SAM - 39

An den Fährschiffanlegern tummelt sich schon wieder lauter Pöbel und Gesocks und ich bin sicher, dass zwischen den ganzen Verrückten meine Nachbarin ist, die es auf Mister Target abgesehen hat. Bereits seit drei Wochen lächelt seine dämliche Fresse von sämtlichen Target-Werbeanschlägen und ich schwöre, dass ich kotzen muss, wenn ich noch eine einzige Werbung von ihm sehe.

Warum sie ausgerechnet diesen weichgespülten Idioten ausgesucht und auf ihre Liste geschrieben hat, will nicht in meinen Kopf. Wer würde freiwillig mit dem rummachen? Und warum soll sie ihm ausgerechnet einen blasen? Also nicht, dass sie es wirklich tun muss, es reicht die Möglichkeit dessen zu beweisen.

Die ganze Zeit spielt sich in meinem Kopf in Zeitlupe die gleiche Szene ab, wie sie sich vor ihm hinkniet und dann...

Zur Hölle mit ihr. Warum kann sie nicht einfach ein nettes Mädchen sein, warum hat sie an dem Scheiß Spaß? Und wie lange geht das gut? Mit Mr. Target ist sie ganz nahe an einer Ablichtung in der Klatschspalte der Bravo.

Das Gelände ist voll bis zum Anschlag. Wie zum Henker soll ich ein Auge auf sie haben in diesem Alptraum von Gedränge. Hoffentlich ist sie nicht schon mit ihm abgezogen.

Doch dann entdecke ich sie. Das scheint ihr neuer Lieblingsort zu sein. Sie tanzt schon wieder auf einem der Picknicktische und schwingt lasziv ihre Hüften. Unter dem Gejohle der Umstehenden packt gerade ein anderes Mädel, könnte Lateinamerikanerin sein, Cats Hüften und lässt ihre Hände an den Außenseiten ihrer Oberschenkel hinuntergleiten.

Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein und der Kontrast der dunklen Hände auf Cats hellen Schenkeln ist im flackernden Schein der Feuerschalen gut zu erkennen.

Die Latina gleitet wie eine Schlange an Cat hinunter, drückt Cats Knie auseinander und windet sich, begleitet von neuerlichem Gejohle wieder nach oben, streicht dabei über die Innenseite von Cats Schenkeln, fast bis unter deren Roch. Dabei küsst sie die Stelle an Cats Hals, direkt unter ihrem Ohr, die ich unglaublich anziehend finde.

Die Hand der Fremden rutscht gemächlich nach oben und wandert über Cats flachen Bauch. Wie gebannt starre ich die zwei jungen Frauen an. Ich werde noch verrückt mit meiner Nachbarin. Ich hatte sie heute Morgen in meinem Bett neben mir. Und kann dort nichts mit ihr anfangen. Hier werde ich sofort hart.

Das geht offenbar nicht nur mir so. Mehrere Typen in unterschiedlichen Stadien des Alkoholnebels glotzen zu den beiden hoch. Unter anderem Jaden Thomas alias Mr. Target. Dieser kleine Satansbraten aus dem ersten Stock meines Hauses ist wirklich nicht zu stoppen.

Die Fremde zieht Cat jetzt vom Tisch auf eine der Bänke hinunter. Sie packt Cat im Nacken und presst ihren Mund auf Cats, wieder johlen die Männer um sie herum. Ganz ruhig, Samuel, ermahne ich mich, aber fuck, das ist sowas von geil ihr dabei zu zusehen.

Cat zwinkert Mr. Target zu und deutet mit dem Kopf Richtung Steg und setzt sich dann in Bewegung. Heilige Scheiße. Wie in Trance folge ich den dreien. Sie wird doch nicht wirklich?

Doch weit gefehlt. An einen Baum gelehnt küsst Cat diesen Jaden, während die Dunkelhaarige Schönheit sich über die weiteren Teile seiner Anatomie hermacht.

Aus dem Handgelenk schieße ich ein Foto und setze es in unsere Gruppe.

Obwohl sie eigentlich zu abgelenkt sein sollte von ihrem heißen Spielchen, greift Cat in ihre Tasche. Ein Hoch auf Niall und die Tatsache, dass Cat seinetwegen immer den Vibrationsalarm anhat.

Ungläubig blickt sie über ihre Schulter. Aus der Perspektive des Fotos hat mein schlaues Mädchen sofort geschlossen, wo ich stehe.

Moment mal. Mein Mädchen? Sie hat grad diese Fremde geküsst. Und diesen Werbe-Typen. Von „mein Mädchen" ist das meilenweit entfernt, oder?

Ohne zu zögern lässt sie Jaden und die Dunkelhaarige allein und schlendert zu mir. „Hey", sagt sie. „Was machst du hier? Suchst du neuen Ärger?"

Vorsichtig streicht sie mit ihrem Zeigefinger über meine Wunden. „Tut es noch sehr weh?"

„Nein, nicht so schlimm", sage ich. „Das ist nichts, was man mit ein bis zwei Aspirin nicht hinkriegen könnte."

Sie lacht. „Das erzähl mal Dan. Der jammert hier jeden voll, der bei drei noch nicht das Weite gesucht hat."

Augenblicklich erstarre ich, mein Blut scheint langsamer durch meine Adern zu fließen, als es noch vor ein paar Sekunden der Fall war.

„Hat er dich belästigt?", frage ich sie argwöhnisch und auf das Schlimmste gefasst. Alle meine Muskeln sind bis zum Zerreißen angespannt und ich bin bereit, ihn sofort zu suchen, wenn er sie nur schief angeschaut hat.

„Ganz ruhig." Sie legt ihre Hand auf meinen Brustkorb. „Wir haben uns nur unterhalten, ja?"

Shit. Das ist nicht besser, glaube ich. Trotzdem atme ich tief durch, versuche mich zu beruhigen, meine verspannten Muskeln zu lockern.

„Was hatte er Spannendes zu erzählen?", frage ich vorsätzlich desinteressiert.

„Ach das Übliche, was man eben sagt, wenn man aus dem Knast kommt, denke ich. Eher langweiliges Zeug."

Dann fängt sie an, an ihren Fingern abzuzählen. „Das fünf Jahre lang sind, das er viel Zeit zum Nachdenken hatte, das er bereut, was er getan hat."

Sie zuckt mit den Achseln. „Ach so, das einzig Interessante war, dass er nicht versteht, warum du freigesprochen wurdest, wo du sie doch als erstes durchgenommen hast. Und dass er dich dafür bluten lässt, dass du ihn bei den Bullen verpfiffen hast."

„Cat, so war das nicht", setze ich an. Aber wieviel will ich ihr erzählen? Wie soll ich ihr Sachen darlegen, für die ich selbst keine Erklärung finde?

„Ich weiß nicht, was ich sagen oder wo ich da anfangen soll", gebe ich zu und sehe die Blonde dann abwartend an.

Sie sieht mich ratlos an. „Sam, du musst mit mir nicht darüber sprechen. Du bist mir keine Rechenschaft schuldig."

Ihr Lächeln ist wie eine Absolution für mich.

„Holen wir uns was zu trinken, ja? Die alten Geschichten laufen uns nicht weg. Wenn der Drops mal gelutscht ist, dann ist er gelutscht. Das kann man nicht rückgängig machen."

Ihr Vergleich mit dem Drops ist schräg. Wider Willen muss ich grinsen. Gleichzeitig macht mir ihr mangelhaftes Risikobewusstsein Sorgen. Ist ihr klar, dass sie sich heute mit einem verurteilten Vergewaltiger unterhalten hat und gerade mit einem potentiellen Vergewaltiger auf dem Weg zur Bar ist?

Sie wohnt noch kein ganzes Jahr in der Stadt und trotzdem stellt sie mir an diesem Abend eine ganze Menge Leute vor, die sie aus Kursen, Seminaren und von keine Ahnung woher kennt.

Unter anderem das Mädchen, mit der sie vorher den Werbefuzzi klargemacht hat. Ich wette, dass keiner von ihren tollen Bekannten, auch nicht diese Elena, von ihrem Bruder weiß. Wie soll das laufen, wenn er hierherzieht? Will sie ihn im Keller verstecken? Zum Glück ist das nicht mein Problem.

Mein Problem ist gerade eher, dass ich irgendwann mit ihr nach Hause muss. Und das nächste Problem ist, dass ich getrunken habe. Schon ziemlich viel. Und ich bin noch immer scharf auf sie. Oder gerade deswegen. Keine Ahnung.

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