- Kapitel 36 - Strafe?

Als der Drache landete und Esa mehr rutschend als kletternd von seinem Rücken hinabstieg warf sie sich sogleich wieder mit gesenktem Haupt hin. Sie versuchte ihren aufregten Herzschlag wieder in den Griff zu kriegen, er konnte ihn sicher hören, so laut wie er war. Sie wusste was sie getan hatte und sie bereute es. Warum war sie mit diesen anderen Frau mitgegangen?

„Steh auf!", raunzte Zenons Stimme sie barsch an als er sich gewandelt hatte, dass sie zusammenzuckte. Uff, er war noch immer wütend, dachte Esa hart schluckend und befolgte seinen Befehl unsicher. Mit zusammengezogenen Schultern und noch immer tief gesenktem Kopf stand sie da und wartete auf seine nächsten Worte. „Dreh dich zu mir, Esa!" Sie tat es, obwohl sie langsam wirklich einen Knoten im Magen fühlte ob seines harten Tons. So hatte der Vater auch geklungen, wenn die Mutter ihm berichtet hatte was seine Tochter alles falsch gemacht hatte über den Tag. Dann hatte es einen Watschen gegeben, das ihr die Wange noch den ganzen Abend gebrannt hatte. Sie ahnte, dass die Hand eines Drachen noch sehr viel mehr wehtun würde...

„Wirst du mich nun strafen?", fragte sie ängstlich klingend. Zenon zog eine Augenbraue hoch und schnaubte knurrend. „Wozu sollte ich das? Du gabst mir doch bereits dein Versprechen es nicht noch einmal zu tun. Du schworst es auf dein Leben! Oder meintest du es unehrlich, so sag es nun, Esa! Denn nichts macht mich wütender als ein unehrliches Wort, und dann hättest du tatsächlich einen Grund Angst zu haben.", sagte er und verschränkte die Arme grimmig vor der Brust. „Ich meinte es ernst! Ich werde nie mehr weglaufen!", beeilte sich Esa erschrocken zu sagen, bevor er noch weiter zu zweifeln begann. Sie musste an die Frau, Nell, zurückdenken. Sie war freundlich gewesen, aber wahrscheinlich hatte sie keine Ahnung was sie getan hatte. Hätte sie nur auf Esa gehört! Zenon nickte und sein Blick wie auch seine Stimme wurden milder. „Gut so. Dann will ich dir verzeihen."

Sein Körper war übersät von Kratzern und Schnitten, die bei dem Kampf mit dem anderen Drachen nicht ausgeblieben waren. Zudem hatte er sich an seiner Schulter eine tiefe Bisswunde zugezogen. Es würde einige Tage dauern, bis diese heilte. „Weißt du, was passiert ist?", fragte er zum Wasser des Flusses runterbeugend, zu dem er sie nun einige Kilometer südlich von dem Dorf gebracht hatte. Esa legte den Kopf leicht zur Seite. „Du hast gekämpft... mit einem roten Drachen?", fragte sie mehr denn das sie es wiedergab. Das war, was die andere Frau gesagt hatte oder? „Bastard", spuckte Zenon knurrend aus und schöpfte behelfsmäßig etwas Wasser um es über seine Wunden laufen zu lassen. Esa traute sich nicht noch etwas zu sagen. „Er war scheinbar auf der Suche nach Schätzen und Brauchbarem in den Ruinen. Vielleicht hat er auch darauf gehofft den ein oder anderen Überlebenden als Sklaven mitzunehmen. Ratten wie er, die sich nach der Zerstörung eines Dorfes an ihren Überresten laben gibt es nicht zu wenig. Rote Drachen manchmal, aber zumeist sind es weiße oder sogar grüne Drachen, die ihre Chance wittern. Einiges von dem Schmuck verkaufen sie, doch das meiste behalten sie und schmelzen es zu Drachengold ein.", erzählte Zenon grimmig und ungeahnt redselig. Das hatte Esa nicht gewusst. Auch nicht, das die Drachen sich untereinander an Hand ihrer Farbe differenzierten. Für sie war Drache doch stets Drache gewesen, ob er nun schwarz oder weiß oder blau-rot gestreift war. „Aber wenn du doch weißt, dass sich diese... äh... Drachen in den zerstörten Dörfern aufhalten, warum hast du nichts gesagt? Wäre es denn nicht sicherer gewesen einen Bogen um das Dorf zu machen?", fragte Esa zögerlich und Zenon schnaubte leise. „Ich habe es nicht erwartet. So wie ich auch nicht ahnte das das Dorf brach liegt, so habe ich nicht gewusst das sich rote Drachen so weit in unser Gebiet wagen. Wo auch immer er herkam. Sie haben kein Clangebiet hier in der Nähe." Esa meinte am Ende beinahe sowas wie Beunruhigung in seiner Stimme herauszuhören. Waren rote Drachen denn gefährlich? So gefährlich das selbst Zenon, ebenfalls ein riesig großer Drache  mit Feuer und Krallen und scharfen Zähnen, in Sorge war? Esa fröstelte es. Zenon wusch weiter seine Wunden aus.

„Wenn wir im nächsten Dorf sind solltest du dir ein neues Kleid besorgen. Dein Geruch macht mich wahnsinnig.", meinte Zenon plötzlich in die Stille. Esa hob verdutzt den Kopf. Wie? Ihr Geruch? Nun, sie wusste ja das das Kleid muffig roch, aber sie hatte sich schon langsam daran gewöhnt. Zur Kontrolle roch sie selbst noch einmal bewusst an ihrem Ärmel, stellte aber nichts weiter fest als den Geruch, der schon zuvor am Kleid war. „Ich habe aber kein Geld.", wandte sie ein. „Und außerdem könnte ich doch auch baden, dann ist der Geruch vielleicht nicht mehr so schlimm." Zenon wandte sich zu ihr um und spritzte ihr einige Tropfen entgegen. Noch verwirrter zuckte sie zurück, ob der Kälte die ihr Gesicht traf. Was war Zenon denn nun? War er gereizt oder verärgert? Es fiel ihr plötzlich ziemlich schwer seine Emotion einzuschätzen. „Es ist nicht dein Geruch der mich daran stört. Das Kleid gehörte zuvor einer anderen. Ihr Geruch klebt noch daran." Nun war es an Esa die Augenbrauen hochzuziehen. „Will sie denn das Kleid nicht wiederhaben?", fragte Esa und fühlte sich, als hätte sie es der anderen Frau höchst selbst aus den Händen gerissen. Zenon gab keine Antwort, was Esa mehr als nur etwas verdächtig fand. Hatte er das Kleid gestohlen? War die Frau am Ende noch eines der Opfer aus einem verbrannten Dorf und Esa trug nun unrechtmäßig ihre Kleidung, weil sie die Wahrheit nicht kannte? Nein, beruhigte sie sich rasch, sowas würde selbst ein Drache nicht tun. Es wäre pietätlos und respektlos gegenüber der Vorbesitzerin. Außerdem würde sowas die Götter zürnen und sie würden Unglück schicken und das, da war sich Esa sicher, konnten selbst Drachen nicht wollen.

Statt einer Antwort atmete Zenon tief durch und betrachtete sich sein Mädchen ein weiteres Mal. Wie sie noch immer dort stand in ihrem Lumpenkleid, dessen Geruch nach Tod und Schmerz und Angst ihn zunehmend wütend machten. Er hatte es gewaschen. Hatte es Dutzende Male ins Wasser geschmissen und auf dem kühlen Höhlengestein trocknen lassen. Aber der Gestank verschwand nicht. Am liebsten hätte er es ihr vom Körper gerissen, aber er hatte keine Alternative in Aussicht und so ein Menschenmädchen fror, wie er ja jetzt wusste, nur allzu schnell. Er musste es also noch ein wenig ertragen und unter anderem die ausgewaschenen Blutflecken darauf ignorieren.

„Wo gehen wir jetzt hin?", fragte Esa irgendwann, als sie die Hoffnung auf eine Antwort aufgegeben hatte. Zenon stellte sich vor sie, band erneut das Tuch um ihr Handgelenk wie auch um seins.
„Wir gehen weiter. So wie abgemacht."

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