CAT - 52
„Sam sitzt noch immer", sage ich traurig und resigniert. Wir sitzen zusammen in unserer Stammkneipe und die „Jungs", wie Sam sie immer nennt, sehen mich betroffen an.
„Scheiße", spricht Ian aus, was wir alle seit Tagen denken.
„Glaubst du, ich weiß nicht, wie ich das fragen soll...", beginnt John verlegen, bricht dann aber ab.
Sein Zweifel macht mir Mut. „Nein, ich glaube eher, dass ihm jemand was anhängen will. Die Parallelen zum ersten Mal sind schon auffällig."
„Wer macht sowas?" Ian schüttelt den Kopf.
„Dan hat es schon einmal gemacht. Er wollte Sam schon mal in was reinreiten", wirft Tony ein. „Leute, ich will ihm nichts unterstellen. Aber er hat ja klar gesagt, dass er Sam bluten lassen will. Vielleicht ist das seine Art."
„James sagt, die Polizei war schon bei ihnen daheim und Dan musste auf die Polizei", sage ich müde.
„Da wäre ich ja gerne Mäuschen gewesen", meint Ian und alle stimmen zu, dass das Gespräch sicher interessant gewesen wäre.
„Dan hat nicht nur gesagt, dass er Sam bluten lassen will. Er hat auf einer Party unten an den Fähranlegern ziemlich mies bei mir über ihn gelästert", füge ich an.
„Du meinst auch, dass Dan was damit zu tun hat?", vergewissert Tony sich.
Ich zucke mit den Achseln. Vielleicht hat er, vielleicht nicht.
„Wenn er Dreck am Stecken hat, wird die Polizei das schon rausfinden", versichert uns John optimistisch.
Doch ich kann dem nicht wirklich zustimmen. „So wie die Polizei den Einbrecher gefunden hat?"
Betretenes Schweigen folgt der Frage und wir alle trinken schweigend zwei oder drei Schlucke unseres Getränkes.
„Wir könnten Dan vorsichtig auf den Zahn fühlen." Johns Vorschlag wird mit Nicken angenommen.
„Ich ruf ihn einfach an und sag, dass weil Sam weg ist jemand in unserer Runde fehlt. Vielleicht steigt er spontan ein, dann können wir ausloten, wie er zu Sam steht."
„Da gibt es nichts auszuloten. Wie Dan zu ihm steht weiß jeder." Ian knallt sein Glas auf den Tisch. „Ich sag euch was wir tun. Wir hauen ihm kräftig aufs Maul. Und dann wird er schon zugeben, dass er Sam hingehängt hat."
„Sehr subtil!", bemerke ich trocken. „Lässt sich vor Gericht bestimmt super verwerten. Das ist ein erzwungenes Geständnis. Das hilft uns nicht weiter."
„Dann rufe ich ihn an, ja?" John wählt Dans Nummer und ich halte die Luft an. „Hey Dan, wir sitzen hier grad blöd rum und überlegen, wer unser vierter Mann sein könnte, wo Sam im Knast ist. Wir dachten an Dich. Hättest du Interesse?" Nach einer kurzen Pause sagt er: „Halbe Stunde passt.", dann nennt er die Adresse, wo wir zu finden sind.
Die Jungs unterhalten sich leise, während wir warten, bin aber zu nervös um auf die Gespräche zu achten. Tony hat einen Arm um mich gelegt und tätschelt immer wieder meine Schulter.
„Sieh an, Sams Hure ist auch da!", sagt Dan, bevor er nur einen von uns richtig begrüßt hat und im selben Moment weiß ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
Ich habe niemandem von dem Schriftzug über meinem Bett erzählt, nur die Polizei weiß davon. Und ich. Und Dan. Und derjenige, der die Spraydose genutzt hat, um Gruß an meiner Wand über dem Kopfende zu hinterlassen, sofern das nicht Dan selber war.
„Ich bin niemandes Hure, du Arsch! Und wenn du einsteigen willst, setz dich und halt dein Maul oder verpiss dich!", antworte ich ihm gelangweilt - sorry, Oma! und schmiege mich enger an Tony.
„Übertreib's nicht, Baby", ermahnt Tony mich. „Sonst muss ich dir später Benehmen beibringen."
Dann legen wir alle unsere Listen auf den Tisch. Ich habe hoch gepokert und handle mir fragende Blicke ein und Dan beginnt schallend zu lachen. „Du gefällst mir!", er zwinkert mir zu, als die Liste ihn erreicht. Sein Name steht auf Platz eins meiner Liste und Dan streicht ihn. „Das wäre echt zu einfach. Dass ich dich jederzeit ficken würde ist wohl klar", kommentiert er, woraufhin ich leicht würge. Aber ich habe es ja nicht anders gewollt. Dan gibt den Zettel weiter, dann lässt er den Blick von meinem Gesicht über meinen Mund zu meinem Busen wandern und ich beiße mir auf die Lippen, um ihn nicht anzumeckern, dass er gefälligst woanders hinschauen soll.
Am Ende habe ich nicht gerade meinen Wunschkandidaten, aber ein Zeichen gesetzt; Dan wird meinen, dass ich ihn heiß finde und das ist vielleicht die halbe Miete. Dass er interessiert ist, das hat mir sein Ausspruch ja bestätigt.
„Wir sehen uns später bei mir, Baby", sagt Tony und zieht mich zu sich. Von Tony und den anderen verabschiede ich mich wie immer mit einem Kuss auf die Wange. Lediglich bei Dan zögere ich ein wenig. „Nur nicht so schüchtern", zieht er mich auf und deutet mit dem Zeigefinger auf seine Wange. Uah, neee. Trotzdem überwinde ich mich und küsse ihn flüchtig.
„Bis bald, Jungs. Und passt schön auf mein Geld auf." Dann verlasse ich mit schwingenden Hüften die Bar.
Kurz darauf sehe ich, wie Dans Handynummer von John in die What's-App-Gruppe aufgenommen wird, kurz darauf schreibe ich ihn direkt an. „Lust auf einen Drink?"
Sekunden später schreibt er zurück: „Zwei wären mir lieber. Auf einem Bein kann man nicht stehen. Fähranleger?", fragt er.
Und ich schreibe: „Geht klar."
Dann informiere ich die Jungs, dass er angebissen hat und fahre mit dem Aston die kurze Strecke zum Fluss.
Dan lehnt am Eingang zum Gelände als ich parke; eine Dose Bier in der Hand.
Sam würde mich umbringen, wenn er hiervon wüsste.
„Hey", sage ich. Er reicht mir sein Bier. „Sorry, ich mag Bier nicht", lehne ich dankend ab.
Sicher werde ich nichts trinken, was er in der Hand hatte und das nicht mehr verschlossen ist. Ich bin ja nicht bescheuert.
„Okay, suchen wir der Lady was, das ihr schmeckt!"
Ich entscheide mich für Jackie mit Cola und er lobt meinen guten Geschmack. Schleimer. Echt widerlich.
Wir setzen uns ans Lagerfeuer und dann kommt der Moment der Wahrheit. Ich muss mir ein Gespräch aus den Lippen leiern. „Dein Gesicht sieht wieder so hübsch aus wie vor der Prügelei", schmeichle ich und hoffe, dass er den Braten nicht riecht.
„War aber ganz schön heftig, wie dein Freund mich angegangen ist.", mosert er und in diesem Punkt muss ich ihm leider Recht geben. Dan lag am Boden und Sam hat noch mehrmals versucht nachzutreten. Das gehört sich nicht.
„Er ist nicht mein Freund", wehre ich lachend ab. „Er strampelt sich ganz schön ab. Er tut mir beinahe leid, aber er ist einfach nicht mein Typ."
Dan mustert mich prüfend.
„Sam sagt mir jede Woche zwei oder dreimal, wie sehr er mich mag. Bin froh, dass ich ihn grad mal ein bisschen vom Hals habe. Er steht glaub ich ziemlich auf mich, aber wie gesagt, das ist eine Einbahnstraße."
„Kann mir schon vorstellen, dass er auf dich steht. Bist ja ein hübsches Mädel."
Danke für die Blumen, du Arsch. Aber leicht zu beeindrucken bin ich nicht. Da musst du dich mehr aus dem Fenster lehnen, mein Freund.
Trotzdem sage ich: „Danke für das Kompliment."
„Und was läuft mit Tony?", hakt Dan nach und ich grinse ihn an. „Das geht dich einen Scheiß an. Wir können einen netten Abend haben, was trinken, tanzen und dann mal schauen, aber sicher breite ich nicht mein Privatleben vor dir aus. Also was ist?"
Er steht auf und zieht mich zu der improvisierten Tanzfläche. „Netter Abend klingt gut für mich."
Spaß ist was anderes als das hier. Ich muss mich immer wieder beherrschen, Dan nicht anzufauchen, wenn er mich antatscht. Grade tanzt er mich wieder von hinten an und seine Hand liegt auf meiner rechten Pobacke.
„Hat dir schon mal jemand gesagt, was du für einen geilen Arsch hast?"
Bäh, das ist echt ätzend! Aber wahrscheinlich, weil er es sagt? Wenn Sam mir anzügliche Komplimente macht, stört mich das nicht. Im Gegenteil ich krieg immer Herzrasen, schwitzige Hände und zwischen meinen Beinen kribbelt es unerhört. Bei Dan passiert gar nichts.
„Du, hör mal", sage ich kurz nach Mitternacht, „ich muss langsam heim. Mein Bruder wartet auf mich. Er braucht seine Medikamente."
„Sehe ich dich wieder?", fragt er und ich lege, wie mit den Jungs besprochen, meinen Köder aus.
„Ich weiß nicht. Mein Bruder findet es nicht gut, dass ich mich mit Männern rumtreibe. Er hat immer Angst, dass ich mich vor der Ehe für was Dummes hergeben könnte. Auch wenn ich das nie machen würde."
Und da ist es: das gierige Glitzern in seinen Augen. Ich bin sein Jackpot.
Mir wird fast schlecht. Aber ich weiß, dass alles gut ist. Ich bin mit dem Auto hier. Und die Jungs haben mich im Auge. Sobald der Lastenaufzug schließt, ist die Fabrik wie eine Festung. Ohne den passenden Code und den Fingerabdruck kommt keiner rein und keiner raus. Zumindest theoretisch.
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