V.

Kapitel 5

Ich fühle mich von der Welt verarscht. Mein Plan war es, dass ich durch Frau Müller hier herausgeholt werden kann, indem sie bemerkt, dass ich entführt wurde. Aber nein, sie redet mir ein, dass ich am richtigen Ort wäre, dass alles gut ist und ich mir keine Sorgen machen soll. Alles würde gut werden.

Wer's glaubt.

Ich bin hier in irgendeine Psycho-Crew hereingeraten, kann aber nicht entkommen, wie gesagt, zu rennen ist vollkommen ausgeschlossen. So kann ich also nur hoffen, dass das Wenige, dass mir Edward mitgeteilt hat, wirklich stimmt. Da ich alleine im Bad telefonieren konnte, öffne ich die Tür wieder, gehe durch das Wohnzimmer, bis ich an der Tür zum Konferenzzimmer ankomme und betrete den Raum.

Roxy, die soeben anscheinend sehr energisch geredet hat, verstummt, sobald sie mich sieht. Ich beiße mir auf die Lippe, lege Leonards Handy, mit dem ich telefoniert habe, vor ihn auf den Tisch und setzte mich anschließend wieder neben ihn.

,,Und?", fragt Roxy, beugt sich über den Tisch sodass sie mich sehen kann und sieht mich mit den haselnussbraunen Augen erwartungsvoll an.

,,Ich bin wohl dazu gezwungen, euch zu glauben", seufze ich deswegen und lehne mich an meinen Stuhl an.

,,Ganz genau das bist du", stimmt mir Edward zu, in Folge dessen ich zu ihm gucke. ,,Sonst würde dich das womöglich dein Leben kosten, unterschätze die Situation nicht. Da du jetzt trauriger Weise bei mir wohnen musst, wirst du dann auch gleich mit mir mitfahren. Roxy, Leonard, sagt ihr Isabelle Bescheid, dass wir gehen, wenn sie wieder da ist? Ich möchte nämlich jetzt gehen, wir müssen noch ein paar Sportsachen und anderes kaufen und die Regeln werden auch nicht unbedingt wenig Zeit in Anspruch nehmen."

,,Warte!", halte ich ihn jedoch auf, da Frau Müller etwas von einer Adoptionsurkunde gesagt hat, die ich jetzt sehen möchte. ,,Was ist mit der Adoptionsurkunde?" Die drei werfen sich vielsagende Blicke, die ich leider nicht verstehen kann zu, woraufhin Lee seufzend aufsteht.

,,Ich bin gleich wieder da." Anschließend verschwindet er, sodass ich mit Roxy und Edward hier alleine sitze. Niemand sagt etwas. Vor allem für mich ist diese Situation viel zu überfordernd. So plötzlich adoptiert zu werden ist wirklich seltsam. Alles hier ist seltsam.

Nach kurzer Zeit erscheint Lee wieder hier und hält mir ein paar Dokumente entgegen. Ängstlich nehme ich diese und lese alles zwei Mal durch. Sie scheinen Recht zu haben. Ich wurde tatsächlich von diesen Menschen nicht entführt, sondern adoptiert. Und Isabelle ist meine offizielle, neue Mutter. Seltsam. ,,Wenn du dann fertig bist, Felicia, können wir ja jetzt gehen."

Edward steht auf, deswegen stehe ich ebenfalls, wenn auch ein wenig überfordert von der Situation, auf und folge ihm zur Tür. ,,Bitte sei nicht zu streng, Ed", ruft Lee ihm noch zu, während Edward die Tür öffnet. Er hält sie mir auf, sodass ich durch die Tür treten  und im Wohnzimmer stehen bleibe.

,,Nenn mich nicht so", ist der letzte Satz, den Edward sagt, bevor er mir folgt und die Tür anschließend hinter sich schließt. Ohne etwas zu sagen, schreitet er nach vorne in Richtung Ausgang. Da ich davon ausgehe, dass ich das muss, folge ich Edward.

,,Wieso müssen wir überhaupt Sportsachen kaufen?", frage ich ihn, sobald wir das Treppenhaus betreten haben.

,,Ich habe nicht nur den Auftrag, dich zu beschützen und deinen Babysitter zu spielen, ich muss dich auch trainieren. Du musst sportlicher werden, lernen zu rennen, auch mal ein bisschen Kraft aufbauen und auch lernen, wie man spioniert, sich versteckt und so weiter", antwortet er mir, während wir die Treppen runter laufen.

,,Woher willst du wissen, dass ich eine schlechte Ausdauer habe? Ich kann voll gut rennen", lüge ich prompt, weil er mir unterstellt, ich wäre vollkommen unsportlich. Das stimmt zwar, immerhin schaffe ich es sogar im Sportunterricht, nie wirklich mitzumachen, dennoch ist es ungerecht, denn er weiß es nicht einmal.

,,Natürlich weiß ich, dass du schlecht im Rennen bist, wie auch in allen anderen Sportarten. An deinem äußerst schlanken Körperbau kann man erkennen, dass du fast keine Muskeln hast, du kannst also höchst wahrscheinlich nicht werfen oder sonst noch etwas machen. Und wegen dem Rennen, du wärst schon längst abgehauen, wenn du auf deine Ausdauer vertrauen würdest."

Er schmunzelt mich besserwisserisch und arrogant an und öffnet anschließend die Tür zu dem Juweliergeschäft. Wir verlassen den Laden, sagen der Dame an der Kasse davor natürlich noch 'Tschüss'.

Sobald Edward die Tür hinter mir geschlossen hat, frage ich ihn in einem etwas gedämpften Ton: ,,Und ich lerne wirklich, wie man spioniert?"

,,Ich bin ja eigentlich dagegen, aber Isabelle hat mich solange ignoriert, bis ich zugestimmt habe. Ebenso wirst du lernen, wie man sich verteidigt. Das ist sogar das Wichtigste, das habe ich vergessen, dir zu sagen. Und jetzt hör auf, mich ständig mit Fragen zu löchern", meint er genervt, während wir durch die Innenstadt zurück zum Parkhaus laufen

Seine Bitte vollkommen ignorierend, frage ich weiter: ,,Ich soll lernen, wie man sich verteidigt? Das heißt Boxen und Karate?"

,,Boxen ja, Karate lieber nicht. Ich denke, wir versuchen es bei dir lieber mit Judo. Du wirst aber irgendwann auch lernen, wie man mit einer Pistole, Messern und anderen Waffen umgeht, das hat aber noch etwas Zeit", erklärt mir Edward weiterhin mit diesem besserwisserischem Ton, wobei er mit seiner Hand durch das rabenschwarze Haar fährt

,,Braucht man dafür nicht so einen Waffenschein?", möchte ich verwundert wissen, als wir die Tür zum 'Wagner' betreten und dort den Aufzug ansteuern, der uns zum Parkhaus führt.

Während Edward die Taste des Aufzuges drückt, entgegnet er mir eingebildet grinsend: ,,Ich habe einen Waffenschein, den schwarzen Gürtel in sehr vielen Kampfsportarten und bin ausgebildeter Spion. Ich denke, das geht schon. Und jetzt sei endlich still, es nervt mich, wenn du redest!"

Sobald der Aufzug bei uns angekommen ist, treten wir ein und ich stelle fest, dass er zum Glück leer ist. Während die Tür des Aufzuges sich schließt, möchte ich verwundert wissen: ,,Wie alt bist du überhaupt? Wenn du so viele Ausbildungen hast...am Ende hast du noch Medizin studiert!"

,,Ich habe dir gesagt, du sollst aufhören, zu reden, also hör endlich auf mich und sei still!" Da Edward seine Stimme dieses Mal erhöht, gebe ich es auf, ihn weiterhin auszufragen, schließlich werde ich bestimmt noch genügend Zeit dafür bekommen.

Auf dem Weg vom Aufzug bis zu Edwards' schwarzem Range Rover sprechen wir nicht miteinander, was für ihn wahrscheinlich eine Erleichterung ist, doch mir brennen einige Fragen auf der Zunge, die ich gerne stellen würde, es aber lasse. Da ich es aber nicht unterdrücken kann, muss ich sobald wir das Parkhaus verlassen haben fragen: ,,Wo fahren wir eigentlich hin?"

Edward atmet genervt ein und aus, antwortet mir jedoch danach: ,,Felicia, wie oft soll ich dir noch sagen, dass du keine Fragen stellen sollst? Es reicht langsam! In diesem Auto gelten nämlich ein paar Regeln. Zum einen ist das Singen strikt verboten. Geredet wird nur, wenn es wichtig ist. Mal so nebenbei, ich bestimme, ob ein Thema wichtig ist, oder nicht. Und deine Füße machst du bitte auch auf den Boden, nicht auf die Ablage." Sofort stelle ich meine Füße auf den Boden und lächle ihn unschuldig an. Das sind mir wirklich zu strenge Regeln.

,,Also bitte! Woher willst du überhaupt wissen, dass ich singen werde, ich singe doch voll selten!", beschwere ich mich über diese Regel mit einer Lüge. Eigentlich singe ich ziemlich oft. Ich kann es zwar nicht wirklich, aber damit lässt es sich leben.

,,Du hast heute bereits drei Mal irgendeine bescheuerte Melodie gesungen, anscheinend sogar ohne es zu bemerken", widerspricht mir darauf Edward, woraufhin ich mit meinen Lippen ein 'Oh' forme.

Den Rest der Autofahrt schweige ich und versuche, meine Gedanken zu sammeln. Eigentlich weiß ich überhaupt nichts. Das Einzige, was mir gesagt wurde, ist, dass ich in Gefahr bin und deswegen von Edward, dem geselligstem Menschen überhaupt, beschützt zu werden. Aus irgendeinem Grund muss er mich aber auch trainieren. Das mit dem Sport ist zwar nicht so toll, aber die Ausbildung zu einem Spion wäre ganz nützlich für mich. Immerhin ist genau das mein Berufswunsch.

Was mich aber wirklich verwirrt, ist, dass ich nicht zurück ins Waisenhaus darf. All meine Freunde sind da, wie soll ich es nur ohne Vincent aushalten?  Wie konnten diese Menschen Frau Müllers Vertrauen gewinnen, dass sie mich einfach ihnen übergibt? Was wird überhaupt nach den Sommerferien mit mir passieren? Werde ich in eine Schule gehen? In welche? Oder darf ich zu diesem Zeitpunkt wieder ins Waisenhaus, weil die Gefahr vorüber ist?

Ich hoffe es.

Wir parken nach einiger Zeit an einem großen Parkplatz, sodass ich mich umschaue und bemerke, dass es der Parkplatz zu einem 'Decathlon' ist. Das hätte ich mir aber auch denken können. Es ist der Beste Ort in Baden-Baden, um Sportsachen zu kaufen.Edward und ich öffnen gleichzeitig die Tür und steigen aus.

Auch auf dem Weg in den Laden schweigen wir beide. Ist er immer so schweigsam? Und wenn ja, wie hält er das aus? Vielleicht ist er ja in Wahrheit gar nicht so ungesellig, sondern möchte einfach nicht mit mir reden, weil er mich nicht mag? Bevor ich jedoch weiter über diesen Gedanken philosophieren kann, kommen wir schon an der Abteilung mit der Damen-Sportkleidung an.

,,Und was genau für Sportkleidung brauche ich nun?" frage ich Edward, obwohl er mir eigentlich das Reden verboten hat.

,,Einfach Kleidung in der du ungehindert trainieren kannst. Such dir was aus, ich hole in der Zeit schon einmal Schuhe für dich, damit wir Zeit sparen", antwortet er und geht dann in Richtung Schuhabteilung. Mir fällt auf, dass er vergessen hat, nach meiner Größe zu fragen, aber ich rufe sie ihm trotzdem nicht hinterher, damit er zurück kommen und auch mal eine Frage stellen muss.

Ich gehe also auf den nächstbesten Ständer zu, und beginne nach Sportsachen zu suchen, die mir gefallen. Jedoch bin ich nicht mal zur Hälfte durch den Kleidungsständer durch, da ist Edward schon wieder da, und drückt mir ein paar sehr bunte Adidas Sportschuhe in die Hand. Da diese wirklich hässlich sind, gehe ich davon aus, dass er einfach die erstbesten genommen hat. Dennoch sind sie in der richtigen Größe. Entweder war das ein Glücksgriff oder er kann, neben all den anderen vielen Dingen, auch noch sehr gut Größen schätzen.

,,Bist du fertig?", möchte er nun gestresst wissen, woraufhin ich den Mund aufklappe. Das kann er ja wohl kaum ernst meinen! Ich hatte doch nicht mal zwei Minuten Zeit!

,,Nein, ich habe bis jetzt nur eine schöne Hose gefunden", teile ich ihm also unverständlich mit und lächle gequält.

,,Du sollst ja auch nicht den Preis für die schönste Sportkleidung gewinnen, sondern nur 3 bis 4 Sportoutfits heraussuchen!" Daraufhin schnappt er sich die ersten vier T-Shirts und die ersten drei Hosen in meiner Größe und geht dann in Richtung Kasse.

Doch er kommt keine zwei Schritte weit, da halte ich schon seinen Arm fest, in dem er die wirklich hässlichen Hosen und Oberteile hält und protestiere: ,,Halt, halt, diese hässlichen Sportschuhe, und immerhin diese grässliche Leopardenmusterhose kaufen wir garantiert nicht! Das ist reinste Geldverschwendung!"

Er mustert die Leopardenhose abschätzend und drückt sie mir anschließend in die Hand. Man sieht in seinem Blick, dass er sie ebenfalls hässlich findet. Dabei ist sie doch von Nike, dementsprechend auch teuer. Wer entwirft so etwas?

Die Sportschuhe drückt er mir ebenfalls in die Hand. ,,Du hast drei Minuten um das alles auszutauschen, wenn nicht musst du eben hässlich herumlaufen. Sonst noch etwas, das dir nicht gefällt?"

Ich greife mir schnell ein pinkes Sportoberteil, das meiner Meinung nach zu langen Ärmel für Sport hat und renne zu dem Keidungsständern. Der Rest der Kleidung sieht einigermaßen gut aus, es sind meist schlicht gehaltene Sachen, mit allerhöchstens der Marke darauf gestickt.

Sobald ich an dem Ständer mit den Hosen angekommen bin, schmeiße ich die Leopardenhose auf einen Stapel und greife mir schnell eine einfache, kurze, graue Nike Pro. Danach renne ich zu den T- Shirts und tausche das pinke gegen ein anderes Oberteil in pink aus, jedoch mit einem anderen Schnitt.

Anschließend renne ich so schnell ich kann zu den Sportschuhen und suche nach meiner Größe, 36, in der es leider immer sehr wenige Schuhe gibt. Doch eigentlich sind meine Füße noch kleiner, jedoch gibt es eine 35 nicht. Ich habe einfach Pech mit meinen Füßen.

Nach kurzer Überlegunszeit entscheide ich mich wie auch Edward für ein paar Adidas Schuhe, dieses Mal jedoch in schwarz mit den drei grauen Streifen. Daraufhin sprinte ich mit dem Schuhkarton in der Hand zurück zu Edward, der mich leicht belustigt beobachtet.

Ich kann mich gerade so vor ihm stoppen, muss mich aber, weil ich ausrutsche an einem Regal festhalten, um nicht auf dem Boden zu landen. Sobald ich stehe, guckt Edward auf sein diamantschwarzes Iphone, worauf sich eine Stoppuhr befindet.

,,Hm, 2.34 Minuten, gar nicht so übel. Trotzdem wäre ich schneller gewesen, da müssen wir noch dran arbeiten. Und jetzt komm endlich!"

Während wir zusammen in Richtung Kasse laufen, realisiere ich, dass er mir diese Chance keineswegs gegeben hat, weil es ihn ebenfalls gestört hätte, würde ich hässliche Sportkleidung tragen, sondern, um mich zu testen. Allzu schlecht habe ich mich zum Glück aber nicht abgeschlossen, immerhin war ich innerhalb der Zeitspanne.

,,Ähm, Edward?", frage ich ihn, trotz dessen, dass ich eigentlich nicht reden darf, sobald wir die Ware auf die Kasse gelegt haben. ,,Woher wusstest du eigentlich, welche Schuhgröße und welche Kleidungsgröße ich habe?"

,,Oh, das war doch einfach! Deine Kleidungsgröße musste eine 34 sein, denn du bist sehr klein und auch dünn. Man könnte fast denken, du hättest noch eine Kindergröße. Bei deinen Füßen genauso. Eine kleine 36 ist wirklich selten. Es war jedenfalls ein Kinderspiel zu erkennen, welche Größe du hast."

Zu meinem Erstaunen antwortet er mir ohne zu zögern, wahrscheinlich, weil er so angeben darf. Somit hätte ich dann auch schon seinen Schwachpunkt gefunden. Um ihn aber noch etwas zu demütigen, widerspreche ich ihm jedoch noch: ,,Eigentlich habe ich eine 35, nur meine Schuhe sind alle 36, weil es nur Kindergrößen in 35 gibt. Außerdem bin ich überhaupt nicht sehr klein. Die Ärztin hat gesagt, dass ich mir keine Sorgen um meine Größe machen soll und diese normal ist!"

,,Ach komm, Felicia, das hat sie nur gesagt, um dich zu beruhigen! Wie groß bist du denn? 1,55 Meter?", fragt er regelrecht lachend. Kurz darauf kommen wir bei der Kassiererin an, die uns gezwungen ,,Hallo" sagt, was wir erwidern.

Während sie die Kleidung einscannt, korrigiere ich Edward beleidigt: ,,Eigentlich bin ich 1, 57 Meter groß!", woraufhin er sich das Lachen verkneift und ich ihn böse anfunkle. Ich finde, meine Größe ist perfekt, so wie sie ist und das lasse ich mir nicht ausreden.

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Endlich habe ich es dann mal wieder geschafft, etwas von mir hören zu lassen. Es tut mir wirklich Leid, dass das so lange gedauert hat, aber ich habe es einfach nicht geschafft. Wenn ich mal Zeit hatte, zu schreiben (was sehr selten vorkam), konnte ich mich überhaupt nicht konzentrieren oder hatte Kopfschmerzen. Es war einfach schrecklich. Dennoch habe ich es jetzt aber endlich geschafft, also Applaus an mich. In der Hoffnung, ihr seid mir nicht Böse,

Eure Anna <3

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