SAM - 2
„Ich gehe davon aus, sie fühlen sich etwas überrumpelt. Ihre Familie macht sich wirklich Gedanken um sie." Die Erwartung, dass die Psychologin mir innerhalb der nächsten Sekunden ein nerviges Gespräch aufdrückt, sitzt mir im Nacken. Das machen Psychologen üblicherweise: reden. Wie ich weiß, kann das äußerst lästige Ausmaße annehmen.
Mit einer Geste bedeute ich Dr. Sandman auf meiner Couch Platz zu nehmen. Sie setzt sich, streicht ihren Rock glatt und dann geht es prompt los mit dem Gequatsche: „Wenn sie nicht mit mir sprechen wollen,
ist das okay. Mein Job ist es lediglich, zu bewerten, ob sie aktuell eine Gefahr für sich oder andere darstellen. Insofern wäre es gut, wenn wir ein paar Worte wechseln würden, mehr ist nicht nötig."
Sie lächelt mich beruhigend an, bevor sie fortfährt: „Ihre Geschwister sind ernsthaft besorgt und ehrlich gesagt bin ich das ebenfalls. Allerdings aus anderen Gründen. Das Ergebnis einer vierjährigen psychologischen Behandlung ist das hier?"
Sie zeigt mit ihrer manikürten, zierlichen Hand auf das Chaos um mich herum und ich weiß, sie spricht nicht von den vielen Pizzakartons und Take-away-Schachteln. Sie meint meine Leergutsammlung.
Ich starre sie an und müsste jetzt wirklich etwas sagen, mein Gehirn spuckt aber nichts Brauchbares aus.
Doc Sandman mustert mich derweil stumm. Kein weiteres Gesülze und keine Ratschläge. Sie sagt einfach gar nichts. Das ist frustrierend. Kann ich von einer Kriseninterventionsmitarbeiterin nicht erwarten, gute Tipps zu bekommen?
Aber offenbar sieht sie ihre Aufgabe darin, hier zu sitzen wie ein Wachhund und mich nur durchdringend anzustarren.
„Gott ist das nervig", fluche ich, „Warum sagen sie nichts mehr?"
Diesmal erreicht ihr Lächeln tatsächlich ihre Augen und sie kommt weit weniger professionell, sondern eher menschlich rüber.
„Wir sitzen hier, damit sie mit mir reden und nicht umgekehrt."
Sie zuckt mit den Achseln. „Nach vier Jahren Therapie wissen sie schon alles, was ich jetzt an Stereotypen aus dem Hut zaubern könnte. In etwa so, wie ihnen klar ist, dass sie dringend duschen müssten." Sie zieht eine Augenbraue hoch.
„Aber sie tun es nicht. Weil sie es nicht wollen. Ihr freier Wille ist der Schlüssel. Deswegen funktioniert die Therapie nicht. Der Wille fehlt." Sie wartet nicht auf eine Antwort.
„Was sie wollen oder brauchen, das ist nicht ein Gespräch darüber, warum sie diese Woche im Vollrausch verbracht haben. Sie müssen über das reden wollen, was der Anfang dieser ganzen Geschichte war, in der sie drinstecken. Wenn sie an dem Punkt sind, an dem sie mit jemandem reden wollen, dann ergibt es Sinn, Ihnen Fragen zu stellen."
Sie setzt sich auf dem Sofa zurecht. „Was antworten sie wohl auf die Fragen einer Fremden? Nichts, was sie weiterbringt."
Sie steht auf und streicht ihren Rock glatt. Das scheint eine Macke von ihr zu sein. Dafür habe ich ein Auge. Mit Macken kenne ich mich aus.
„Ich sehe hier keine akute Gefahr, sie tun das, was sie schon sehr lange machen. Nachdem sie ihre Wohnung aufgeräumt haben, werden sie vielleicht weiter funktionieren wie zuvor. Jedoch nicht mehr als das. Wenn sie an einem Punkt sind, an dem sie vom Leben mehr erwarten als saufen und vögeln, wenn sie sich nach echter Nähe sehnen, dann rufen sie mich an oder diese Karen. Da draußen sind Menschen, die sich wirklich in Gefahr bringen, oder andere gefährden. Um die muss ich mich vorrangig kümmern."
Hä? Ist das jetzt wieder so ein Psychologen- Kram? Ich weiß es nicht und ich will es tatsächlich nicht wissen und ich will es nicht herausfinden und nein, verdammte Scheiße, das letzte was ich will, ist darüber reden, was da vor ein paar Jahren passiert ist. Geht auch nicht, weil ich es selber nicht einmal weiß.
Doc Sandman legt mir einen blauen Müllsack auf den Couchtisch und darauf platziert sie eine ihrer hübschen zartblauen Visitenkarten. „Den Weg nach draußen finde ich alleine. Versuchen sie in ihrem Leben aufzuräumen."
Dennoch stehe ich auf und folge ihr wie ein Idiot in den Eingangsbereich meiner Wohnung. Dort reicht sie mir wieder ihre kühle Hand und sagt: „Auf Wiedersehen, Samuel. Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen."
Den Müll hat sie wahrscheinlich schon tausend Mal in ihrem Leben erzählt.
„Auf Wiedersehen, Doctor Sandman", antworte ich mechanisch und dann ist die Psychologin draußen und ich bleibe zurück in meiner kleinen beschissenen Welt.
Die Dusche war bei Gott eindeutig eine gute Idee. Danach fühle mich sauber und erfrischt, aber körperlich bin ich total fertig. Die letzten fünf Tage habe ich mehr oder minder im Bett verbracht, aber erholsam war das nicht gerade. Es kommt überhaupt nicht in Frage, nur noch einen weiteren Tag mit Wichserei in meinem Bett oder unter der Dusche zu verschwenden.
Definitiv brauche mehr Abwechslung und etwas, dass diese Langeweile in mir füllt und hilft, den Druck nachhaltiger abzubauen. Dafür reicht meine eigene Hand nicht.
Prüfend werfe ich in einen Blick in den Spiegel. Mein Sixpack ist trotz der Sauferei die letzten zwei Jahre noch ganz akzeptabel. Dafür habe ich nämlich am Essen gespart und überschüssige Kalorien mit Lisa abgebaut, selbst wenn ich mich in Bezug auf Sport nicht mit Ruhm bekleckert habe.
Lisa ist für immer weg, Kumpel? Uh, gruselig. Rede ich mit meinem Spiegelbild? Wie ein bekloppter Wellensittich? Wenn ich nicht verrückt werden will, dann sollte ich langsam aber sicher wieder unter Menschen gehen. Ein paar Leute von früher anrufen und einfach schauen, was sich für Möglichkeiten ergeben.
Doch den Gedanken verwerfe ich. Die sind noch immer im Rennen um heiße Frauen und ich bin in einer Beziehung versauert. Erst mal sollte ich schauen, wie ich an einem angefangenen Abend wie heute alleine klarkomme.
Der Club, den zu besuchen ich letztlich entscheide, ist brechend voll, als ich ihn betrete. Leicht bekleidete Frauen, die jede Menge Haut zeigen, hüpfen durch die Menge und dann sehe ich LISA. Was zur Hölle macht sie hier? Einen Augenblick fühle ich mich wie gelähmt. Sie hat sich gerade erst von mir getrennt und zieht schon fröhlich durch die Clubs, das wurmt mich ein bisschen. Nein, das wurmt mich extrem!
Okay, Glashaus und Steine. Ich bin auch nicht in die Kirche zum Beten gegangen, sondern in den angesagtesten Club der Stadt. Vermutlich aus den gleichen Gründen wie sie: wir brauchen Sex wie Luft zum Atmen. Ihre Bekleidung zeigt jedem, dass sie gerne Typen anlocken will.
Sie sieht wirklich heiß aus in ihrem kurzen Rock. Sie hat einen makellos schönen Körper, was als Model nicht weiter verwundert. Endlose Beine, ein wahnsinniger Arsch, wirklich tolle Titten und diese langen, dunklen Haare und ihre goldenen Augen ziehen die Blicke der Männer magisch an.
Vermutlich müsste ich jetzt Trauer empfinden, weil sie für mich ab sofort unerreichbar ist. Aber ich fühle mich... erleichtert? Frei? Den ganzen Tag habe ich noch keinen Schluck Alkohol getrunken. Dem fiesen Monster in mir habe ich den ganzen Tag versprochen, dass es nicht betäubt werden muss, sondern heute endlich raus darf zum Spielen.
Lisa hier zu treffen, scheint ein Wink des Schicksals zu sein. Jede andere hätte mir heute gereicht, aber vielleicht, nein mit Sicherheit, kann ich heute einen Punkt unter das Kapitel Lisa setzen. Mein zufriedenes Grinsen kann ich mir nicht verkneifen. Showtime, Baby, heute spielen wir nach meinen Regeln. Nach zwei Jahren mit ihr wird es mir bestimmt gelingen, die richtigen Knöpfe bei ihr zu drücken, um sie in Versuchung zu bringen, ihre eigenen, albernen Regeln zu brechen.
An der Bar organisiere ich mir zunächst ein alkoholfreies Bier. Der Barkeeper sieht mich zwar etwas komisch an, zieht irritiert eine Augenbraue hoch, fragt aber nichts. Wäre bestimmt schwer, ihm zu erklären, dass ich den Abend mit all meinen Sinnen genießen will und was genau ich grade plane. Der hätte mich schneller vor die Tür gesetzt als ich „ficken" buchstabieren kann.
Möglichst auffällig starre ich in Lisas Richtung. Das Mädchen hat einen siebten Sinn. Oder heißt es sechsten Sinn? Egal, einen von beiden hat sie jedenfalls, denn sie dreht sich zu mir herum. Ihre Augen weiten sich erschrocken, doch als ich ihr überaus freundlich mit meiner Flasche zuproste, lächelt sie erleichtert.
Ich wende meinen Blick wieder ab und lasse ihn über die Menge gleiten, die unter den flackernden und zuckenden Lichtern zu den wummernden Bässen hin und her wogt. Was ich wissen muss, habe ich auf den ersten Blick gesehen. Ihr kurzes Top, das wie eine zweite Haut über ihren Brüsten spannt. Dazu extrem hochhackige Stiefel. Ihr Rock ist nicht mehr als ein breiter Gürtel. Ihr Outfit schreit geradezu "Fick mich. Hart!"
Dieser Rock ist gerade absolut perfekt, um es ihr hier nahezu überall ohne großen Aufwand im Stehen, Sitzen, Liegen, wahlweise von vorne oder hinten zu besorgen.
Shit, ich sollte mich besser ein bisschen zusammennehmen. Leider weiß ich jetzt bereits genau, wie sie sich anfühlen wird. Weiß wie sie schmeckt, wie sie stöhnt, wie es sich anfühlt, wenn sie geil ist und sich drängend an meinen Hüften reibt. Mein Körper weiß es nach der langen Zeit, die wir zusammen waren, zu meinem Leidwesen ganz alleine und ist bereit sie zu vögeln, seit ich sie an der Bar gesehen habe.
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