IX.
Kapitel 9
Da Edward mir gesagt hat, dass ich, nachdem ich mich umgezogen habe, zu ihm kommen soll, laufe ich wieder in meinem weißen Hemd, das nicht mehr wirklich weiß ist und der schwarzen Jeans von vorhin durch den Flur zu Edwards Zimmer, wo ich ihn zu treffen erwarte. Ich klopfe gegen die Tür und stelle mich unschuldig ein paar Schritte nach hinten, in der Hoffnung, dass ich einen kleinen Blick in sein Zimmer werfen kann, wenn er die Tür öffnet.
Nach einem kurzen Rascheln hinter der Tür, wird sie von Edward geöffnet, er tritt heraus. Dabei ist er so schnell, sodass ich nichts weiter als einen schwarzen Tisch erkennen kann. Aber gut, was hätte ich sonst erwartet?
In seiner rechten Hand hält Edward eine Box, die ich als eine dieser Boxen identifiziere, mit denen man sich Handys kauft. Warum denn ein Handy? Ich habe doch im Waisenhaus noch meins.
,,Hier", sagt er zu mir abwesend und drückt mir die Box in meine Hand. ,,Dein neues Handy. Und falls du dich jetzt fragst, warum da eine Sim-Karte dabei ist und warum du nicht dein altes Handy oder Sim Karte benutzen darfst, in beiden waren Peilsender platziert, die deinen Standort immer aufsuchen konnten. Diese waren übrigens der Grund dafür, dass du im Krankenhaus entführt wurdest und ich dich jetzt ertragen muss, also bitte, nimm das Handy und stell keine weiteren Fragen mehr!"
Ich schaue Edward vollkommen überfordert und verblüfft an. Während ich mit meinen Augen blinzle, öffne ich meinen Mund, um ihm zu antworten, schließe ihn aber wieder, weil mir darauf tatsächlich keine Frage einfällt. Das muss wohl seine neue Taktik sein, alle Fragen schon zuvor zu beantworten.
So drehe ich mich also um und möchte mich wieder in Richtung meines Zimmers begeben, da sagt Edward noch etwas: ,,Es ist jetzt etwa 17 Uhr, du hast also eine Stunde Zeit, bis wir beginnen, zu kochen. Und ja, heute wirst du schon lernen müssen, wie man kocht."
Verärgert begebe ich mich in mein Zimmer und schließe die Tür eventuell ein wenig zu laut hinter mir. Seine Art macht mich so aggressiv und wütend, vor allem wie er gerade geredet hat. Aus irgendeinem Grund schafft es Edward, dass ich ihn immer mehr nicht ausstehen und das passiert wirklich selten, da ich mich eigentlich mit fast allen Menschen gut verstehe.
Es ist diese kühle, abweisende Art an ihm, mit der ich nicht klarkomme. Wieso hasst er es, mit jemandem zu reden? Wieso ist er so verdammt erwachsen und überheblich? Hatte er denn keine Kindheit oder wieso versteht er keinen Spaß? Was läuft bei ihm falsch?
Eins ist jedenfalls klar: Ich muss zum einen etwas über diese 'Organisation' (irgendwie glaube ich, dass sie schon einen Namen haben, Edward will ihn mir nur nicht verraten) herausfinden und etwas über Edward. Vielleicht gibt es eine Erklärung für sein anormales Verhalten. Vielleicht ist er eigentlich 50 Jahre alt, hat nur so viele Schönheits-OP's gemacht, dass man denkt, er wäre um die 20.
Nun gut, hoffen wir auf einen plausibleren Grund.
Nachdem ich das diamantschwarze Iphone fertig eingerichtet habe und versucht habe, mich mit einem Iphone zurechtzufinden, muss ich das Handy nach einer Stunde weglegen, da mich Edward von der Küche aus ruft. Nun werden meine wahrscheinlich herausragenden Kochkünste zu Beweis gestellt.
,,Auf die Uhr gucken kannst du nicht, oder?", begrüßt mich Edward genervt, sobald ich die Küche betrete, woraufhin ich als Antwort die Augen verdrehe. ,,Also, ich habe, wie du siehst alle Zutaten, die wir brauchen schon heraus gelegt, also können wir gleich beginnen. Wir kochen Kalbsgeschnetzeltes mit Reis als Beilage. Du kannst schon mal die Zwiebeln schälen und schneiden, ich kümmere mich währenddessen um die Champignons."
,,Wieso muss ich denn die Zwiebeln schneiden, kann ich nicht die Champignons schneiden und du die Zwiebeln?", beschwere ich mich jedoch sofort, da ich es hasse, beim Zwiebelschälen, zu weinen. Mal so nebenbei bin ich mir nicht sicher, ob man die armen Zwiebeln nach meiner Malträtierung noch Zwiebeln nennen kann.
Wir haben im Waisenhaus mal einen Kochkurs besucht, wo ich auch Zwiebeln schälen musste. Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie habe ich die Zwiebeln so falsch geschnitten, sodass meine Tomatensauce blau wurde. Nun gut, vielleicht war das auch ein anderer Fehler, den ich begangen habe (ich verdächtige immer noch Vincent dafür, Lebensmittelfarbe in meine Sauce gekippt zu haben), aber mit den Zwiebeln kam ich trotzdem nicht klar.
,,Wenn ich schon mit dir kochen muss, dann möchte ich immerhin, dass mir die unschönste Arbeit erspart wird, also nimm dir jetzt ein Messer und schneide diese Zwiebeln in Stücke!"
,,Hab ich mir denn ausgesucht mit dir zu kochen?", möchte ich verwundert wissen und beginne, in der Hoffnung, dass ich es dieses mal richtig mache, die erste Zwiebel zu schälen.
,,Es war Isabelles Wunsch, nicht meiner", entgegnet mir Edward seufzend, der sich mit einem Brett und den Champignons neben mich stellt und die Pilze in kleine Stücke schneidet. Sein Hantieren mit dem Messer sieht deutlich professioneller aus, als meins- bei mir könnte man denken, dass ich mir jeden Moment die Finger abhacke.
,,Das ist voll sinnlos, gesundes Essen wird mich auch nicht beschützen, ich kann auch einfach Chips und Pizza essen! Obwohl, wenn ich es mir genau überlege, dann wird mir eine Pizza auch nicht das Leben retten. Naja, außer wenn jemand ein Messer nach mir werfen würde und ich genau in diesem Moment einen Pizzakarton vor meine Brust halten würde. Somit würde das Messer in der Pizza stecken bleiben und ich wäre gerettet. Aber die arme Pizza. Ich denke nicht, dass ich sie danach noch unbedingt gerne essen würde-"
,,Weißt du, wie du auch dein Leben retten kannst?", unterbricht Edward meinen Monolog, steckt sein Messer genervt in die Halterung und dreht sich zu mir. ,,Wenn du jetzt schweigen würdest, sonst bestünde nämlich die Chance, dass ich dieses Messer aus Versehen ich deine Brust ramme und glaub mir, ich spiele bereits mit dem Gedanken!"
,,Ach und wie willst du deinem guten Boss erklären, dass du schon am ersten Tag verkackt hast, auf mich aufzupassen? Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass das unbedingt gut für deinen Ruf wäre. Wie kamst du eigentlich zu diesem Job? Ich denke nämlich nicht, dass der überall angeboten wird. Das wäre dann ja überhaupt nicht unauffällig!"
,,Sei einfach ruhig und kümmere dich um die Zwiebeln, okay?" Er weicht also allen Fragen, die um seinen Job gehen, aus. Hauptsache ich weiß nichts. Aber das wird sich noch ändern. Ich verspreche es.
Während Edward und ich fertig kochen, passiert nicht unbedingt viel. Ich bespritze ihn beim Abwaschen eines Topfes mit Wasser und er motzt mich an, sonst passiert nicht wirklich etwas. Aber immerhin ist es das erste Gericht, dass ich in meinem Leben koche, ohne dass dabei die Küche explodiert oder es eine seltsame Farbe hat. Dafür verdient es schon einen Orden. Egal, wie ekelhaft es ist.
Wir essen das Geschnetzelte und ich muss sagen, ich bin positiv überrascht. Gesundes Essen kann wirklich lecker sein. Und dieses Essen ist schließlich nicht nur gesund, es ist auch noch von mir gekocht! Jedenfalls zur Hälfte. Na gut, ohne Edward wäre es nicht ansatzweise so gut geworden, aber immerhin wurde es durch mich nicht unbedingt schlechter.
Ich sollte aufhören, darüber zu philosophieren.
Nach dem Essen setzt sich Edward mit seinem Laptop (der übrigens ebenfalls von Apple ist- was läuft hier falsch?) auf die Couch. Ich räume noch schnell meinen Teller in die Spülmaschine und geselle mich anschließend zu ihm, in der Hoffnung, die Chance zu bekommen, irgendetwas aus ihm herauszuquetschen.
Damit er aber nicht sofort bemerkt, dass ich nur hier bin, um ihn auszufragen, schnappe ich mir die Fernbedienung und schalte den Fernseher ein. Ich zippe durch die Kanäle und bleibe schließlich bei Pro Sieben, trotz dessen, dass zur Zeit noch Werbung läuft. Danach sollte dort nämlich 'The Big Bang Theory' laufen, was so ziemlich das Beste ist, was heute läuft.
Doch kaum dass ich die Fernbedienung zurück auf den Couchtisch gelegt habe, fragt mich Edward: ,,Was genau machst du hier?"
,,Ich gucke fern."
,,Und wieso? Hast du nicht ein Zimmer, in dem du dich aufhalten kannst?"
Ich muss ein bisschen lachen, sobald er das sagt. Er scheint wirklich nicht zu verstehen, was Gesellschaft leisten ist. ,,Ja, aber in meinem Zimmer gibt es keinen Fernseher. Außerdem dachte ich mir, ich könnte dir etwas Gesellschaft leisten."
,,Ich möchte deine Gesellschaft aber nicht. Du störst. Und der Fernseher auch. Also geh jetzt bitte in dein Zimmer."
Seine Bitte vollkommen ignorierend, frage ich ihn: ,,Sag mal, weißt du eigentlich schon, wann ungefähr morgen meine Sachen kommen? Langsam möchte ich mich nämlich mal umziehen."
,,Um zehn Uhr morgens sollten ein paar Leute von der Organisation mit deinen Sachen kommen. Ach ja, da wären wir schon gleich beim Plan für morgen. Du stehst bitte um halb acht auf, um acht gibt es Frühstück. Danach werden wir joggen gehen, also um ca. halb neun oder neun. Dann werden wir pünktlich um zehn da sein, sodass du deine Sachen einräumen kannst. Nach dem Mittagessen gehen wir trainieren. Danach hast du Freizeit, ich muss dann nämlich noch mal raus, geht das klar?"
Ich schaue Edward verwirrt an. Er hat mir schon wider alle Fragen, die ich hätte stellen können im Voraus beantwortet. Aber er hat mir somit auch einen Trumpf gegeben: Er wird morgen aus dem Haus gehen, was bedeutet, dass ich dann auf Entdeckungstour gehen kann. In seinem Büro muss bestimmt etwas liegen, das mir Informationen gibt.
,,Wohin gehst du denn?", frage ich, um unauffällig herauszufinden, wie lange er ungefähr weg bleiben wird.
,,Das hat dich nicht zu interessieren. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest, ich muss noch einiges an Arbeit machen und du störst mich. Ich werde in mein Büro gehen. Gute Nacht."
,,Nacht, Eddieleini!", rufe ich ihm hinterher, während er dem Sofa schon den Rücken zugekehrt hat und in Richtung seines Zimmers läuft.
,,Nenn mich nicht so!", ist seine Antwort darauf, danach hört man die sich schließende Tür. Mit dem Entschluss, morgen endlich etwas herauszufinden, schaue ich wieder zum Fernseher und bemerke, dass die Folge bereits begonnen hat. Also höre ich auf, mir Gedanken um diese Scheiße, in der ich mich hier befinde zu machen und konzentriere mich auf den Fernseher.
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