III.

Kapitel 3

Irgendetwas stimmt nicht. Ein frischer Luftzug streicht an meinem Fuß vorbei. Deswegen bewege ich meinen Fuß, in der Hoffnung, dass es wärmer würde, doch nun dringt noch mehr Kälte ein. Ich stelle fest, dass ich unter einer Decke liege, die ich soeben bewegt habe, was alles nur noch schlimmer gemacht hat.

Da mein Fuß bereits kurz vor dem Erfrieren ist, öffne ich meine Augen und platziere die Decke so, dass mein gesamter Körper unter der Decke ist. Dabei komme ich leider nicht darum, meine Augen kurz zu öffnen, wobei mir etwas Seltsames auffällt. Die pissgelbe Wand und das Bett, das aus weißen Metallstangen besteht verraten mir sofort, dass ich in einem Krankenhaus bin.

Aber warum bin ich in einem Krankenhaus? Was ist passiert? Ich versuche mich an das Letzte, was mir passiert ist zu erinnern. Die Erinnerungen daran, dass Vincent, Vivien und ich Lisa im Krankenhaus besuchen wollten, kommen in mein Gedächtnis. Doch was passierte dann? Ich erinnere mich daran, dass mir schwindlig war. Dann bin ich umgekippt. Das wird wohl der Grund sein, warum ich hier bin.

Als ich mich auf den Rücken drehe, erkenne ich auch die vielen Piepgeräte, die immer um ein Krankenbett stehen. Links von mir ist ein Fenster, das Sonnenlicht in das Zimmer scheinen lässt. Auf meiner rechten Seite steht ein weiteres Bett, doch dieses ist leer.

,,Hallo?", schreie ich durch den Raum, in der Hoffnung, jemand wäre hier, doch anscheinend bin ich alleine. Da keiner kommt und ich keine Ahnung habe, was ich machen soll, schaue ich mich ein weiteres Mal um. Auf dem Schiebeschränken entdecke ich einen kleinen Schalter mit einem roten Punkt, um eine Krankenschwester zu rufen.

Diesen betätige ich und lege mich schließlich wieder auf den Rücken und denke darüber nach, warum mir gute Morgen so schwindlig wurde. Doch lange Zeit habe ich dafür nicht, denn drei Minuten später kommt lächelnd eine Krankenschwester ins Zimmer getreten. Es ist eine ziemlich junge Frau mit roten Haaren, die zu einem Pferdeschwanz gebunden sind.

,,Du bist wach, das ist schön", säuselt sie mit weicher Stimme und kommt auf mich zu. ,,Du wunderst dich bestimmt, was passiert ist, nicht wahr?"

,,Ich glaube, ich bin hingefallen, weil mir schwindlig war oder so", überlege ich deswegen laut, während ich die Schwester dabei beobachte, wie sie in einem Kasten, den sie mitgebracht hat, kramt.

,,Naja, ich bin kein Arzt, kann es dir deswegen nicht so genau sagen, aber man geht davon aus, dass du eine Überdosis Medikamente, die dein Körper nicht verarbeiten konnte, hattest. Dass du ständige Kopfschmerzen hast, wissen wir bereits, wir müssen uns also etwas Neues gegen deine Kopfschmerzen einfallen lassen, denn von den Tabletten verträgst du nur eine in der Woche. Dazu müsstest du später nochmal genauer mit dem Doktor über deine Kopfschmerzen sprechen.

Zuerst solltest du aber schlafen, morgen wirst du mit dem Doktor reden. Danach dürfen dich auch Freunde besuchen. Damit du aber auch richtig schläfst und deine Ruhe findest, gebe ich dir jetzt eine kleine Spritze, okay? Du wirst einschlafen, wundere dich dann also nicht. Das tut auch überhaupt nicht weh."

Sie kommt auf meine linke Seite des Bettes. Ich habe bei dieser Spritze aus irgendeinem Grund ein schlechtes Gefühl, immerhin habe ich zu viele Medikamente zu mir genommen, wieso sollte ich jetzt noch mehr davon bekommen? Dennoch lasse ich es zu, dass die Krankenschwester die Spritze an meiner Arminnenseite hinein sticht.

Kurze Zeit später schlafe ich ein.

***

Als ich das nächste Mal aufwache, friere ich nicht nur an meinen Füßen, sondern an meinem gesamten Körper. Ich liege auch nicht mehr unter einer warmen Decke, stattdessen sitze auf einem kalten, nassen Boden, meine Arme und Beine zusammengefesselt. Als ich versuche, meinen Kopf zu bewegen, bemerke ich, dass etwas über meinem Kopf ist. Vielleicht ein Sack? Oder eine Tüte? Irgendwie komme ich mir vor wie in einem schlechten Actionfilm.

Aber jetzt im Ernst? Eine Tüte auf dem Kopf? Das ist doch wirklich unnötig. Oder warum sitze ich überhaupt hier? Wurde ich entführt? Warum sollte man mich entführen? Das ist ziemlich unlogisch.

Schon das zweite Mal heute rufe ich: ,,Hallo?" Dieses Mal regt sich wirklich etwas vor mir. Ich höre Schritte und kurze Zeit später eine Tür, die zuschlägt.

Trotz dessen, dass diese Tür zu ist, höre ich draußen gedämpfte Stimmen. Ein Mann mit einer tiefen Stimme sagt: ,,Sie ist wach, geh ihn holen!" Schritte ertönen, dann ist es wieder still. Anscheinend ist der andere Mann verschwunden, um wen auch immer zu holen.

Ich seufze, weil sich so langsam ein Gefühl von Angst in mir ausbreitet, während mir trotzdem langweilig wird, doch keine zwei Sekunden später höre ich wieder Schritte. Dann einen Schlag und einen Aufprall. Die Tür öffnet sich und die Schritte werden lauter, jemand läuft auf mich zu.

Plötzlich hält dieser jemand mir den Mund zu. Aus Panik beginne ich zu schreien, doch die Hand drückt meinen Mund fester zu. Jemand flüstert neben meinem Ohr: ,,Sei still, ich hole dich hier raus!" Nach kurzer Überlegungszeit beschließe ich, dass ich sowieso keine andere Wahl habe. Deswegen nicke ich, auch wenn mir etwas mulmig zumute ist, da ich nicht weiß, wo ich bin und wem ich vertrauen sollte. Kurze Zeit später entfernt sich die große Hand von meinem Mund. Ich spüre, wie sich zuerst die Fesseln um meine Hände und danach um meine Füße lösen.

Das ist schon mal ein gutes Zeichen.

Zwei Hände ziehen mich an meiner Taille auf die Beine, sodass ich wieder stehe. Die selbe Stimme sagt nun zu mir: ,,Komm mit, wir haben nicht viel Zeit." Dieses Mal hat man herausgehört, dass es ein Mann ist, da die Stimme sehr tief und ruhig ist.

Der Mann führt mich aus dem Raum und schließt die Tür hinter uns. In diesem Moment frage ich mich, wieso ich mir nicht den Sack vom Kopf nehme. Da der Mann mich an meiner Taille führt und meine Hände deswegen frei sind, hebe ich meine rechte Hand an, um mir den Sack oder die Tüte vom Kopf zu ziehen. Doch der Mann hindert mich daran, indem er sagt: ,,Lass das."

Warum genau ich auf diesen wirklich unfreundlich formulierten Befehl höre, weiß ich nicht, doch irgendein Instinkt sagt mir, dass ich in noch größere Schwierigkeiten gelange, wenn ich jetzt einen Aufstand mache. Vielleicht sollte ich ein Mal in meinen Leben das machen, was mir gesagt wird, obwohl ich dieses Mal nicht weiß, von wem. Falls sich herausstellt, dass das ein Fehler war, war das mit Garantie das letzte Mal, dass ich auf jemanden höre. Mein eigener Wille ist doch stets der Beste.

Nach ein paar Schritten öffnet sich wieder eine Tür, wir laufen durch und es wird augenblicklich heller. Höchst wahrscheinlich sind wir nicht mehr im Gebäude. ,,Pass auf, hier liegt ein Wachmann", warnt mich der Mann, doch schon spüre ich an meinem Fuß etwas Warmes. Ich möchte laut aufschreien, doch halte mich noch im letzten Moment zurück, indem ich meine Lippen aufeinander presse und meinen Atem anhalte. Jetzt aufzuschreien wäre wirklich unvorteilhaft.

Wir laufen zuerst über einen ziemlich festen Boden, danach über eine Wiese. Mein Kopf rattert wie verrückt, da ich vollkommen überfordert von dieser gesamten Situation bin, hinzu kommt, dass sich alles sehr surreal anfühlt, was wohl daran liegt, dass ich soeben ein Medikament verabreicht hatte. Nach ungefähr drei Minuten bleiben wir schließlich stehen.

Der Mann lässt mich los, kurz darauf ertönt das Geräusch von dem Öffnen einer Autotür, woraufhin der Mann mir befiehlt:,,Steig ein!" Obwohl es wahrscheinlich nicht sehr ratsam ist, einfach bei fremden Männern ins Auto zu steigen, gehorche ich, schließlich habe sowieso keine andere Wahl. Bei dem Versuch, in das Auto zu steigen, stoße ich mir den Kopf, doch letztendlich sitze ich auf einem im Vergleich zu dem harten Boden von gerade eben unglaublich bequemen Sitz.

Sobald der Mann die Tür auf meiner Seite geschlossen hat, spiele ich mit dem Gedanken, einfach den Sack von meinem Kopf zu nehmen und abzuhauen, doch da fällt mir auf, dass ich keinen Schimmer habe, wo ich bin. Außerdem muss ich schon zugeben, dass ich dafür zu neugierig bin, denn ich frage mich wirklich, was das alles hier soll. Wurde ich etwa entführt? Und wenn ja, hat mich der Mann nochmal entführt? Oder gerettet? Um all das herauszufinden, sollte ich wohl weiterhin das machen, was er mir sagt.

Nachdem sich der Mann auf den Sitz neben mir gesetzt hat, startet er den Motor und wir fahren los. Genervt frage ich: ,,Darf ich jetzt dieses Ding von meinem Kopf nehmen?"

,,Nein", kommt es schlicht zurück. Das kann ja wohl kaum sein Ernst sein! Zwar habe ich gerade beschlossen, zu machen, was mir gesagt wird, aber das ist wirklich übertrieben. Immerhin bin ich eine Person mit einem freien Willen!

,,Also bitte, so hässlich bin ich auch nicht, dass ich so einen scheiß Sack auf meinem Kopf tragen muss!"

,,Ich habe nein gesagt und dabei bleibt es auch!" Und was für eine Autoritätsperson glaubst du zu sein, dass du mir so etwas sagen darfst?!

,,Wer bist du überhaupt?", frage ich ihn, da ich gerade realisiere, dass es vielleicht doch sehr dumm gewesen ist, zu einem fremden Mann ins Auto gestiegen zu sein. Mir fehlt es eindeutig an Erziehung. Aber wenn man es genau nimmt, war ich dort gefesselt und hier muss ich nur den Sack über meinem Kopf ziehen, also ist es hier besser.

,,Das hat dich nicht zu interessieren", antwortet mir der Mann kalt. Er scheint nicht unbedingt gesprächig zu sein.

,,Ich wette, du möchtest nur nicht, dass ich mir den Sack vom Kopf nehme, weil ich dann sehen würde, wie hässlich du bist", bemerke ich frech und verschränke meine Arme vor der Brust.

,,Es wäre nett, wenn du eine Klappe halten könntest", entgegnet mir der Mann darauf desinteressiert. Ich muss wirklich zugeben, dass er eine sehr schöne, raue Stimme hat. ,,Ich sage dir, wenn du gucken kannst."

Erneut seufze ich. ,,Kannst du dann immerhin das Radio anmachen? Es ist echt langweilig."

Ich höre, wie er auf ein paar Knöpfen an dem Auto herumdrückt, dann ertönt Musik. Aber nicht irgendeine Musik, sondern klassische Musik. Irgendein Klavierstück. Wer hört denn bitte sehr Klaviermusik in seiner Freizeit? Wohl kaum Menschen unter 50!

,,Jetzt im Ernst? Klaviermusik? Hast du nichts Besseres? Vielleicht etwas für eine Altersgruppe, die noch nicht die Steinzeit miterlebt hat?"

,,Ich hab dir gesagt, du sollst nicht reden, das nervt", beantwortet er mir nicht die Frage. Das wird nur jetzt wirklich langsam zu bunt! Was ist das denn bitte für eine skurrile Situation?

,,Ich wette, du bist so ein alter Typ mit Bierbauch im feinen Anzug, trägst eine Glatze und hörst klassische Musik. Das passt voll. Wahrscheinlich bist du so ungesellig, weil niemand dich mag. Du bist aber auch wirklich nicht gerade sozial, muss man dir lassen, also wundert mich das nicht unbedingt", überlege ich deprimiert und stelle mir dabei die Eisbeeren bei dem Film 'Zoomania' vor, die perfekt zu dieser Beschreibung passen.

,,Was verstehst du eigentlich unter 'still sein'?", fragt mich der Mann nun genervt und macht die Musik lauter, wahrscheinlich, um mich nicht mehr hören zu müssen.

,,Naja, ruhig zu sein ist nicht wirklich meine Stärke. Darf ich endlich den Sack von meinem Kopf nehmen?"

,,Das ist mir scheiß egal, ob das deine Stärke ist, oder nicht, Hauptsache, du bist still!" Dieser Typ ist wirklich sehr ungesellig. Um ihn in seiner Ungeselligkeit verroten zu lassen, bin ich aber wirklich still und höre ein paar Minuten der Klaviermusik zu, während ich versuche, meine Gedanken zu sammeln.

Soeben lag ich noch im Krankenhaus, dann war ich in irgendeinem Kerker gefangen und jetzt wurde ich von irgendeinem Typen 'befreit'. Wer weiß, vielleicht ist er gar nicht der 'Retter' sondern der 'Entführer'. Aber wieso sollte ich überhaupt entführt werden? Das ergibt einfach alles keinen Sinn!

,,Du darfst den Sack jetzt von deinem Kopf nehmen", teilt mir der Mann nach einiger Zeit des Schweigens mit.  Erleichtert ziehe ich mir den Sack vom Kopf und sehe zuerst durch das Fenster. Wir fahren gerade an der Cité, dem Einkaufszentrum am Stadtrand vorbei. Höchst wahrscheinlich sind wir soeben erst in die Stadt hereingefahren. Aber wo waren wir davor? Durfte ich das etwa nicht sehen und musste deswegen den Sack auf dem Kopf lassen. 

Denn die Theorie, dass der Mann nicht will, dass ich ihn sehe, weil er so hässlich ist, wird als mein Blick nach links fällt, nichtig. Um ehrlich zu sein, waren meine Einschätzungen völlig falsch. Er sieht gut aus. Ziemlich gut sogar. Der Mann hat rabenschwarzes Haar, das mittellang ist und verstrubbelt auf seinem Kopf liegt. Die Frisur ähnelt ein bisschen der von Leonardo DiCaprio als er noch jung war. Nur, dass seine Haare nicht blond sind.

Der Typ neben mir hat graue, schmale Augen, die Stärke und Temperament ausstrahlen und eine gerade Nase, die perfekt zu den hohen Wangenknochen passt. Er trägt ein schlichtes, weißes T- Shirt, das ein bisschen dreckig ist, doch sogar das sieht gut aus, als hätte er mit irgendwem gekämpft. Sein Alter würde ich auf zwanzig schätzen, denn er sieht eigentlich noch ziemlich jung aus. Trotz der Klaviermusik.

,,Doch nicht so hässlich wie erwartet?", erschreckt mich die raue Stimme des Mannes, sodass ich bemerke, dass ich ihn angestarrt habe. Peinlich berührt drehe ich deshalb meinen Kopf wieder nach vorne.

,,Doch, eigentlich schon", antworte ich ihm schließlich und schaue auf meine Klamotten. Mein einst weißes Hemd hat jetzt ebenfalls ein paar Flecken, doch meine sehen keineswegs sexy aus. Sie sehen bescheuert aus. Auch meine schwarze Jeans ist dreckig, doch diesen Dreck kann ich mit meiner Hand entfernen.

Danach schaue ich wieder aus dem Fenster und bemerke, dass wir bereits in der Stadtmitte angekommen sind. Wir fahren mit dem Auto den Berg zum 'Wagner', einem weiteren Einkaufzentrum hoch. Dort gibt es ein großes Parkhaus, was höchst wahrscheinlich auch unser Ziel ist.

,,Was machen wir hier?", frage ich deswegen und schaue den Mann von der Seite an, immerhin habe ich jetzt eine Ausrede, ihn anzustarren. Er würdigt mich jedoch keines Blickes, stattdessen bleibt er mit seinen Augen auf der Straße.

,,Das wirst du noch sehen", entgegnet er mir und ich weiß bereits, dass es sich nicht lohnt, weiter nachzufragen. Meine Neugier muss ich also im Schacht halten. Wir fahren in das Parkhaus ein und suchen dort einen Platz für das Auto. Sobald wir einen gefunden haben und der Motor des Autos aus ist, sagt der Mann: ,,Komm, steig aus", was ich auch tue, auch wenn ich stets nicht weiß, ob es das Richtige ist.

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Ungefähr so stelle ich mir Fees Outfit vor, falls es euch interessiert. Ich höre übrigens auch Klaviermusik in meiner Freizeit und bin eindeutig unter 50, also nehmt euch in Acht vor mir :)

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