SAM - 9
Als ich Max abklatsche, schenkt er mir einen mörderischen Blick. Vor allen Leuten kann er natürlich keine Szene machen. Das Mädchen in seinen Armen mustert mich wie ein angeschossenes Reh. Bau ich hier grade Scheiße?
Besser ziehe ich Max Begleitung nicht, wie ich es eigentlich geplant hatte, eng an mich. Stattdessen gehe ich in eine einem Rentner würdige Tanzhaltung. Das ist die Einzige, die für diesen Abend angemessen ist und brav schwofe ich mit ihr übers Parkett.
Man sieht ihr an, dass sie am liebsten schreiend davonlaufen würde. Aber sie tut es nicht. Das ist schon mal gut, oder?
„Wir wurden uns, glaube ich, noch nicht vorgestellt", sage ich. „Ich bin Sam."
Sie hat ihren Blick irgendwo in der Mitte meines Brustkorbs fixiert. Habe ich auf meine Krawatte gekleckst? Ich folge ihrem Blick kann aber nichts Ungewöhnliches an meiner Kleidung entdecken.
Okay, trotz unseres intensiven Erlebnisses - okay, meines Erlebnisses-hat sie offensichtlich nicht vor, sich mir vorzustellen. „Und du bist?", hake ich noch einmal nach.
Noch immer schweigt sie beharrlich. Okay, die ist stur. Doch ich weiß genau, wie der Abend enden wird. Ich gewinne immer.
„Verstehe. Du willst mir deinen Namen nicht verraten. Dann denke ich mir eben einen aus." Von meinem früheren Zimmer aus konnte ich vorhin beobachten, wie Max ihr vor dem Auto in die Schuhe geholfen hat, wenngleich ich sie von oben nicht erkannt habe. Was liegt da näher als:
„Cinderella?" Ach sieh an, es geht ja. Jetzt blickt sie aus ihren großen Augen zu mir hoch. Schwarze lange Wimpern umrahmen sie und lassen das Grün der Iris intensiv strahlen. Doch als ich versuche, Cinderella in die Augen zu sehen, schaut sie augenblicklich wieder weg. Wie frustrierend! Dann ist zu allem Überfluss der Song zu Ende und die Kleine lässt mich einfach stehen. Autsch.
Max grinst mich frech an, als er sie am Rande der Tanzfläche an sich zieht. Wie surreal! Soll ich mich jetzt wirklich mit einem schwulen Typen um ein Mädchen streiten? Während er sie zum Tisch zurückbringt, besitzt er auch noch die Frechheit mir hinter ihrem Rücken den Stinkefinger zu zeigen.
Fick dich doch selber, du Arschloch!
Aufmerksam beobachte ich Cinderella den ganzen Abend lang und warte auf den Moment zuzuschlagen. Nicht im wörtlichen Sinne. Das mache ich nicht, außer, wenn sie das gerne will.
Nur einen Wimpernschlag später läuft es, wie in schlechten Romanen: arglos schlendert sie mit ihrer Clutch unter dem Arm zur Toilette. Ich kann mein Glück kaum fassen! Da ich das Haus kenne, wie meine Westentasche, nutze ich den Heimvorteil des hier Aufgewachsenen und hefte mich mit wenigen Schritten an ihre Fersen.
Als sie wieder aus der Toilette zurückkommt, stehe ich bereits lässig an den Rahmen gelehnt, wie ich es schon hundert Mal getan habe und sehe sie mit gespielter Erleichterung an.
„Hey, Cinderella", spreche ich sie an. „Ich hatte befürchtet, du wärst schon gegangen."
Natürlich sieht sie mich an und fragt, was ich will. Und ich denke: „Dich an mich gepresst an einem ruhigen Ort. Nackt bis auf diese geilen Schuhe", ergänze meinen Text dann innerlich um die Frage: „Seit wann habe ich einen Schuhfetisch?"
Beides sage ich natürlich nicht laut, ich will sie ja nicht zu Tode erschrecken. Ich tue ein bisschen verlegen und sage stattdessen:
„Das gestern ist mir ein bisschen peinlich." Wie süß, sie wird tatsächlich rot. Wie eine Tomate. Nein, eher Kirsche.
„Kann das unter uns bleiben?" frage ich sie.
„Ja! Ja klar!", stottert sie verlegen „Ich hatte nicht vor, mit jemanden darüber zu sprechen."
Ich trete einen kleinen Schritt näher. Nicht zu nahe, damit sie sich nicht gleich bedroht fühlt. Dann lehne ich mich noch ein bisschen weiter vor, damit ich ihr ins Ohr flüstern kann. Tue, als ob ich zerknirscht wäre.
„Ich konnte einfach nicht aufhören, obwohl ich wusste, dass du uns beobachtest." Ich lege eine sekundenlange Kunstpause ein. „Nein, eigentlich weil du uns beobachtet hast."
Die Röte in ihrem Gesicht vertieft sich und ich verkürze die Distanz noch ein wenig, damit sie meinen Atem an ihrem Hals spüren kann und ich ihren Duft einatmen kann. Erdbeere. Am liebsten würde ich sie sofort anknabbern.
„Das Peinlichste", vertraue ich ihr flüsternd an, „ist, dass ich es jederzeit wieder tun würde, nur damit du mich nochmal so ansiehst."
Das ist nicht einmal gelogen. Das Wort „Schlafzimmerblick" wurde einzig und allein erfunden, um ihren Gesichtsausdruck beschreiben zu können.
Ich rechne schon damit, dass sie mich wegschiebt oder mich anschnauzt, sie steht aber da wie gelähmt; wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange. Und ich bin die Schlange, die ihr den Apfel der sexuellen Erkenntnis anbietet.
„Ich würde dir gerne dabei zusehen, wie du es dir selber machst", gestehe ich ihr. Ich stelle mir vor, wie sie langsam die Hand über ihren flachen Bauch wandern lässt, denn dass er flach ist, daran lässt ihr Kleid keinen Zweifel aufkommen, und diese Hand in ihrem Slip zwischen ihren Beinen verschwindet. Augenblicklich werde ich bei diesem Gedanken hart. Ich weiß nicht, was sich in ihrem Kopfkino grad für Szenen abspielen, aber ich sehe, wie sich ihr Brustkorb unter ihren hektischen Atemzügen hebt und senkt; ihr Blick ist verträumt.
Plötzlich erwacht sie jedoch aus ihrer definitiv mehr als leicht erregten Starre, tritt zwei Schritte zurück, faucht mich an: „Lass mich in Ruhe, du Widerling!"
Wow. Mit Schimpfwörtern hat sie es nicht.
Als sie versucht, sich an mir vorbei zu drängen, versperre ich ihr den Weg.
„Tut mir leid. Es tut mir wirklich leid", sage ich hastig. „Ich weiß auch nicht, was mit mir los ist. Ich bin total neben der Spur seit gestern. Sowas ist mir noch nie passiert und tut mir leid, dass...Ich hätte nicht davon anfangen sollen!"
Ich lege ihr eine Hand auf den Arm, um sie zu beruhigen. Sie zuckt zurück, als hätte sie sich verbrannt. Ich will sie lieber früher als später flachlegen, aber das Letzte was ich brauche, ist hier auf der Feier eine Szene. An ihrem Blick erahne ich, dass sie bereits kurz davor ist, mir eine zu machen. Ich muss die Sache hier irgendwie retten, bevor es zu einer Katastrophe kommt. Myra wäre sehr enttäuscht, wenn ich ihre Feier sprenge, dem ich Ihre Gäste bedränge.
Das mit der Kleinen bin ich mal falsch angegangen. So wie sie uns gestern angesehen hat, bin ich davon ausgegangen, dass es ein Kinderspiel wird, sie rumzukriegen. Doch sie ist eine härtere Nuss, als ich dachte. Sie zu knacken wird mir ein großes Vergnügen sein.
„Lass uns einfach wieder reingehen und das Ganze vergessen, falls du das kannst." Nee, kann sie nicht. Das sehe ich an ihren verhangenen Augen. Ich werde sie kriegen. Nur eine Frage der Zeit.
„Ich bringe dich zu deinem Tisch", sage ich und hake mich bei ihr unter, ohne auf eine Antwort zu warten.
Myra mustert mich skeptisch aus der Entfernung und auch Max zornige Blicke spüre ich. Sie brennen sich wütend in meinen Rücken. Am Tisch texte ich schnell Tony und den anderen: „Mache mich bald vom Acker. Bis gleich." Ich muss definitiv Dampf ablassen.
Der Club ist brechend voll. Zum frühesten Zeitpunkt der möglich war, habe ich mich abgesetzt und bin hergefahren. Bei einem Zwischenstopp an der Bar gehe ich in Gedanken durch, wie viel ich heute getrunken habe und stelle fest, dass es absolut akzeptabel ist. Oder auch nicht, wenn ich genauer drüber nachdenke. Weniger als die letzten Jahre, aber immer noch mehr als normal sein sollte.
Tony, Ian und John beugen sich gerade über die Ausdrucke, die ich mitgebracht habe. Weil ich etwas aus der Übung bin, und mein Streifzug gestern mit Lisa geendet hat, habe ich mich entschieden kleinere Fische auszusuchen: die eine ist Darstellerin in einer drittklassigen Serie. Die andere hat einfach nur Kohle und Langeweile und die dritte ist Anwältin und hat irgendjemandem in die Suppe gespuckt. Auf die letzte bin ich nur zufällig in der Klatschrubrik gestoßen.
„Die hier." Tony schiebt den Ausdruck der Anwältin über den Tisch.
„Wie immer vier Runden. Als Beweis gelten nur Videoaufnahmen, Fotos oder Artikel in der Presse."
Alles klar. Sie ist deutlich älter als der Durchschnitt, an den ich mich üblicherweise halte. Ich kann nur hoffen, dass sie auf jüngere Typen überhaupt anspringt, sonst habe ich mich selber ausmanövriert.
Da ich meine Hausaufgaben bezüglich aller drei Frauen bereits im Vorfeld gemacht habe, weiß ich genau, wo ich mein hoffentlich williges Opfer antreffe. Und wenn ich mich nicht zu blöd anstelle, dann schließ ich Runde eins heute schon ab.
Die Bar, in der man die hübsche Anwältin öfter sieht, ist gesteckt voll, das sehe ich bereits durch die Tür. Ein Schild weist explizit darauf hin, dass Waffen hier verboten sind.
Wenn das weitergeht mit den beschissenen Verboten, dann kann ich meinen Job bald an den Nagel hängen. Oder weil ich zu oft betrunken bin, um überhaupt noch regelmäßig zu arbeiten?
In der Bar pirsche ich mich an meine Erwählte heran. Sie hat alles, was ich mir von einer Frau erwarte. Genug Hüfte, um sich daran festzuhalten, üppige Oberweite, aber alles ist echt, und sie hat lange blonde Haare.
Von hinten remple ich sie an, tue dann sehr zerknirscht und frag, ob sie als Schmerzensgeld einen Drink annehmen würde. Als sie sich umdreht, schaut sie mich aus irritierend grünen Augen an und mein Herz stockt einen Moment. Das sind die falschen Augen. In diesem Moment wird mir sonnenklar, das mit dieser Anwältin nichts laufen kann. Mir steht der Sinn nach einem anderen Paar grüner Augen, in denen ich Lust spiegeln sehen will. Sollen die Jungs diese Runde ruhig unter sich ausmachen, ich muss mal ganz dringend telefonieren.
Ich brauche einen Namen...
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top