CAT - 14
„Ich möchte mich bei Dir entschuldigen", sagt Sam schließlich. „Ich wollte dich nicht in mein verkorkstes Sexleben mit reinziehen. Und schon gar nicht wollte ich mir etwas nehmen, das einem anderen zusteht."
Oh, dann ist das hier wohl kein Date. Tapfer würge ich meinen Kuchen runter, versuche mir die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen.
„Verkorkst? Wieso verkorkst?" Gratuliere, Cat! Das ist alles was dir einfällt? Sam sieht von meiner Frage ein bisschen irritiert aus.
„Du hast mich beim Sex mit meiner Ex beobachtet. Mitten in einem Club. Das nenne ich verkorkst. Und einer Jungfrau nachzustellen ist ebenfalls nicht grade rühmlich."
Er hat mir nachgestellt? Nach völligem Desinteresse klingt das nicht. Das hebt meine Stimmung wieder ein wenig. Hoffnungen mache ich mir allerdings nicht. Denn die Realität ist eine ganz einfache: er ist nicht nur deutlich älter als ich, er spielt in jeder Hinsicht in einer anderen Liga. Er sieht aus wie ein Model, hat seinem krassen Sportwagen und seiner Kleidung nach zu urteilen einen Haufen Geld und im Gegensatz zu mir Sex.
„Naja, dass ich noch Jungfrau bin, das konntest du ja nicht ahnen."
„Du bist mit Max zusammen. Das er dich nicht flachlegen will, liegt auf der Hand."
Ich muss unwillkürlich grinsen, reiße mich aber zusammen, schließlich will ich nicht schuld sein, wenn unser Schwindel auffliegt.
„Nun, er ist eben sehr zurückhaltend", weiche ich aus. Und Sam lacht. „Ja, das ist er Frauen gegenüber allgemein und schon sehr lange." Okay, können wir das Thema wechseln? Jepp, ich weiß auch schon wie.
„Und was das andere anbelangt: was ist daran ungewöhnlich, Sex in der Öffentlichkeit zu haben? Eine Menge Leute machen das, oder? Dieser Schauspieler zum Beispiel. Ich komme grade nicht auf seinen Namen. Der musste doch erst vor kurzem eine fette Geldstrafe dafür bezahlen." Oh mein Gott! Das habe ich jetzt nicht wirklich gesagt, oder?
„Eine Menge Leute kriegen es aber hin, normalen Sex zu haben, hinter verschlossenen Türen."
„Aber wie hast du das mit deinen Freundinnen gemacht?" Meine Güte, ich muss zum Arzt. Mein Mund redet, ohne dass mein Gehirn beteiligt wäre! Hoffentlich gibt's Medikamente dagegen.
„Ich hatte bisher nur eine. Und zu Hause hatten wir nur Sex, wenn ich sternhagelvoll war. Dann ist es mir egal."
Okay. Krass. Das ist echt zu krass. Nicht zu glauben, dass ich dieses Gespräch gerade wirklich führe. Das sind eindeutig zu viele Details.
„Bist du denn noch nie erwischt worden? Ich meine, das gibt sicher einen Haufen Ärger, oder?"
Er lacht. „Naja mit der Zeit kriegt man raus, wie man das geregelt kriegt, ohne dass man auffliegt. Manchmal läufts aber blöd, dann gibt's eine saftige Geldstrafe. Wie bei Henry Green" Er zwinkert mir zu. Stimmt. Henry Green, war das!
„Als Wiederholungstäter bekommt man aber manchmal noch weitere Auflagen", fährt Sam fort.
Gut, das reicht jetzt Cat, ermahne ich mich. Iss deinen Kuchen und dann schau, dass du wieder nach Hause kommst.
Doch bereits bevor ich mich bremsen kann, stelle ich die nächste Frage: „Woher nimmst du die Frauen dafür?"
„Mit der Zeit bekommt man ein Auge dafür, wer für diese Dinge empfänglich ist oder nicht. Manchmal lässt sich das ein bisschen, naja, wie soll ich sagen... steuern. Ganz ähnlich wie beim Flaschen drehen. Die Fragen werden immer persönlicher und nach und nach überschreitet man Grenzen. Manchmal dauert es länger, manchmal geht es schneller. Aber wenn ich eine kennenlerne, dann weiß ich natürlich im Vorfeld nicht, wie weit sie bereit ist zu gehen, oder wie lange es dauern wird."
Wie weit wäre ich bereit zu gehen? Wie weit bin ich schon gegangen? Ich habe bereits Grenzen übertreten. Ziemlich viele sogar.
„Warum keine Jungfrauen?", platze ich heraus.
„Weil", antwortet er knapp und fast unhöflich.
Ich mustere ihn und frage mich, warum er an dieser Stelle zumacht.
„Entschuldige, ich wollte nicht indiskret sein."
Jetzt lacht er wieder. „Indiskret? Du stellst seit einer halben Stunde impertinente Fragen zu meinem Sexualleben!"
Verlegen blicke ich auf meinen Teller.
„Sorry, ich hatte noch nicht viele Gelegenheiten zu impertinenten Fragen", murmle ich.
„Darf ich dich auch etwas fragen?"
Ich zucke mit den Achseln. Mir schwant bereits Übles, doch ich nicke tapfer.
„Wie kann es sein, dass jemand, der neugierig ist wie du und noch dazu umwerfend aussieht, noch keine sexuellen Erfahrungen hat?"
Ja, genau das ist die Frage die ich erwartet hatte. Und die ich keinesfalls beantworten will. Aber hey, hat er gesagt ich sehe umwerfend aus?
„Es hat sich bisher noch nicht ergeben", antworte ich vage.
An meine Hausarbeit ist nicht zu denken, nachdem ich nach Hause komme. Zwar hocke ich mit Stift und Papier an meinem Tisch und sehe auf die Linien, in meinem Gehirn herrscht jedoch Ebbe. Zumindest was das Thema angeht, über das ich mich hier ergehen soll.
Dafür kehrt mein Hirn immer wieder zu Sams Antwort zurück: man geht immer weiter, bis man die Grenzen nach und nach überschreitet.
Es klopft an meiner Tür und mein dummes Herz setzt für einen Schlag aus. Vielleicht sind seine Grenzen doch dehnbar?
Doch mein galoppierendes Herz beruhigt sich schnell wieder, als ich, wenn auch nicht ohne Enttäuschung, feststelle, dass es Max ist.
„Hi, Prinzessin", sagt er und drückt mir den obligatorischen Kuss auf, während er einen Stapel Zeitungen auf dem Arm balanciert.
Prinzessin und Cinderella. Beinahe muss ich lachen. Die beiden Namen sind ähnlich widersprüchlich wie die beiden, die mir die Namen gegeben haben.
Max lässt erst die Zeitungen und Illustrierten auf das freie Bett fallen, dann sich daneben.
„Hast du den Kiosk vor der Uni überfallen?", frage ich und lasse mich neben ihm nieder. Alles ist besser als die Hausarbeit, bei der ohnehin nichts voran geht.
Doch Max geht nicht auf meine Stichelei ein, was sehr untypisch ist.
„Cat, warum wollte Sam deine Adresse und deine Nummer?"
Ich zucke mit den Achseln. „Keine Ahnung?"
„Läuft da was zwischen Euch?", bohrt er nach und sieht sehr erleichtert aus, als ich es verneine. „Gut, ich bin sicher, dass deine Eltern nicht möchten, dass du neben einem der begehrtesten Junggesellen dieser Stadt auf der Titelseite posierst. Noch dazu, wo er ganz eng mit der NRA ist. Er gehört zum Lake-Palmer-Clan. Naja, eigentlich ist er faktisch der Palmer-Anteil. Seine Großmutter ist Amelia Palmer und seine stellvertretende Geschäftsführerin."
Ohaaaa, dann ist Sam im Waffengeschäft tätig. Ohne Einschränkungen gebe ich Max recht. Mein Vater würde einen Herzanfall erleiden! Er ist für ein Waffenverbot nach europäischem Vorbild und das Letzte was er sich wünscht ist eine Tochter, die mit dem bekanntesten Waffenhersteller des Bundesstaates tändelt.
„Das wäre die Reihe der Frauen, in die du dich bei ihm übrigens über kurz oder lang eingliedern würdest. Ich möchte betonen, der Stapel ist noch nicht einmal vollständig."
Max tippt auf den beachtlichen Haufen und ich ziehe die oberste Zeitung unter seinem Finger hervor.
Das Datum liegt etwas mehr als zwei Jahre zurück und Sam strahlt mit einer blonden Schönheit um die Wette.
Dann schnappe ich mir die nächste und die nächste. Überall ist es das gleiche Bild. Krass.
„Das ist sein Hobby, Cat. Er sammelt schöne Frauen wie alte Omas Tassen. Schon seit der High-School. Da fing das an, als Dan an die Schule kam und die beiden einen Weitpinkelwettbewerb veranstalteten." Ich lache, Kirschkernweitspucken ist ja okay. Aber ich dachte immer Weitpinkeln wäre sinnbildlich gemeint.
„Dann hatten sie die Idee, dass sie sich gegenseitig Frauen aussuchen, die sie rumkriegen müssen. Erst harmlos. Kino, Essen, Eislaufen, später küssen und Sex. Und immer mit Fotobeweisen. Während des Studiums stiegen noch andere Typen mit ein. Die Wetteinsätze wurden immer höher und die Ideen, wozu man die Mädchen überreden sollte, immer skurriler."
„Max, alle diese Frauen sind erwachsen. Sie entscheiden selbst, wo, wann und mit wem sie es tun."
Doch Max schüttelt den Kopf. „Lust kann eine gefährliche Sucht werden, Cat. Glaub mir, Sam ist ein Meister seiner Klasse. Er kriegt jede Frau rum, die er haben will. Wenn er es drauf anlegt wahrscheinlich sogar Michelle Obama. Er hat über dreihundert Runden gewonnen, Cat."
Am liebsten ist würde ich Sam verteidigen. Sagen, dass er dann genauso einer Sucht gehorcht, aber das wäre in Zusammenhang mit Sam kontraproduktiv. Vermutlich würde Max sich fragen, wie ich dazu komme, Sam zu verteidigen und dann husch, husch ist die sprichwörtliche Katze aus dem Sack!
„Dramatisierst du da nicht ein wenig?" Doch in meinem Hinterkopf schrillen Alarmglocken. Nach und nach überschreitet man Grenzen. Wie ich? Erst habe ich nur zugesehen, dann musste ich selber Hand anlegen, weil ich die Erregung nicht mehr länger ertragen konnte. Definitiv ist eine Grenze bei mir bereits gefallen!
„Ich mache mir einfach Gedanken um dich. Du bist jung und unerfahren. Ich will nicht, dass er dir wehtut." Max mustert mich fürsorglich aus seinen sanften grauen Augen.
„Keine Sorge, er hat mir schon gesagt, dass ich nicht in sein Beuteschema passe."
„Wenn du nicht enttäuscht klingen würdest, wäre mir wohler." Sein Blick ruht noch immer besorgt auf mir.
„Ich hatte halt gedacht, dass sich vielleicht hier jemand für mich interessieren könnte, wo keiner meinen Bruder kennt. Aber der Erste, den ich hier kennengelernt habe ist schwul und der zweite pervers."
Jetzt lacht Max.
„Am Freitag ist eine Party in James' Verbindungshaus. Vielleicht findest du dort den Richtigen."
„Zwischen Besoffenen und Kiffern? Wohl eher nicht!"
„Du musst selber nur betrunken genug sein, dann fällt es dir gar nicht auf."
„Kann ich mir nicht vorstellen, aber vielleicht lasse ich es auf einen Versuch ankommen. Und nun muss ich dich leider rauswerfen Max, die Hausarbeit schreibt sich nicht von alleine."
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