CAT - 23
Sam sieht einfach fantastisch aus in seinem weißen frisch gebügelten Hemd und der hellen Jeans. Er trägt sogar ein Sakko. Und er meint es ganz offensichtlich ernst, dass er nichts mit mir anfangen wird. Als ich bei ihm geduscht habe, wäre der perfekte Moment gewesen für einen Annäherungsversuch, der aber nicht stattfand.
Trotzdem stehe hier und schmachte ihm nach, während er in die Dunkelheit davonbraust. Sehr melodramatisch, Cat! Fang bloß nicht an zu sabbern!
Und er ist netter als Max immer behauptet.
Ich dachte wirklich, wenn ich bei ihm duschen gehe, käme er vielleicht in Versuchung. Doch er nimmt seine Prinzipien offenbar sehr ernst und vielleicht sollte ich es mal mit Hotpants und bauchfrei versuchen.
Seufzend wende ich mich dem Haus zu und suche nach Emmi.
Sie umarmt mich stürmisch. „Ich vermisse dich jetzt schon. Ohne dich ist es einfach nicht dasselbe", quietscht sie, dabei bin ich erst einen halben Tag weg. Einen halben Tag, den sie ohnehin hier verbracht hat.
„Ich vermisse dich genauso!", sage ich lachend. „Ich habe dir was mitgebracht."
Gespannt ob es ihr gefällt, übergebe Emmi mein Geschenk und als sie es öffnet, quietscht sie erneut vor Freude. Es ist die erste CD ihrer Lieblingsband „Servile Crows" und zwei Eintrittskarten. „Ich dachte, es gäbe keine Karten mehr." Sie hopst in typischer Emmi- Manier auf und ab.
„Gibt es auch nicht, Emmi. Cat hat mit dem Frontmann geschlafen und dann hat er ihr zwei gedruckt."
„Max, du blöder Arsch! Schön dich zusehen!", motzt Emmi.
„Happy Birthday, Süße!"
Ja, bei Max sind wir alle Süße, Prinzessinnen, Zuckermäuse oder Häschen.
Dann umarmt er mich.
„Ich muss weiter Leute, da kommen zwei Mädels aus dem Wohnheim, die muss ich begrüßen!", quietscht Emmi.
„Sie ist im Quietsche-Modus", meint Max trocken und sieht ihr kopfschüttelnd nach. „Das ist echt anstrengend! Wir holen uns besser was zu trinken, dann kann man sie leichter ertragen."
„Hat schon jemand was in die Bowle geschüttet?", frage ich und Max lacht. „Jepp, James hat schon für alles gesorgt!"
„Dann für mich mit extra vielen Pfirsichen", zwitschere ich und folge ihm nach drinnen, wo im Esszimmer auf den massiven Holztischen Essen und Getränke aufgetürmt sind.
„Aber jetzt mal ohne Scheiß, was läuft zwischen dir und Sam?", fragt mich Max, während er zwei Becher mit dem süßen Alkohol und den Stückchen von Dosenpfirsich füllt.
„Die Frage hatten wir schon. Und die Antwort ist die gleiche wie damals. Nichts. Absolut nichts.", antworte ich und versuche diesmal die Enttäuschung aus meiner Stimme herauszuhalten, die ihn beim letzten Gespräch zu argwöhnischen Blicken verleitet hat.
„Aber das war schon sein Auto, dass ich gehört habe?", erkundigt er sich gespielt beiläufig.
Ich nicke. „Er hat mich hergefahren. Und holt mich später wieder ab. Das ist aber schon alles."
Max sieht mich schief von der Seite an.
„Aber es ist was zwischen euch gelaufen, oder?"
Wäre echt toll, wenn ich jetzt nicht rot werden würde, doch die verräterische Wärme kriecht bereits meinen Hals hinauf und brennt auf meinen Wangen.
Kopfschüttelnd steuert Max mich geschickt hinaus in den Garten, wo wir uns am Bootssteg, in relativer Ungestörtheit, hinsetzen.
„Vielleicht", sage ich ausweichend. Und er sieht mich interessiert an. „Nun lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, Prinzessin." Fragend wackelt er mit den Augenbrauen.
„Naja, ich habe ihn zufällig in einem Club kennengelernt und dann haben wir uns auf der Party seiner Schwester kurz unterhalten, danach hat er sich wohl bei jemandem meine Nummer und Adresse besorgt und dann waren wir zusammen im „Granny's". Er wollte nicht, dass ich mir falsche Hoffnungen mache. Naja, und die Sache von der Migräne weißt du ja schon."
Die ganze Zeit kreuze ich meine Finger hinter meinem Rücken, ich habe wirklich ein ganz schlechtes Gewissen, ihm Halbwahrheiten aufzutischen. Halbwahrheiten sind bekanntlich die größten Lügen. Doch ich finde nicht den Mut ihm zu berichten, wie schamlos ich mich im Club und dann im Wohnheim benommen habe.
Max legt einen Arm um meine Schultern. „Und irgendwann dazwischen, und darauf verwette ich meinen Arsch, hat er dich angegraben und betatscht. Du vergisst offensichtlich, wie lange ich ihn kenne!"
Max seufzt. „Das hätte ich dir gerne erspart. Ich sag ja, der Typ bringt nur Ärger und Herzschmerz. Und ich dämlicher Arsch habe noch mit ihm geredet, dass er gefälligst mal Verantwortung übernehmen soll, für den Scheiß, den er verbockt."
„Geht es mal wieder um deine große Liebe Sam?", fragt James spöttisch und ich wundere mich, dass in seiner Stimme zur Abwechslung mal keine Eifersucht mitschwingt.
„Der Typ ist aber wirklich heiß", setzt er dann noch hinzu, während er sich neben Max fallen lässt. Dann zieht James seine Schuhe aus und hält die Füße in den eiskalten Fluss.
„Ich bin heiß", zischt Max ihn an.
„Klar, aber das weißt du doch. Ich sag es dir täglich", antwortet James und küsst Max zärtlich mitten auf den Mund.
„Hör auf, James! Was ist, wenn uns jemand sieht!"
„Ja, was ist denn, wenn uns jemand sieht?", fragt James gedehnt und eine Spur gereizt.
„Es hat euch jemand gesehen", bemerke ich trocken.
„Du zählst nicht. Du weißt von uns", mault James. „Damit du uns immer schön decken kannst."
Seine Augen funkeln zornig in der Dunkelheit und ein verletzlicher Ausdruck huscht über James geradezu erschreckend hübsches Gesicht.
„Weißt du was? Du kannst mich mal!"
Wütend springt Max auf und geht einfach. Was war das denn jetzt? Krisenstimmung im Paradies? Jedenfalls bleibe ich hier mit James hocken, der noch nie mehr als drei Sätze mit mir geredet hat.
„Was ist mit ihm los?", frage ich und sehe Max nach.
James lässt sich auf dem Steg nach hinten fallen und verschränkt die Arme im Nacken.
„Ich blas ihm später einen, dann beruhigt er sich wieder", sagt James dann versonnen. Bestimmt werde ich feuerrot, denn meine Wangen fühlen sich in der Kühle der Nacht plötzlich ganz heiß an.
Das mit dem Erröten wird langsam zu einem entnervenden Dauerzustand. James stemmt sich hoch und stützt sich auf einen Ellenbogen und mustert mich schräg von der Seite. In der Dunkelheit wirken seine Augen fast schwarz.
„Solltest du bei deinem Typen mal versuchen. Der steht da sicher drauf." Er sinniert kurz. „Und am besten in seinem geilen Auto."
Ich bin in einem Paralleluniversum gelandet, in dem der Partner meines schwulen Freundes nicht nur mit mir spricht, sondern mir Ratschläge gibt.
„Ich habe sowas noch nie gemacht", gestehe ich. „Ich wüsste überhaupt nicht, wie ich das anstellen soll." Es wird zur allmählich Gewohnheit, dass ich rede, bevor mein Peinlichkeits-Filter anspringt.
„Du bist ein merkwürdiges Mädchen. Bei deinen Lippen könnte man meinen, du hättest schon mehr Männer damit um den Verstand gebracht, als du an zwei Händen abzählen kannst." Wieder mustert er mich. „Ich würde dir ja Nachhilfe anbieten, aber ich steh leider gar nicht auf Frauen", seufzt er.
„Naja, trotzdem danke für den Tipp", sage ich noch immer knallrot und trinke meinen Becher leer. „Selbst wenn ich jetzt nicht schlauer bin als davor."
„Muss ich mehr ins Detail gehen?", fragt er lachend.
„Ne, du, lass mal. Das wird nie ein Thema sein. Er hat da seine Prinzipien schon deutlich klar gemacht." Keine Ahnung, warum ich James das anvertraue. Aber es ist schön, überhaupt mit jemandem zu reden.
„Glaub mir, Max hatte starre Prinzipien. Und er hat mir immer wieder gesagt, dass er nicht das kleinste bisschen auf Jungs steht. Aber ich habe ja gesehen, wie er Sam angesehen hat, sobald er dachte, keiner beobachtet ihn. Sam war jahrelang der Traum seiner schlaflosen Nächte. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie es war, als ich Max endlich berühren durfte. An Küssen war da noch gar nicht zu denken!" Er setzt sich hin und dreht sich eine Zigarette. „Auch eine?", fragt er mich.
„Danke, ich rauche nicht."
„Stört es dich, wenn ich?"
Wow, nett und sehr rücksichtsvoll. Ich sage ihm, dass er gerne rauchen kann und ich beobachte, wie er Rauchkreise in die Luft bläst. Er macht heute einen total entspannten und zugänglichen Eindruck. Vielleicht weil er gesehen hat, dass Sam sich langsam aber sicher in meine schlaflosen Nächte schleicht und kapiert hat, dass ich Max nicht mehr als Freundschaft entgegenbringe.
„Denkst du, er wird irgendwann zu mir stehen?", fragt James nach einer Weile in die Stille.
„Ich weiß nicht. Max hat lange gebraucht sich einzugestehen, dass er auf Jungs abfährt und dich mag. Vielleicht braucht er noch eine Zeit. Er hat Angst wegen seiner Eltern, wegen der Reaktion der anderen."
„Jeder weiß, dass ich schwul bin. Trotzdem ist keiner ätzend zu mir. Ich bin nicht mal aus der Verbindung geflogen oder so."
„Max müsste sich aber outen und gleichzeitig dich als Partner präsentieren. Vielleicht wäre es leichter, wenn er im ersten Schritt nur zugeben müsste, homosexuell zu sein. Und du ihn nicht zu sehr drängst, sich gleich zu dir zu bekennen."
Ich habe keine Ahnung, ob ich mit dem, was ich von mir gebe richtig liege, Max und ich haben nie wirklich über seine diesbezüglichen Gedanken gesprochen. Es ist einfach nur ein vages Gefühl, ein Bauchgefühl, und dem soll man bekanntlich folgen.
„Aber ich will ihn unbedingt meinen Eltern vorstellen, meiner Schwester und meinen Freunden. Ich finde es schrecklich ihn überall nur als Kumpel mitzubringen, wo er für mich viel mehr ist." Die letzten Worte flüstert er nur noch.
Vorsichtig lege ich meine Hand über seine. „Hast du ihm das denn gesagt?"
„Ja, Cat, schon so oft, dass ich es gar nicht mehr zählen kann und ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte."
Schweigend sitzen wir nebeneinander und blicken hinaus auf den Fluss.
„Danke fürs Zuhören. Ich kann ja nie mit jemandem darüber reden, weil, naja, es eben keiner weiß."
„Das verstehe ich besser, als du denkst."
„Dann mal raus damit", sagt er aufmunternd.
Und diesmal erzähle ich die ganze Geschichte ohne Auslassungen.
„Naja, dass er scharf auf dich ist, denke ich schon. Aber vielleicht musst du ihn noch ein wenig in die richtige Richtung schubsen", sinniert James, während er sich eine weitere Zigarette dreht.
„Aber wie denn?" Ratlos sehe ich ihn an.
„Ein paar Ideen hätte ich dazu." James grinst.
Mein Kopf schwirrt mir schließlich von James vielen Ratschlägen. Wenn ich geahnt hätte, was er alles an Geheimwissen preiszugeben hat, hätte ich mein Notizbuch mitgenommen. Ich kichere in mich hinein, während ich mit James und Max zum Haus torkle.
„Der Plan ist Scheiße, James", nuschelt Max, der ganz schön dicht ist. James schwankt bedenklich und ich habe ebenfalls ziemlich Schlagseite. Erst die Bowle, dann die Six-Packs mit Bier, die Max angeschleppt hat. Ach so, und dazwischen hatte Max noch drei Dosen Tennessee mit Cola aufgetrieben. Wie war das? Ich trinke eigentlich keinen Alkohol? Nur ab und zu mal nippen an einem Glas Wein? Da habe ich heute aber ein paar Male zu oft an Zeug mit zu vielen Umdrehungen genippt.
„Der Plan ist nicht Scheiße, er hat nur...Lücken!", doziert James mit erhobenem Zeigefinger.
Ich dachte, Max wäre ganz schön sauer wegen meiner Eskapaden mit Sam, aber er war überraschend verständnisvoll.
Ein Blick auf die Uhr meines Handys sagt mir, dass es bereits zwanzig vor drei ist. Meine alkoholselige Stimmung verfliegt ein wenig.
„Ich habe drei verpatzte- verpasste- Anrufe", sage ich zu meinen Begleitern. „Vom Sam."
„Dann isses ja gut, dass du dir schon genug Mut angetrunken hast. Der ist bestimmt schon ganz schön sauer, wenn du seine kostbare Zeit vergeudest", zieht Max mich auf.
„Nö, alles entspannt", beruhigt James mich und deutet zur Straße, wo Sam an sein Auto gelehnt steht und auf sein Handy blickt und dabei einfach nur gut aussieht auf eine geradezu erotische Weise.
„Cat und ihre zwei besten Freundinnen, wie nett", begrüßt Sam uns und kommt langsam zu uns geschlendert. „Und wie ich sehe hatten die Ladies ein oder zwei Proseccos zu viel", hänselt er uns, schmunzelt dabei aber.
„Sei kein Arsch, Sam!", sage ich und Max und Sam sehen mich entgeistert an.
„Hört, hört, sie kennt doch Kraftausdrücke. Zahltag, Max. Ich krieg fünfzig Dollar von dir", lacht James und freut sich diebisch. Das kann jetzt nicht ihr Ernst sein? Nur weil ich mich brav an die Oma-Regel halte, heißt das nicht, dass ich keine Schimpfwörter kenne!
„Rein jetzt ins Auto, bevor ich dir den Mund mit Seife auswasche", schimpft Max und schiebt mich in Sams Wagen.
„Wehe die kotzt mir in meinen Aston, weil ihr sie abgefüllt habt, ihr Sittenstrolche."
„So viel habe ich gar nicht getrunken", verteidige ich mich und die beiden. Doch Sam schmunzelt nur, der blöde Besserwisser.
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