahr später, wurde sie von deinem Vater gefunden, floh mit dir und gab dich in einem Waisenhaus ab. Danach kontaktierte sie die Nummer auf der Visitenkarte, wurde nach Frankfurt zur Zentrale geschickt und zu einer Agentin ausgebildet, aber mit dem Fokus der Führung einer Zentrale. Das ist ein großer Unterschied, da zum Beispiel ich, und auch du, als Agenten im Einsatz ausgebildet sind, wir sind also mehr auf's Spionieren und Kämpfen fokussiert."

,,Dass du nicht der Denker hoch zwanzig bist, hab ich schon bemerkt", meine ich etwas belustigt, woraufhin Edward die Augen verdreht. ,,Also ist Isabelle nicht nur meine Adoptionsmutter, sondern auch meine richtige, man das ist seltsam."

,,Naja, eigentlich ist sie nur deine richtige Mutter, die Adoptionsurkunde, die wir dir gezeigt haben, war nur dazu da, um dich zu beruhigen. Auch Frau Müller wusste, dass sie deine Mutter ist." Überfordert nicke ich, versuche meine Gedanken zu sammeln.

,,Okay, das ist Isabelles Geschichte, jetzt interessiere ich mich aber eher für meinen Vater, der mir langsam wie ein Psychopath vorkommt. Ich möchte alles über E.A.T.E.R wissen, wirklich alles."

Edward seufzt nickend, fährt mit seiner Hand durch das rabenschwarze Haar. ,,Okay, wie du willst, aber bereite dich auf nichts allzu Schönes vor."

,,Ich habe gerade erfahren, dass ich ein Unfall war und mein Vater mich abtreiben wollte und ein Psychopath ist, ich denke, das geht schon."

,,Nun ja, die Geschichte von E.A.T.E.R. beginnt bereits im Mittelalter. Weißt du, was Alchemisten sind?"

,,Waren das nicht die Wissenschaftler früher? Das ist doch die Vorstufe zur Chemie, oder?"

,,Ja, vor allem strebten sie aber das Ziel an, Gold oder Silber aus unedlen Metallen herzustellen. Somit kam eine Legende zustande, vom Stein der Weisen. Der Stein der Weisen sollte-"

,,Warte mal, redest du nicht von 'Harry Potter'?", unterbreche ich ihn, da ich diesen Namen eigentlich aus den Büchern kenne.

,,Ja, J. K. Rowling hat diese Sage ebenfalls in ihren Büchern verwendet, nur etwas umgewandelt. Jedenfalls besagte diese Legende, dass die Formel für den Stein von dem Gott Hermes auf eine Steintafel eingraviert wurde. Viele Alchimisten versuchten, diese Formel zu finden, oder auf anderem Weg den Stein herzustellen. Eines Tages schlossen sich fünf reiche Alchimisten zusammen, die sehr viel Mühe darein steckten. Ihre Nachnamen begannen jeweils mit den Buchstaben von E.A.T.E.R., was den Namen erklärt, es sind also keine Kannibalen."

Ich lache wegen Edwards Blick auf mir etwas auf, werde aber schnell wieder ernst. Auch wenn ich fast immer gute Laune bewahren kann, fällt mir dies jetzt sehr schwer. Zu viel schlimmes habe ich bis jetzt erfahren.

,,Das Labor wurde von Generation zu Generation weitergeführt, bis es in der Renaissance stillgelegt wurde. Erst vor ein paar hundert Jahren, baute einer der Nachfahren, das Unternehmen wieder auf, tarnte es als pharmazeutische Fabrik. Der Nachfahre glaubte ebenso wie seine Vorfahren an diese Götter, wurde von Zeit zu Zeit immer mystischer. Mit seinen Kindern und deren Kindern wurde es immer schlimmer, sie wurden brutaler und griffen immer zu schrecklicheren Maßnahmen, um den Stein herzustellen. Einer dieser Nachfahren ist dein Vater. Nur die obersten Bosse von E.A.T.E.R. wissen Bescheid darüber, sie haben aber auch einige Anhänger. Ihr Ziel ist logischerweise die Weltherrschaft, aber davon sind sie weit entfernt, da wir schließlich wissen, dass es diesen Stein nicht gibt."

,,Okay, aber was ist jetzt so schlimm daran? Mein Vater ist noch psychopathischer als gedacht, aber wieso möchte er unbedingt mich haben? Soll er mich doch einfach in Ruhe lassen!"

Edward atmet gestresst ein- und aus, spannt seinen Kiefer an, was seine Gesichtszüge noch markanter wirken lässt. ,,Das ist der einzige Teil dieses Puzzles den wir noch nicht verstanden haben. Die ganze Zeit hat dein Vater keinerlei Interesse an dir gezeigt, bis vor kurzem, weswegen du auch entführt wurdest. Wir haben nur leider noch nicht genau herausgefunden, warum sie ausgerechnet jetzt so interessiert an dir sind. Aber, vielleicht erinnerst du dich noch an den Tag, an dem du mit Vincent und Vivien in der Stadt warst und dann von diesem Mann verfolgt wurdest, den ich im Aufzug ausgefragt habe. Er meinte, dass du so etwas wie die Geburt E.A.T.E.R. wärst und sie dich tot sehen möchten, was du ja bereits weißt. Warum dein Vater das möchte, konnte bis jetzt aber leider noch niemand herausfinden."

Mein Vater ist also noch psychopathischer als gedacht. Im Ernst, er sollte wirklich in eine Klinik. Wieso muss gerade ich so ein Pech haben, was meine Familie angeht? Wieso kann ich nicht einfach eine normale Familie haben, deren größtes Problem es ist, das nächste Urlaubsziel zu bestimmen, weil alle an ein anderes Ziel möchten. Wieso muss ich nur immer so schreckliche Dinge über mich erfahren?

Dieses Mal reagiere ich jedoch anders. Es ist nicht das Verlangen danach, mich zu übergeben oder zu weinen. Nein, mich überkommt eher das Gefühl, schreien zu müssen, mir wird schwindlig. Ich versuche jedoch, mich wieder zu fassen, schließe meine Augen und atme tief ein- und aus. Sobald sich meine Augen öffnen, sehe ich zu Edward, der mich besorgt anguckt.

,,Du hast das letzte Mal gesagt, du würdest mich nicht nochmal umarmen und mir auch nichts mehr erzählen. Jetzt hast du mir aber alles erzählt, bekomme ich vielleicht also noch eine Umarmung?" Ich setzte einen traurigen Hundeblick auf, halte mit Edward Augenkontakt. In diesem Moment muss ich wirklich verzweifelt sein, immerhin habe ich gerade Edward um eine Umarmung gebeten.

Dieser lächelt mich etwas traurig an, steht auf und meint, seine Arme ausstreckend: ,,Komm her." Also stehe ich ebenfalls auf und schlinge meine Arme um Edwards muskulösen Oberkörper. So stehen wir wie zwei Idioten da, während ich versuche, diese Information zu überarbeiten, was mir nicht unbedingt leicht fällt.

,,Das ist aber wirklich das letzte Mal", warnt er mich nach kurzer Zeit mit einem belustigten Ton, weswegen ich zu ihm aufsehe, etwas grinsen muss, während ich in seine wunderschönen, grauen Augen gucke.

,,Idiot", flüstere ich schmunzelnd, verdrehe dabei meine Augen, senke schließlich wieder meinen Kopf.

,,Hey", sagt Edward sanft, hebt mit seiner Hand meinen Kopf an, sodass wir uns wieder in die Augen schauen. ,,Ich weiß, dass das echt schwer ist, du dachtest die ganze Zeit, du hättest keine Familie und jetzt hast du so plötzlich eine. Natürlich wird es etwas Zeit brauchen, bis du und Isabelle miteinander klarkommen werdet, aber ihr werdet das schaffen, glaub mir."

Ich nicke Edward zu, löse mich anschließend von ihm, setze mich wieder auf meinen Stuhl. Verzweifelt fahre ich mir durch die dunkelbraunen Haare. ,,Aber wie soll ich mich morgen ihr gegenüber verhalten?", möchte ich frustriert von Edward wissen, der sich ebenfalls wieder auf seinen Stuhl setzt.

,,Du wirst dich so verhalten, wie du es immer tust, du musst nichts an dir ändern, Felicia. Sei-"

,,Fee", unterbreche ich ihn plötzlich.

,,Was?", fragt Edward verwirrt nach, scheint nicht zu verstehen, wovon ich rede.

Ich schaue ihm in die Augen, lächle etwas. ,,Du...kannst mich Fee nennen, das ist mein Spitzname", erkläre ich also.

,,Okay, Fee", grinst er etwas, nimmt dann aber den Faden von gerade eben wieder auf. ,,Jedenfalls, sei einfach du selbst und dann wird das schon mit Isabelle. Sie ist immerhin deine Mutter. So, und jetzt würde ich sagen, sollten wir zur Feier des Tages einen einen Film gucken, was sagst du?"

,,Bist du irgendwie krank oder so?", frage ich Edward verwirrt, weil dieses Verhalten ihm wirklich nicht ähnlich sieht.

,,Ja, ich wurde von deiner Dummheit angesteckt, also kommst du jetzt?" Edward entfernt sich von mir und setzt sich auf die Couch, weswegen ich seufze und ihm folge. ,,Aber weißt du, heute darf ich den Film aussuchen."

,,Oh nein, bitte nicht wieder eine Doku über Physik!", rufe ich angstvoll aus, worauf Edward beginnt, herzlich zu lachen.

,,Keine Angst, so schlimm wird es nicht. Ich dachte eher an 'Catch me if you can' , ist das okay?"

,,Alles ist besser als Physik."

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