Kapitel 7 (Maylo)

Logbucheintrag 27.14.4106: Alle Bestien sind erfolgreich aus dem Kälteschlaf erweckt worden. Am morgigen Tag werden tausende von ihnen in Nohbortas Atmosphäre abgeworfen, um den Großteil der dortigen Bevölkerung binnen einiger Tage auszulöschen. Unsere Späher haben mittlerweile das Machtzentrum lokalisieren können; sobald die Bestien sich diesem nähern, werden wir die Oberfläche des Planeten betreten und im Namen aller Bewohner Ylnas den Tod von Millionen vergelten.

Die Sirenen Syrias waren noch kilometerweit zu hören. Meine Knie fingen langsam an unter dem Gewicht schlottern, aber ich würde meinen Vater nicht einfach hier liegen lassen - er hatte es verdient, nach Hause zu kommen.

Die Splitter in meinen Wunden schmerzten, das Blut klebte an meinem ganzen Körper und mein lebloser Vater wurde mit jedem Schritt schwerer. Immer wieder drehte ich mich um und sah auf die verbliebenen Überreste Syrias zurück; es war nicht mehr viel zu erkennen, der Staub hatte sich noch immer nicht vollends gelegt.

*

Erschöpft legte ich meine Hand auf den Scanner neben unserer Haustür und wartete, bis der Entriegelungsmechanismus die Tür öffnete; zögernd stand ich nun dort und traute mich nicht, unser Haus zu betreten - zu groß war die Angst, dass man mir die Schuld an seinem Tod geben würde. Ich wusste, dass er noch am Leben wäre, wenn er mich nicht gerettet hätte, und das zermürbte mich. Die Schuldgefühle stachen in meiner Brust und ich hatte Angst davor, jemand könnte dieses Stechen in Worte fassen, mir sagen, was ich doch ohnehin schon wusste.

Als ich widerwillig das Haus betrat, kam mir meine Mutter schon entgegengelaufen, um mich erleichternd seufzend in die Arme zu schließen. Mein Körper blieb starr, ich erwiderte ihre Umarmung nicht. Sanft strich sie mir ungläubig lächelnd den Schmutz aus dem Gesicht. Abermals schloss sie mich in die Arme, bevor sie mich fragte, wo mein Vater sei. Ich sagte nichts und drehte meinen Kopf zur Haustür, während ich erfolglos versuchte, meine Tränen zurückzuhalten.

„Maylo, sprich mit mir", sagte sie.

Sie löste sich von mir, rannte zur Tür und bevor ich selbst zur Tür gelangen konnte, schrie sie vor Schreck auf und sackte zu Boden. Ich setzte mich neben sie und nahm sie in den Arm, um ihr das Gefühl zu geben, nicht alleine zu sein. Weinend lehnten wir uns gegen die Wand, doch auch die warmen Strahlen unseres Sterns konnten die Tränen nicht verschwinden lassen.

Meine Mutter im Arm haltend, beschloss ich, meinen Bruder anzurufen. Er sollte wissen, was ihn erwarten würde. Vater und er hatten ein gutes Verhältnis gehabt, eiferte mein Bruder unserem Vater doch in allen Belangen nach und versuchte, ein ebenso guter Offizier zu werden, wie er es einst war.

„Maylo? Dir geht es gut? Ich hatte solche Angst, Dich verloren zu haben", sagte mein Bruder erleichtert.

„Ja, Vater hat mich aus Syria gerettet", schluchzte ich.

„Wisch Dir die Tränen aus dem Gesicht, Maylo. Diese Wesen haben sie nicht verdient, wir werden ihnen alles heimzahlen! Ist Vater in der Nähe? Ich muss ihn dringend sprechen."

Ich wandte mein Gesicht zu meinem Vater, begann zu schluchzen. Ich erzählte meinem Bruder, was geschehen war, woraufhin er wortlos auflegte. Bis zu diesem Tag hatte ich noch nie eine Träne in seinem makellosen Gesicht gesehen.

Ich schulterte meinen Vater und brachte ihn ins Haus. Während des Krieges damals erhielten wir eine Operationskapsel, die Brüche und die meisten Wunden innerhalb von ein paar Stunden heilen konnte; behutsam legte ich seinen leblosen Körper in die Kapsel, ließ diese seine Wunden scannen und startete das Programm. Bevor ich das tat, erklärte mir eine freundliche Frauenstimme, dass der von mir in die Kapsel hineingelegte Körper keine vitalen Werte vernehmen ließ, weil das ja nicht eine Tatsache war, derer ich mir längst bewusst war.

Meine Mutter saß noch unverändert vor der Haustür auf der Veranda, die Dämmerung hatte mittlerweile schon eingesetzt. In der Ferne sah ich meinen Bruder schon auf seinem Hoverbike dem Haus entgegenkommen und trat aus der Tür heraus, um auf ihn zu warten. Kaum angekommen, nahm er uns beide in den Arm und drückte uns fest an sich, bevor er zu meinem Vater ging. Er schloss die Tür hinter sich, sagte uns, er wolle kurz ungestört mit ihm alleine sein.

*

Nach ein paar Stunden verließ er, ohne auch nur ein Wort zu sagen, das Zimmer. Ich hörte ihn nur in der Küche, wie er sich was zu trinken nahm. Ruhig betrat er das Wohnzimmer, in dem meine Mutter und ich stumm auf das an die Wand projizierte Bild starrten und hofften, Neuigkeiten über den Anschlag zu erfahren.

Ein plötzlicher Knall gefolgt von einem lauten Klirren hallten durch die unangenehme Stille.

„Schämt ihr Euch nicht? Ihr sitzt hier tatenlos herum, während ein paar Meter von euch entfernt Vater tot in einer beschissenen Kapsel liegt!" schrie mein Bruder uns an.

Erschrocken sahen wir in seine hasserfüllten Augen.

„Antwortet mir! Was wollt ihr jetzt machen? Dumm herumsitzen, heulen und hoffen, dass irgendwas besser wird?"

„Molnir, ist gut jetzt. Sieh dir Mutter doch mal an, sie braucht Zeit für sich", entgegnete ich.

Harsch zog er mich an sich.

„Ihr seid alle verweichlichte Memmen. Wenn Vater euch jetzt sehen könnte."

„Lass ihn da raus, er würde nicht wollen, dass wir streiten!"

„Er würde nicht wollen, dass wir streiten, er würde nicht wollen, dass wir streiten. Hörst du dir eigentlich mal selbst zu?"

„Es reicht jetzt, Molnir!"

Mit voller Wucht schleuderte er mich gegen die Wand.

„Ich sage, wann es reicht!"

Meine Mutter sprang auf und versuchte, ihn festzuhalten. Als sie nicht losließ, schlug er auch sie zu Boden.

Ich rappelte mich auf und prügelte auf ihn ein, doch jeden meiner Schläge wehrte er ab. Seine Hand umschlang meinen Hals und er drückte mich hoch. Ich keuchte. Tief sah er mir in die Augen, bevor er mich gegen die Decke schlug und mich zu Boden fallen ließ. Er war schon immer der bessere Kämpfer gewesen.

Gerade, als ich zu ihm aufsehen wollte, spürte ich seine Waffe an meinem Kopf. Langsam senkte ich meinen Blick.

„Morgen früh ist eine Volksversammlung vor dem Präsidentenpalast. Ihr werdet dort sein - verstanden?"

Ich sah zu ihm auf und nickte leicht, woraufhin er von mir abließ. Kurz vor der Haustür blieb er stehen und drehte seinen Kopf in Richtung des Zimmers, in dem mein Vater lag.

„Molnir", murmelte ich, woraufhin er sich zu mir wendete.

„Wenn Du Mutter noch einmal anrührst, bringe ich dich um."

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