XLIII.

Kapitel 43

,,Zwischen Fee und mir?", höre ich Edwards Stimme, die rauer und tiefer als sonst ist. Mein Herz beginnt, laut zu pumpen, während ich gebannt auf seine Antwort warte. ,,Ach, da läuft nichts, das war nur..." Er verstummt. Mein Atem wird in diesem Moment unregelmäßig und Tränen beginnen sich, in meinen Augen zu bilden. Nichts? Wirklich Edward?

Vollkommen aufgelöst begebe ich mich leise wieder nach oben und versuche mich in dieser Zeit zu beruhigen. Ich darf mir jetzt nichts anmerken lassen. Die Tränen unterdrückend betrete ich den Trainingsraum und atme tief durch. Plötzlich bildet sich eine Wut in mir, weshalb ich meine Augen zusammenkneife. Wie kann er nur behaupten, es würde nichts zwischen uns laufen?

Hat er mich etwa nur zum Spaß geküsst oder was?

Wie auf Knopfdruck ist all meine Übelkeit verschwunden und wird von der Wut auf Edward eingenommen. Mein Kopf ist vollkommen überfordert von der Menge an Gefühlen, die sich in mir ausbreiten. Eigentlich kann er doch nicht meinen, dass nichts zwischen uns läuft. Ich merke doch, dass er auf mich reagiert, wie zum Beispiel heute morgen. Aber umso schlimmer ist es, dass er vor Vincent behauptet hat, da würde nichts laufen.

Er kann sich nicht entscheiden und verdammt, das raubt mir jeden Nerv!

Während ich die Boxbandagen von meinen Händen wickle, höre ich, wie Vincent und Edward wieder hier hoch kommen. Ständig läuft in meinem Kopf ab, dass ich mir nichts anmerken lassen darf. Wie ich das schaffen soll, ist mal dahin gestellt, denn die Wut sprudelt in mir und ich möchte sie wirklich raus lassen. Am besten an Edward!

Gegen Anfang läuft mein Plan auch ganz gut. Edward meint, dass ich mich lieber ausruhen sollte, also verweile ich dabei, an der Wand zu sitzen und Vincent beim Scheitern zuzugucken, was sehr amüsant ist. Zwar mag Vincent ein paar mehr Muskeln haben als ich (vor allem als mein früheres Ich), dennoch bilde ich mir ein, dass ich mich eindeutig besser als er angestellt habe.

Wenn ich meine Gedanken also vollkommen auf Vincent lenke, ist es sogar ziemlich einfach, meine Wut zu zügeln. Kaum fällt mein Blick jedoch auf Edward, wie er lacht oder hin und wieder einen Blick zu mir wirft, sprudeln all die Gefühle in mir auf und ich bin wieder vollkommen neben der Spur. Verdammt, wieso hat er das nur gesagt?!

Irgendwann verzehrt mich der Gedanke, vorhin gegen Edward verloren zu haben so sehr, dass ich nicht anders kann, als nochmal gegen ihn kämpfen zu wollen. Denn irgendwann platzt mir der Kragen, weswegen ich aufstehe und schnurstracks auf den Ring zugehe. ,,Okay Edward, Vincent hat jetzt genug gekämpft, ich bin dran!"

Ich bekomme einen verwirrten Blick von Edward, der gerade dabei war, Vincent aufzuhelfen. Er scheint sogar so verwundert zu sein, dass er Vincents Hand fallen lässt, sodass dieser wieder auf den Boden fällt. ,,Verdammte Scheiße, Edward! Kannst du dir vorstellen, dass das weh tut?" Vincent war schon immer eine Dramaqueen.

Edward beachtet Vincent, der klagend auf dem Boden liegt aber überhaupt nicht, stattdessen beobachtet er mich stirnrunzelnd, wie ich mich selbstbewusst in den Boxring stelle und auffordernd eine Augenbraue hochziehe. ,,Ich dachte, dir geht es schlecht?", fragt er also verwirrt, worauf ich meine Arme vor der Brust verschränke.

,,Ähm, hallo? Mich gibt es auch noch!", ertönt es verzweifelt von Vincent, der sich inzwischen aufgesetzt hat, doch ihm wird weder von mir, noch von Edward Aufmerksamkeit geschenkt.

,,Ich möchte jetzt kämpfen, Vincent braucht echt mal eine Pause, oder Vinc?" Mein Blick fällt jetzt herausfordernd auf Vincent, dem ich mit einem kalten Blick bedeute, er solle mir jetzt zustimmen.

,,Jaa, also eine Pause wäre schon ganz cool", meint er zögernd, woraufhin er ängstlich zwischen Edward und mir hin und herschaut und nach einer kurzen Minute der Stille hastig aus dem Boxring verschwindet und mich und Edward dort alleine stehen lässt.

,,Fee, was ist denn so plötzlich mit dir los?", bringt Edward endlich die Frage zustande, die ihm die ganze Zeit ins Gesicht geschrieben war, weswegen ich ironisch auflache. Verdammt, woher kommt nur dieses Verhalten von mir?

,,Los Edward, oder hast du etwa Angst, gegen mich zu kämpfen?" Ein freundliches Lächeln, das einen weniger freundlichen Ursprung hat, ziert sich auf meinem Gesicht, worauf sich Edward jedoch seufzend in Kampfposition stellt.

,,Keine Ahnung, was bei dir falsch ist, aber von mir aus", ist Edwards letzter Satz, dann greife ich ihn bereits an.

So ziemlich wie jedem hätte bewusst sein sollen, wie dieser Kampf ausgeht. Denn ich bin geladen von Wut, die ich liebend gerne beim Kämpfen an Edward auslasse, während Edward besorgt und verwirrt ist und sich deshalb nicht wirklich anstrengt.

Als ich es jedoch schaffe, Edward zu fest ins Gesicht zu schlagen, beginnt seine Nase plötzlich zu bluten. Das ist der Moment, in dem Vincent dem Ganzen ein Ende setzt, indem er aufspringt und auf uns zugerannt kommt. ,,Okay, okay Fee, ich denke, das reicht jetzt."

Erst kurz darauf realisiere ich, was ich da gerade gemacht habe und schlage mir empört die Hand vor den Mund. ,,Oh man, sorry Edward!", rufe ich vollkommen hin- und hergerissen zwischen meinen Gefühlen, da zum einen immer noch diese Wut in mir herrscht, ich zum anderen aber auch bereue, Edward so stark geschlagen zu haben.

Dieser reagiert jedoch ziemlich ruhig, indem er nuschelt: ,,Schon okay." Anschließend begibt er sich zügig aus dem Boxring, an Vincent und mir vorbei und schließlich raus aus dem Trainingsraum.

Einen kurzen Augenblick stehen Vincent und ich regungslos da und schauen Edward hinterher. Irgendwann meldet sich Vincent jedoch zu Wort in dem er aufgebracht fragt: ,,Fee, was war denn da mit dir los?!"

Ich werfe Vincent, der circa einen Meter entfernt von mir steht einen 'Ist-das-dein-Ernst-Blick' zu und verschränke meine Arme wieder vor der Brust. ,,Wirklich Vincent? Da fragst du noch? Weißt du, ich hab seine Antwort auf deine Frage vorhin gehört!"

Gerade möchte Vincent energisch etwas darauf erwidern, da bedeute ich ihm mit einem Kopfschütteln, still zu sein. ,,Wirklich, ich möchte jetzt nicht darüber reden. Ich denke, du solltest jetzt sowieso gehen. Sorry."

Anschließend verlasse ich aufgebracht den Raum, woraufhin mir Vincent meinen Namen rufend folgt, doch ich ignoriere ihn. Unten angekommen, lächle ich Vincent traurig zu, während er sich die Schuhe bindet. Sobald Vincent wieder steht, höre ich Edwards Schritte, die sich in unsere Richtung bewegen.

,,Du gehst wohl schon, Vincent?", fragt Edward, während er sich neben mich stellt, doch ich würdige ihn keines Blickes.

,,Ja, ich glaube ich sollte euch eure Privatsphäre gönnen, damit ihr Streitigkeiten beseitigen könnt." Vincent umarmt mich und macht eine typische Männer-Verabschiedung mit Edward, woraufhin er die Tür öffnet und lächelnd nach draußen geht.

,,Pass morgen auf dich auf, Vinc", meine ich noch ebenso lächelnd, woraufhin sein Lächeln breiter wird.

,,Ich glaube, das sollte ich lieber zu euch sagen, oder? Naja, bis morgen, ihr zwei." Vincent schließt die Tür hinter sich und lässt Edward und mich, umgeben von tiefster Spannung alleine in diesem Raum stehen. Sofort sinken meine Mundwinkel nach unten.

,,Verdammt Fee, was war denn das gerade?", faucht mich Edward sobald die Tür ins Schloss gefallen ist an, was mich dazu bringt, mich in seine Richtung zu drehen.

Die Wut strömt wieder in mir hoch, weswegen ich meine Arme in die Hüften stemme und Edward herausfordernd angucke, während ich zurück gifte: ,,Was das gewesen sein soll? Dass du das überhaupt fragst!"

Edwards Gesicht verzieht sich zu einem fragenden, unwissenden Ausdruck, was meine Ärgernis nur noch stärker macht. Jetzt im Ernst, haben langweilige Snobs etwa kein Gehirn, das versteht, warum ich so wütend bin? ,,Gott Edward, ist das denn nicht in dein verdammtes Langweiler-Gehirn zu bekommen, oder was?", möchte ich also entnervt wissen und verdrehe meine Augen.

,,Was für ein Gehirn?", fragt Edward nun auch provoziert und schiebt seine Augenbrauen nach oben. Verdammt, wieso sieht er dabei nur so gut aus?

Nein Felicia, du musst dich jetzt konzentrieren, lass dich nicht ablenken!

,,Dein Langweiler-Gehirn, Eddilein!", rufe ich also den Begriff nochmal lauter, damit er es auch versteht.

,,Was ist denn jetzt so plötzlich mit dir los? Erst geht es dir schlecht, dann küsst du mich und jetzt bist du plötzlich wütend auf mich? Was sind das denn für Stimmungsschwankungen?!" Edward wirft seine Arme verzweifelt in die Luft, da er anscheinend jetzt auch an die Grenze seiner Nerven gekommen ist.

,,Oh wehe, du ziehst jetzt die Fee-hast-du-deine-Tage-Karte!", zische ich bedrohlich und komme Edward einen Schritt näher. ,,Du weißt ganz genau, dass ich sie nicht haben kann, weil du ja wusstest, wann ich meine hatte! Ich habe nämlich keine Stimmungsschwankungen. Mal so nebenbei, hast du mich geküsst, nicht ich dich!"

,,Jetzt im Ernst, Fee? Ich wollte doch nicht mal sagen, dass du deine Tage hast, verdammt, ich weiß, dass das unklug ist! Und wegen dem Kuss, du hättest ihn wohl kaum erwidert, wenn du mich nicht küssen hättest wollen!"

,,Verdammt Edward, das ist ja das Problem! Ich wollte dich küssen, aber du mich anscheinend nicht! Du solltest mich inzwischen doch schon gut genug kennen, um zu wissen, dass meine Neugier nicht zu bändigen ist und ich immer lausche! Weißt du Edward, wenn du dich nicht entscheiden kannst, was du willst, dann lass immerhin mich aus dem Spiel!" Inzwischen bin ich Edward so nah, dass ich mit meiner Hand bedrohlich auf seine Brust zeige und vollkommen außer Atem bin, während mein ganzer Körper angespannt vor Wut ist.

,,Warte, du wolltest mich küssen?", fragt er plötzlich mit einem leichten Grinsen nach, wofür ich mir selbst und Edward einen imaginären Schlag verpasse. Wieso musste mir das nur heraus rutschen? Und wieso ist das das Einzige, was Edward wohl gehört hat? Ich sollte wirklich lernen, mein Mundwerk zu zügeln und erst zu denken, bevor ich rede.

Empört lasse ich meine Hand sinken und schaue Edward mit einem 'Ist-das-jetzt-dein-Ernst-Blick' an. Schließlich meine ich ergeben: ,,Ach, vergiss es einfach!" und zische wütend in mein Zimmer ab (natürlich ohne zu vergessen, die Tür hinter mir laut zuzuknallen).

Danach schließe ich die Tür mit dem Schlüssel ab, damit Edward nicht auf die Idee kommt, meine Privatsphäre zu stören, während ich meinen Groll gegen ihn hege. Ich schmeiße mich frustriert auf's Bett und ziehe mir verzweifelt an den Haaren.

Die Hoffnung in Edwards Augen, als er mich fragte, ob ich ihn küssen wollte, erscheint plötzlich vor meinen Augen, weswegen ich meinen Kopf abwehrend schüttle und den Gedanken verdränge. Das war bestimmt nur Einbildung! Dieser miese Dreckskerl macht mich vollkommen verrückt und ich lasse nicht zu, dass sein perfektes Grinsen meine Meinung zu ihm ändert.

Zumindest versuche ich das.

Ich muss zugeben, er sah schon süß aus, als sich dieses verschmitzte Grinsen plötzlich gebildet hat und all seine Wut zu verfliegen schien. Aber nein, davon lasse ich mich nicht überzeugen. Edward ist und bleibt ein Arschloch!

Verwirrt stelle ich fest, dass er sich anscheinend immer noch nicht geregt hat. Oder er ist so leise in sein Zimmer gegangen, dass ich es erst gar nicht gehört habe? Diese Frage, wird mir nach ein paar Minuten der Stille, in denen ich vollkommen hin und hergerissen bin, beantwortet, als ich plötzlich seine Schritte höre, die sich in Richtung meiner Tür bewegen.

Edward klopft an der Tür und ruft: ,,Fee, machst du bitte auf?" Das mit einem deutlich weicheren Ton in seiner Stimme. Schon möchte ich erfreut aufstehen und die Tür öffnen, da halte ich in meine Bewegung inne. Der Wolf hat die sieben Geißlein auch mit einer zarten Stimme nach draußen gelockt.

Und dann hat er alle, außer das Siebente verschlungen.

Nein, Edward wird mich nicht wie der Wolf verschlingen. Das werde ich auf keinen Fall zulassen. Womöglich neige ich gerade dazu, diese gesamte Situation ein wenig zu überdramatisieren, doch das ist jetzt nicht von Relevanz. Außerdem macht es mir wirklich Spaß, Edward mit dem bösen Wolf zu vergleichen.

,,Geh weg!", rufe ich deswegen, nachdem er schon regelrecht meine Tür eingeschlagen und was weiß ich wie oft meinen Namen gerufen hat. Ich höre, wie Edward im Hämmern gegen die Tür innehält und seufzt.

,,Na schön", meint er ergeben, woraufhin man ein paar Schritte hört. ,,Aber behaupte später nicht, ich hätte nicht versucht, den Streit zu schlichten."

Und so verschwand der Wolf vor der Tür der sieben Geißlein.

Doch irgendwie breitet sich nicht die erwartete Erleichterung in mir aus. Stattdessen setzt sich ein fetter Kloß in meinem Bauch fest. Nicht, dass ich jetzt noch die Steine in den Bauch gelegt bekommen habe.

Verdammt, ich sollte endlich aufhören, diese Situation mit Märchen zu vergleichen. Märchen sind unfair. Sie sind vollgestopft von Vorurteilen, was nicht unbedingt pädagogisch wertvoll ist. Wieso müssen denn ausgerechnet immer die Wölfe die Bösen sein? Es gibt doch bestimmt auch nette Wölfe, die nur mit den Geißlein reden wollen. Oder mit Rotkäppchen.

Und ohne es direkt zu tun, habe ich Edward gerade in meinem Kopf wieder schön geredet. Edward ist ein lieber Wolf. Ich bin ein böses Geißlein. Es ist genau umgekehrt. Wer weiß, warum Edward Vincent so geantwortet hat. Vielleicht weiß nicht einmal er es.

Was ich aber weiß ist, dass ich nicht das Recht habe, so überzureagieren und Edward so fiese Sachen entgegenzuwerfen. Vor allem, da morgen die Mission ist und es äußerst fatal wäre, würden wir streitend dort sein. Das würde ich nicht aushalten, denn ich brauche Edward.

Und damit meine ich nicht als Bodyguard. Nein, ich brauche ihn als seelischen Beistand. Als jemanden, von dem ich weiß, dass er immer für mich da ist und mich niemals hintergehen würde. Ich brauche Edward, um den morgigen Tag zu überstehen, denn wer weiß, vielleicht sehe ich meinen Vater.

Verdammt, ich werde meinen Vater sehen. Die Angst, die schon heute morgen in mir aufkam, durchströmt jetzt meinen gesamten Körper, weswegen ich beginne zu zittern. So geht das nicht, ich brauche Edward.

Aus diesem Grund stehe ich hastig auf und stürme (nachdem ich ein paar Anläufe brauchte, um die zugeschlossene Tür zu öffnen) aus meinem Zimmer. Ohne zu klopfen, öffne ich Edwards Zimmertür. Edward lehnt sich die Schläfen massierend an der Glasfront gegenüber von der Tür.

Bevor ich auf ihn zukomme, atme ich tief durch, woraufhin ich zu Edward laufe, der seinen Kopf verwirrt anhebt. Kaum, dass ich bei ihm angekommen bin, schlinge ich meine Arme um seinen Brustkorb. Vollkommen verwirrt, versteift sich sein Körper erstmals unter meiner Berührung, doch eine kurze Zeit später erwidert Edward die Umarmung, indem er seine Arme ebenfalls um meinen Körper schlingt.

Ich kuschle meinen Kopf an seine Brust und atme beruhigend ein und aus. Schließlich flüstere ich: ,,Es tut mir Leid, ich hätte nicht so fies zu dir sein sollen."

Edward streicht mir beruhigend über meinen Rücken, während ich hören kann, wie er lächelt. ,,Ich auch nicht, das war nicht fair", entgegnet er mir schließlich, was ein befreiendes Gefühl in meinem Körper freisetzt.

,,Ich möchte nicht im Streit auf die Mission gehen, Edward. Ich brauche dich."

Edward atmet tief durch und drückt mich anschließend fester an seine Brust. ,,Ich bin immer für dich da, das weißt du doch." Anschließend gibt er mir einen Kuss auf meinen Haaransatz, was mir letztendlich jegliche Angst vor meinem Vater nimmt.

Edward ist für mich da und das ist alles, was ich brauche.

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