- Kapitel 20 - Resignation
Esa war sich nicht recht sicher, was sie von Zenons Worten halten sollte. Ihre Gesellschaft wollte er? Also wollte er unterhalten werden, reden, sie um sich haben? Oder wollte er... mehr? Esa schreckte vor seiner Formulierung zurück. Nach allem was passiert war, merkte sie, wie seine Worte ihr eine Gänsehaut bereiteten und sich Unruhe in ihrem Magen bildete. Vor einigen Tagen noch, wäre sie wahrscheinlich halb so vorsichtig gewesen, aber der Schrecken saß ihr noch immer kalt und steinhart in den Knochen. Sie fühlte sich nicht in der Lage nun noch ein weiteres Erlebnis zu verarbeiten. Andererseits, sagte sie sich, Gesellschaft bedeutete nicht, dass er mit ihr schlafen wollte. Jedenfalls nach ihrem Verständnis nicht. Hätte er es nicht beim Namen genannt, was er wollte, wenn er es wollte? So wie Philos? Würde er überhaupt ein Nein akzeptieren, wenn sie den ‚Handel' nun abschlug?
Esa schwirrte der Kopf und sie wich verunsichert zurück. Sie brachte kein Wort heraus, so viele Gedanken, Ängste und Gefühle brachen auf sie ein. Alles engte sie ein, wirkte bedrohlich und wenn doch jetzt auch noch der Drache zurückkehrte... Esa war es Elend.
„Was macht dir Angst?", fragte Zenon nach, als sie nichts sagte. „Dachtest du etwa, ich würde etwas tun ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten? Du hast mir doch selbst gerade gesagt, dass du nichts hast, womit du mich entlohnen kannst. Also verlange ich etwas, was du mir geben kannst. Deine Gesellschaft." Esas Hände waren scheißnass, sie schüttelte den Kopf. „Ich weißt nicht, ...", sie atmete nun wieder zittrig durch. „...was du mit Gesellschaft meinst. Meinst du damit, dass wir uns unterhalten werden, am Lagerfeuer beieinander sitzen... oder... willst du..." Es schnürte Esa die Kehle zu. War dieser Albtraum nicht schon schlimm genug, vor dem sie davongelaufen war? Musste nun ein weiterer Albtraum folgen? Hörte das jetzt nie mehr auf? Sie fühlte sich, als wäre sie kurz vorm zusammenbrechen.
„Ich werde alles nehmen was du bereit bist von dir zu geben.", antwortete Zenon kryptisch. Er griff nach ihrer Hand und drückte sie sich leicht an die Brust. Sie konnte seinen Herzschlag fühlen, ruhig und langsam, beinahe etwas zu langsam aber vielleicht bildete sie sich das nur ein gegen ihren eigenes rasches Klopfen. „Aber ich werde meinen Teil des Handels auch einfordern, wann ich es will. Immerhin kann ich dir so viel versprechen: Ich will dir nicht schaden, Esa. Und ich möchte dich auch nicht verletzen. Was auch immer dir die Menschen im Dorf angetan haben, ich werde es nicht fortführen. Sieh es wie ein Geben und Nehmen! Ich gebe dir einen Ausweg und begleite dich bis du dein Ziel sicher erreicht hast, dafür gibst du mir... dich." Das Blut rauschte in ihren Ohren. Sie wollte ihm ihre Hand entziehen und weglaufen,... einmal mehr. Aber sie hatte keine Kraft mehr. Ihr Vater rückte in unerreichbare Ferne und die einzige Person der sie bisher auch nur ein bisschen vertraut hatte entpuppte sich gerade vor ihren Augen zu dem, wovor sie wegrannte. Oder etwa nicht? Was auch immer Gesellschaft für ihn bedeutete, Esa war ernüchtert. Sie versuchte die aufkommenden Tränen in ihren Augen wegzublinzeln. Hatte sie in den letzten Tagen nicht schon genug geweint? Allmählich musste es doch ausreichen.
„Na gut...", flüsterte sie heiser, beinahe tonlos und senkte das Gesicht gerötet vor Scham. Sie hatte keine Kraft mehr wegzulaufen oder eine Alternative zu suchen. Dieser Handel war das letzte was sie wollte, aber er war scheinbar die Verbindung zu ihrem Ausweg. Wenn sie jetzt zustimmte, dann würde sie ihren Vater erreichen, in ein anderes Dorf kommen. Dafür musste sie nur ein paar Tage das tun, was auch immer Zenon unter Gesellschaft leisten verstand. Und spielte es überhaupt noch eine Rolle? Esa fühlte sich schon jetzt schmutzig, verletzt und entehrt. Schlimmer als gerade konnte es sowieso nicht mehr kommen...
Es fühlte sich dennoch wie ein bittere Kapitulation an, die sich mit schwerem Druck auf sie zu legen schien. Zenon setzte ihr mit seinem Handel ein Messer an die Kehle vor dem sie sich nicht wegducken konnte. Denn natürlich würde sie es niemals allein schaffen, nur mit einer wagen Richtung ein entferntes Dorf zu erreichen.
„Ich stimme dem Handel zu...", sagte sie resigniert und niedergeschlagen. „Dein Geleit für meine... Gesellschaft." Sie konnte es kaum aussprechen, so sehr bebten ihre Lippen. Ihr war nun kalt und gleichzeitig heiß. Alles was sie denken konnte war: Ich habe aufgegeben...
„Dann werden wir gleich morgen früh aufbrechen. Besser du ruhst dich noch mal gut aus, während ich einige... Erledigungen mache. Es werden anstrengende Tage für dich, also esse und schlafe heute viel, du brauchst deine Kräfte." Sie nickte mit noch immer gesenktem Kopf, die Tränen niederkampfend. Da schob sich ein Finger unter ihr Kinn und hob es sachte an. „Und denk nicht zu viel darüber nach, was ich mit meinen Worten meine. Es geschieht wie es geschehen soll, Esa. Umso mehr Angst du dir davor machst, desto schlimmer wird es am Ende für dich werden. Und ich stehe zu meinen Worten! Ich will dich nicht verletzen. Je weniger Angst du hast, umso sanfter kann ich mit dir sein. Also wäre es ratsam nun aufzuhören wie ein gejagtes Reh zu zittern und das zu tun was ich dir gesagt habe." Er klang sanft, beinahe mitfühlend, aber irgendwo in seiner Stimme war auch unmissverständlich eine Anspannung, die zum Ende seiner Worte zunahm. Esa straffte die Schultern, versuchte tatsächlich ihr Zittern zu unterdrücken und nickte eilig. Trotzdem sie so sanft war versetzte seine Stimme ihr einen Stromschlag. Da war es wieder, das, was sie auch schon im Haus bei seinem nächtlichen Besucht gespürt hatte. Eine unterschwellige Warnung.
Zenon ließ ihre Hand los und strich mit seinem Daumen eine Träne unter ihrem Auge fort. „Braves Mädchen", flüsterte er scheinbar zufrieden. Und dann ging er und ließ Esa allein mit sich zurück. Sie lauschte auf seine Schritte, die sich nach und nach entfernten. Und als sie schließlich nichts mehr hörte konnte sie sich nicht mehr halten. Sie sackte zu Boden und begann hinter vor den Mund gepresste Hand zu schluchzen.
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