XVII.
Kapitel 17
Am nächsten Morgen werde ich ausnahmsweise nicht von Edward geweckt, sondern von einem sehr nassem Gefühl in meiner Unterhose. Der Verdacht, dass ich meine Tage habe, kommt in mir auf, weswegen ich sofort aufstehe und ins Bad renne. So dumm wie ich bin, weiß ich nie, wann mich meine Periode erwarten muss, da ich mir nie das Datum der letzten Tage merken kann.
Dazu habe ich in der kürzlichen Stresssituation überhaupt nicht damit gerechnet. Schlecht gelaunt betrete ich weider mein Zimmer, sobald sich meine Vermutung bezeugt hat. Zu allem Überfluss muss ich bei der Suche nach Tampons bemerken, dass ich fast keine habe, nur meinen Notfallvorrat für Unterwegs in meinem Rucksack.
Aus diesem Grund klopfe ich nach dem Mittagessen (und natürlich auch dem Training) an Edwards Zimmertür, um ihn zu bitten, dass ich zu 'DM' darf. Ich öffne die Tür, finde Edward an seinem Laptop sitzend, einem Stapel Papier um sich. ,,Ähm, Edward?", frage ich etwas unsicher, woraufhin er zu mir aufguckt, mich fragend ansieht. ,,Ich hab da...ein kleines Problemchen."
,,Es wäre ganz nett, würdest du zum Punkt kommen", meint er leicht genervt, dennoch schmunzelnd. In letzter Zeit ist er so nett zu mir. Es ist wirklich verblüffend, was meine kleine Beschwerde ausmachte.
,,Sorry", entschuldige ich mich, rede dann weiter: ,,Naja, also bei einer Frau gibt es ja so ein Mal im Monat eine gewissen Zeit, in der..."
,,Du wolltest zum Punkt kommen!"
,,Jap, also, ich habe meine Tage und muss jetzt zu 'DM', um mir Tampons zu kaufen", schließe ich es dann doch sehr kurz, Ringe mit meinen schwitzenden Händen.
,,So genau wollte ich das nicht wissen." Edward verzieht leicht das Gesicht. ,,Muss das jetzt sein? Und muss ich da unbedingt mitkommen?"
,,Naja, also falls du nicht willst, dass ich dir die Wohnung vollblute, müsste das schon jetzt sein. Aber mitkommen musst du nicht, ich würde lieber alleine gehen, nur hast du mir verboten, alleine aus dem Haus zu gehen."
,,Ach da war ja was", erinnert sich Edward an sein beschissenes Verbot. ,,Aber weißt du was?" Er steht auf, geht zu seiner Kommode, auf der ein Paket liegt. ,,Wir haben heute Morgen Post bekommen. Ich soll ein neues Spielzeug der Agentur testen. Es wurde bis jetzt nur an ein paar Agenten vergeben, also nur eine Betaversion."
Edward öffnet das Paket, holt eine Box heraus und öffnet diese. Der Inhalt der Box ist ein unspektakulärer iPod Shuffle. ,,Im Ernst, ein iPod?", möchte ich enttäuscht wissen, lache dabei etwas.
,,Nicht ganz", antwortet mir Edward geheimnisvoll, woraufhin ich meine Augen verdrehe.
,,Was kann er denn so Tolles? Hat dieser iPod etwa eine Telefonierfunkion? Du weißt schon, dass ich ein Handy besitze?" Nun ist es Edward, der die Augen verdreht.
,,Nein, es ist eigentlich ein Peilsender. Nur, dass er ausssieht, wie ein iPod. Du musst nur auf den Knopf in der Mitte drücken und sofort wird mir eine Nachricht an mein Handy gesendet, auf der mir dein Standort angezeigt wird. Natürlich auch, wenn er sich wechselt. Raffiniert, oder?"
Auch wenn das Feature dieses iPods nicht so beeindruckend ist, wie erwartet, bin ich schon ein bisschen fasziniert. ,,Das ist cool."
,,So, ich muss das kleine Ding hier nur noch mit meinem Handy verbinden, dann kannst du gehen." Edward setzt sich wieder an seinen Tisch, zieht sein Handy raus und betätigt irgendwelche Tasten. Ich gehe in dieser Zeit in mein Zimmer, nehme mir meinen Rucksack und stelle mich anschließend wieder in die Tür zu Edwards Zimmer. ,,Hier, steck es am Besten in deine Hosentasche."
,,Geht klar, Boss!", antworte ich ihm, salutiere und schiebe den kleinen iPod in meine vordere Hosentasche.
,,Und du bist dir sicher, dass du wirklich nicht dauerhaft betrunken bist?", möchte Edward leicht belustigt wissen, sieht mir dabei zu, wie ich das Zimmer verlasse.
,,Idiot", sind meine letzten Worte, dann schließe ich die Zimmertür hinter mir, schultere meinen Rucksack und gehe zum Schuhregal, um mir meine Sandalen anzuziehen. Inzwischen ist es doch tatsächlich warm genug, dass ich eine kurze Hose und Sandalen tragen kann. Endlich!
Ich verlasse das Haus und genieße in den ersten Momenten die Sonne, die so schön und warm strahlt. Aus diesem Grund krame ich in meinem Rucksack nach meiner Sonnenbrille, die mal wieder in den Tiefen von einer großen Unordnung begraben ist. Als ich endlich das Etui fühlen kann, fällt mein Blick auf das Klingelzeichen, das ich noch nie betätigt habe, da ich bis jetzt immer in Edwards Begleitung dieses Haus betreten habe. Darauf steht 'Edwards'.
Nachdem ich meine Sonnenbrille aus dem Etui genommen und aufgezogen habe, wundere mich, während ich die Treppen herunterlaufe, wieso Edward seinen Vornahmen auf seinem Klingelzeichen hat. Mit einem 's'. Das ist doch idiotisch! Als in den Annaberg herunterlaufe, fällt mir auf, dass ich meine Kopfhörer vergessen habe und deswegen keine Musik hören kann, doch zurücklaufen möchte ich jetzt auch nicht mehr. Allzu lange braucht der Weg zum 'DM' nun auch wieder nicht.
Auf dem Weg zu 'DM' passiert eigentlich nichts spektakuläres, bis auf die Tatsache, dass ich einem bierbäuchigem Mann mit Netzstrumpfhose und darüber einer Unterhose begegne, was wirklich verstörend ist. Netzstrumpfhosen mögen zwar jetzt wieder 'in' sein, aber darüber sollte man eventuell eine Hose ziehen. Dazu sind diese eher bei Mädchen angebracht.
Dennoch schaffe ich es, kurze Zeit später mit einem ausreichenden Vorrat an Tampons den 'DM' zu verlassen. Ich laufe wieder in die Richtung, aus der ich gekommen bin, spüre aber, als ich gerade am Schreibwarenladen vorbeilaufe eine Hand auf meinem Mund.
Gewaltvoll werde ich in die Gasse daneben gezogen, wo ein schwarzes Auto mit getönten Scheiben steht. Und das soll nicht aufmerksamkeitserregend sein? Ich spüre, wie jemand mir die Augen verbindet, meinen Rucksack wegnimmt und mein Handy aus der hinteren Hosentasche nimmt.
Danach ertönt das Geräusch von einer sich öffnenden Autotür, ich werde in das Auto herringedrückt und die Tür wird wieder geschlossen. Von draußen höre ich noch zwei Stimmen, die miteinander flüstern, dann zwei Autotüren, die sich öffnen und schließen. Anscheinend habe ich zwei Entführer.
Unauffällig drücke ich mit meiner Hand an meiner Hosentasche herum, bis ich endlich den Knopf des iPods gefunden habe, mit dem der Peilsender aktiviert wird. Wieso muss ich nur immer entführt werden? Jetzt im Ernst, die Bösen scheinen keine andere Methode, als Entführen zu kennen. Ziemlich unkreativ.
Die Fahrt dauert ziemlich lange. Die ganze Zeit versuche ich, wie Sherlock Holmes an der Route zu erkennen, wo wir hinfahren, scheitere jedoch mehr als gedacht. Anscheinend bin ich doch kein Superhirn. Ich kann jetzt also nur hoffen, dass dieser bescheuerte Peilsender auch wirklich funktioniert, denn wenn nicht bin ich eigentlich so gut wie tot.
Als das Auto endlich stoppt, werde ich wieder aus dem Auto gezerrt, etwas geschubst, bis ich stehen bleibe. Ich höre, wie jemand neben mich meinen Rucksack schmeißt, kurz darauf wird mir die Binde von den Augen genommen. Meine Augen brauchen etwas Zeit, um sich wider an das Licht zu gewöhnen, doch sobald meine Sicht wieder klar ist, erschrecke ich.
Ich stehe in einer alten Lagerhalle, so sieht es zumindest aus. Doch was mich zum Erschrecken bringt, ist die Person, die drei Meter vor mir steht. Es ist Vivien. Neben ihr stehen zwei muskulöse Männer, die wahrscheinlich meine Entführer sind. Der Wagen, mit dem ich hier her gebracht wurde, steht links von mir, mein Rucksack liegt auf dem Boden.
Da Vivien wahrscheinlich den Schock in meinen Augen sieht, sagt sie gehässig: ,,Du bist wohl überrascht?", worauf ich nicht antworte. ,,Ja, wer denkt schon, dass die kleine Tussi aus dem Waisenhaus einen entführt? Wer denkt schon, dass so jemand wie ich, so 'böse' ist? Ich bin doch die kleine, blonde Vivien, die nur an Klamotten denkt!"
,,Ich dachte immer, ich wäre die Kleine", bemerke ich selbstsicher, schaue sie herausfordernd an. Immer noch bin ich mehr als nur geschockt. Arbeitet sie für meinen Vater? Da ich aber eher an meinem Fluchtplan arbeiten sollte, drehe ich mich um, um zu schauen, wo hier eine Einfahrt ist. Eine ziemlich weite Öffnung ist ein paar Meter hinter mir.
,,Du bist die Kleine, von mir denkt es nur jeder, da ist der Unterschied. Du warst schon immer schwach, leichtsinnig und naiv. Man muss sich wegen dir keine Sorgen machen. Es ist ein Wunder, dass wir so lange gebraucht haben, um dich zu kriegen!" Das ist es. Sie denkt wahrscheinlich, ich sei immer noch so schwach. Was ich vielleicht auch bin, aber auf jeden Fall habe ich mich gebessert. Vielleicht sollte ich dieses Spielchen mitspielen. Ein ist aber klar, ich muss Zeit schinden, bis Edward kommt, also muss ich viel mit ihr reden. Zum Glück bin ich sehr gut im Plaudern.
,,Apropos, wie habt ihr mich gefunden?", frage ich also, um eine Konversation aufzubauen. Ich sehe, wie Vivien mit der Zunge schnalzt, mit ihrer Hand einmal durch die schulterlangen Haare wuschelt.
,,Oh, das war ein grandioser Notfallplan meinerseits. Ich habe dir bewusst keine Aushilfe für die Periode eingepackt, da ich wusste, um welche Zeit du ungefähr deine Tage bekommen würdest. Ich merke mir nämlich im Gegensatz zu dir dieses Datum. Da ich wusste, du würdest nicht deinen bescheuerten Beschützer schicken, sondern alleine gehen, habe ich den Auftrag gegeben um diese Zeit ständig jemanden bei 'DM' darauf warten zu lassen, bis du auftauchst. Tatsächlich hat es perfekt funktioniert, immerhin bist du jetzt hier, ohne das Muskelpaket, das auf dich aufpasst!"
,,Ich kann auch gut auf mich alleine aufpassen!", rufe ich beleidigt aus, verschränke meine Arme beleidigt vor der Brust.
Vivien lacht schrill, regelrecht hysterisch. ,,Du schaffst nichts alleine! Ich meine, guck dich doch mal an, du wurdest die gesamte Zeit im Waisenhaus nie adoptiert, niemand wollte dich! Schon immer warst du so naiv und dumm. Wer klettert denn bitte auf Hausdächer? Wer schafft es nicht einmal, eine normale Strecke zu laufen, ohne dabei zu stolpern? Du schaffst es ja nicht einmal, zu essen, ohne dass deine Kleidung dreckig wird! Ohne deinen kleinen Beschützer bist du ein Nichts!"
,,Immerhin arbeite ich nicht für geisteskranke Typen! Wieso tust du das überhaupt?"
Vivien kommt mir etwas näher, woraufhin ich sehen kann, dass sie heute ziemlich große Augenringe hat. ,,Hast du dich denn nie gefragt, wer mein Vater war? Er war einer der Bosse hier. Als er dann starb, gab man mir den Auftrag, auf dich im Waisenhaus zu achten. Als dann endlich der richtige Zeitpunkt kam, mischte ich dir eine Tablette in deine Kopfscherztabletten, die dich umkippen lässt, weswegen du ins Krankenhaus geliefert werden konntest. Somit wurdest du zu uns entführt, ohne dass meine Tarnung aufflog. Weißt du, wie man das nennt? Clever. Etwas, dass du nie sein wirst!"
,,Ach komm, ihr habt trotz deiner angeblichen Cleverness so lange gebraucht, um mich hier her zu bekommen, so toll scheinst du also doch nicht zu sein!"
,,Wäre da nicht dieser bescheuerte Verein von Hampelmännern, hätten meine Pläne auch funktioniert! Du alleine kannst nichts gegen mich tun!"
,,Oh, da hab ich jetzt aber Angst vor dir, Vivien. Nein, um ehrlich zu sein tust du mir Leid. Was erhoffst du dir denn, wenn du mich auslieferst?"
,,Oh, mir geht es nur um Geld, aber du weißt anscheinend nichts, oder? Nicht einmal dein eigenes Schicksal wollten dir deine ach so tollen Beschützer anvertrauen! Fühlt sich das nicht deprimierend an, mit 17 Jahren immer noch wie ein Kleinkind behandelt zu werden?" Dieser Satz trifft mich härter, als gedacht. Genau das hatte ich mich schon so oft gefragt. Sie scheint, meine Schwachstelle getroffen zu haben.
,,Ich werde nicht wie ein Kleinkind behandelt! Aber ich kenne jemanden, der sich so verhält. Das bist nämlich du!"
,,Ach komm, das reicht mir jetzt, bringt sie rein!" Die beiden Männer schreiten auf mich zu, Panik überflutet mich.
Was soll ich jetzt machen?
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