CAT - 51

Mein Herz blutet. Meine Seele brennt. Tränen rinnen unaufhaltsam über mein Gesicht. Niall hält mich mit seinem gesunden Arm so fest, dass ich beinahe nicht mehr atmen kann. Oder liegt es daran, dass meine Nase vollkommen verstopft ist?

Ich schnappe nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Werde langsam panisch, weil ich nicht mehr atmen kann.

„Ruhig, Cat. Ruhig. Du musst dich beruhigen."

Er war die ganze Nacht weg. Ich war froh, ihn wieder zu haben. Und nun das!

Wir haben nie miteinander geschlafen, nicht einmal. Aber er hat dieses Mädchen... angeblich mehrfach... oh mein Gott, ich kann nicht darüber nachdenken. Ich werde verrückt!

Max sagt etwas zu Niall, aber ich kann vor lauter Schniefen nicht hören, was es ist. Niall lockert seinen Griff und Max dreht mein Gesicht zu sich.

„Tut mir leid Prinzessin", sagt er. Dann schmiert er mir eine. Erschrocken atme ich ein, als sich der Schmerz meine Nervenbahnen einen Weg bis in mein Gehirn brennt.

Ich reibe meine Wange und ich schwöre, wenn ich von der Heulerei nicht völlig erschöpft wäre, dann würde ich ihn jetzt schlagen!

„Ich verstehe das nicht. Er hat Niall und mir ein zu Hause gegeben. Er hat Niall eine Perspektive gegeben, wie er wieder arbeiten kann. Er hat gesagt, dass er mich liebt und dass er sich eine Zukunft mit mir wünscht", näsele ich.

Niall, James und Max sind genauso ratlos wie ich. Wir stehen alle vier unter Schock.

Ich hatte nicht einmal die Zeit, mit ihm zu sprechen, ihn zur Rede zu stellen. Im Laufe des Tages wollte ich in aller Ruhe in Erfahrung bringen, wo er die Nacht verbracht hat. Warum er verdammt noch mal so fertig war, dass er auf dem Boden geschlafen hat.

„Das ist ja eine tolle Masche, immer zu behaupten, man könne sich an nichts erinnern", murrt Niall, nachdem ich ihm berichte, was der Anwalt mir in Sams Auftrag ausgerichtet hat.

„Aber was, wenn es keine Masche ist? Was wenn es wirklich so ist?" Ich will mich noch ein wenig an diesen Strohhalm klammern, will glauben, dass Sam Geschichte stimmt.

Ich weiß, wie er leidet unter der Ungewissheit, was vor fünf Jahren geschehen ist. Dasselbe noch einmal durchmachen zu müssen, das ist unvorstellbar.

„Die Ermittlungen laufen noch", ermahne ich Niall, „daher bitte keine voreiligen Schlüsse. Seine Schuld konnte beim letzten Mal nicht bewiesen werden. Vielleicht ist es diesmal genauso."

„Nicht bewiesen bedeutet nicht zwangsläufig, dass nichts passiert ist", gibt Niall zu bedenken. Er will nur, dass ich mir keine falschen Hoffnungen mache, trotzdem ärgere ich mich über diesen Kommentar. Zum Streiten bin ich jedoch zu müde, zu ausgelaugt, zu gelähmt.

Ich vermisse Sam mit jeder Faser meines Körpers, ich lag die ganze Nacht wach und habe mich nach ihm gesehnt. Für den Moment will ich die Illusion, dass alles irgendwie gut werden könnte, nicht aufgeben. Ich finde, daraus kann man mir keinen Vorwurf machen.

Sams Anwalt meinte, es sei ungünstig, dass Sam seine Therapie abgebrochen hätte. Das macht mir bereits genug Sorgen. Niall soll seinen Pessimismus doch mal einfach bei sich lassen!

Dass eine Freilassung auf Kaution möglich wäre, hat der Anwalt nicht verneint, meinte aber, die Fälle würden sich eklatant ähneln; man müsse einfach abwarten, was der Haftrichter entscheidet. Er würde keine Prognose wagen.

„Ich geh nach oben und leg mich nochmal hin. Ich bin total fertig", sage ich, froh über die Tatsache, dass ich noch Spring Break habe. Doch dann steigen mir die Tränen wieder in die Augen. Ich wollten doch diese Woche einen Kurztrip machen. Ich hatte gehofft, dass ein Zelt die perfekte Mischung für Sam und mich sein könnte, damit etwas zwischen uns passiert.

Das Bett, in das ich mich in Sams Wohnung verkrieche, riecht dermaßen vertraut nach ihm, dass ich wieder völlig die Fassung verliere. Ich umschlinge sein Kissen und weine mich in einen unruhigen, einsamen Schlaf, aus dem ich wie gerädert erwache. Ich habe nur und ausnahmslos wirres Zeug geträumt! Von dieser Nadine, von Sam, von Dan, von Waldwegen und von fremden Autos. Von rot karierten Keksen und blauen Krokodilen.

Aber ich hatte mal einen Plan. Damals am Steg. Aber dann kam mir dieser verblödete Einbruch in die Quere und ich habe die Idee aus den Augen verloren, weil sie nicht mehr oberste Priorität hatte. Ich hatte Sam damals bis zum Anschlag abfüllen wollen, um zu sehen, ob er einen Filmriss haben würde. Hatte er aber offensichtlich nicht und als ich ihn am Morgen wachgerüttelt hatte, war er kein bisschen desorientiert.

Auch nach unserem missglückten Date, wo er echt übelst dicht war und nachts um drei verzweifelt bei mir geklingelt hatte, wusste er am Morgen noch, dass ich ihm gestanden hatte, verliebt in ihn zu sein. Ich schwinge mich aus dem Bett und fahre mein Laptop hoch. Dann öffne ich Google. Google weiß alles, oder?

Eine halbe Stunde später schließe ich das Fenster frustriert wieder. Offenbar findet man über Google eine Menge raus, aber eben nicht alles und manchmal nicht das, was man sich am meisten wünscht.

Die Grenzen, ab wann und im welchem Maße Gedächtnisverluste auftreten scheinen individuell unterschiedlich zu sein. Allerdings treten sie ab einer Grenze von 1,5 Promille öfter auf. Da Sam beide Male mehr Blutalkohol aufwies, ist seine Aussage nicht unglaubwürdig.

Allerdings ist eines der Probleme bei den Blackouts, dass sie nur bruchstückhaft sein können, nicht unbedingt geblockt auftreten müssen. Somit wäre es denkbar, dass Sam öfter Blackouts hat, aber er nicht weiß, was er nicht weiß...

Das bringt mich nicht weiter und beruhigt mich auch nicht. Ich dachte, wenn es zwei Mal aufgetreten ist und sonst nie, würde es vielleicht auf besondere Umstände hindeuten. Vielleicht ist das aber nur eine fixe Idee. Ich hatte kurzfristig gedacht, dass ihm jemand k.o-Tropfen untergeschoben hätte, aber das hätte man ja am Blut feststellen müssen. Allerdings nur, wenn darauf untersucht wurde.

Resigniert reibe ich mir mein Gesicht. Was nun? Was soll ich glauben, was nicht? Wie ehrlich war Sam zu mir? Was hat er verschwiegen, wo hat er was erdichtet? Mir schwirrt der Kopf von all den Fragen und dass sich Misstrauen wie ein giftiger Stachel in mein Herz bohrt, macht es nicht besser.

Dennoch, er hat verdient, dass ich mich mit der Sache weiter befasse. Motiviert bis in die Knochen rufe ich den Anwalt an und frage nach.

Dieser nimmt mir den Wind aus den Segeln. Im ersten Fall sei nicht auf entsprechende Substanzen getestet worden. Dieses Mal sei es auf Grund des verstrichenen Zeitfenster nicht mehr möglich gewesen sein Blut auf alle als k.o-Tropfen in Frage kommende Stoffe zu überprüfen, auf zwei mögliche sei er negativ getestet worden.

Was eigentlich perfekt ist, oder?

Will man jemandem was anhängen, gibt man demjenigen irgendwelches Zeug, begeht eine Straftat, wartet, bis sich das Zeitfenster zum Nachweis schließt und informiert dann die Polizei.

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