Hat die Qual - Teil 1

Aiko
Ich legte Leon meine Hand auf die Schulter, um ihn etwas zu beruhigen. Er sah völlig mitgenommen aus. Ich drehte mich um als hinter mir ein Kind schrie:,, Ich muss aber mal!", rief es aus vollem Hals. Es sprang von seinem Stuhl auf und lief Richtung Tür. Die Mutter holte es gerade noch ein und hielt es zurück.

,,Halte nur noch ein bisschen aus, okay Schatz?", die Frau sah Hilfe suchend zu den Türstehern auf, aber diese schüttelten nur mit ihren Köpfen. Masato erhob sich vom Stuhl und brüllte verständnislos zu den Türstehern herüber:,, Jetzt lassen Sie doch das Kind kurz mit der Mutter auf Klo gehen!" Isamu stand ebenfalls auf und versuchte seinen Vater aufzuhalten. Ich versenkte meinen Kopf in meinen Händen. Ich hatte Angst davor, was als nächstes geschehen würde.

Leon
Masato riss mich aus meinen Gedanken und ich schaute irritiert zur Tür. Einer der Türsteher ging auf Masato zu und wollte sich vor ihm aufbauen, doch im nächsten Moment packte der andere Türsteher seinen Kollegen an der Schulter und zog ihn zurück. Er murmelte dem Mann etwas zu und der eben noch ziemlich aggressiv wirkende postierte sich mit grimmiger Miene neben der Tür.

Der, dem Anschein nach, Ranghöhere ergriff sein Funkgerät, drückte den Knopf an der Seite und raunte hinein:,, Wir brauchen hier noch jemanden, der mit einem Kind auf Toilette geht." Nach ein paar Sekunden rauschte die Antwort durch den Lautsprecher:,, Alles klar. Ich bin sofort da." Er erntete nach dieser deutlich humanen Geste einen angefressenen Blick seines Kameraden.

Kurze Zeit später tauchte ein Mann, schwerbewaffnet auf und verließ mit der Mutter und dem Kind den Saal. ,,Du bist zu weich.", fauchte der grimmige Türsteher und bekam als Antwort nur ein desinteressiertes Schulter zucken. Masato setzte sich leise fluchend wieder hin und Isamu versuchte ihn zu beruhigen.

Die Mutter und ihr Kind kamen schließlich unversehrt zurück und setzten sich wieder auf ihre Plätze. Es vergingen einige Minuten, gefühlte Stunden und wir konnten beobachten, dass allmählich immer mehr Bewohner Zettel in die Urne warfen. Shinji war nun auch zurück gekehrt. Er schien sein Dorf nicht im Stich lassen zu wollen, auch wenn es nicht zu übersehen war, dass er litt. Ich blickte in die fahlen Gesichter an unserem Tisch. Ich wollte etwas sagen, wollte ihnen Hoffnung geben, aber ich fand keine Worte, die diese Situation in ein anderes Licht hätten rücken können.

Aiko
Es war etwas Ruhe in den Saal eingekehrt. Der Raum war von einem leisen Wimmern erfüllt, das hauptsächlich von den Frauen ausging. Einer der Türsteher trat vor und flüsterte Shinji, der an einem der Tische nahe der Tür saß, etwas ins Ohr. Shinji stand von seinem Stuhl auf und trat daraufhin ans Rednerpult. ,,Es bleiben uns noch 15 Minuten. Ich soll darauf hinweisen, dass von Tisch 5, 7, 13 und 17 noch nicht alle nominiert haben. Sie werden gebeten dem nun nach zu kommen, ansonsten werdet ihr...", er räusperte sich und fuhr dann etwas heiser fort. ,,Ansonsten werden diejenigen, die nicht normiert haben ebenfalls exekutiert."

Ein heller schockierter Aufschrei war zu hören, ich konnte nicht sagen woher er kam, aber die Frauen fingen nun noch lauter an zu wimmern. Tisch 5 das waren wir. Ich sah erst zu Megumi und Takashi und schließlich zu Mai und Akari. Akari tätschelte Mai leicht den Kopf und sprach ihr gut zu, anschließend erhoben sich die beiden und auch Takashi, Megumi und Daiki stellten sich hinter Mai und Akari an. Es ergab sich eine Schlange vor der Urne, als auch die restlichen Leute sich von ihren Stühlen erhoben und anstellten. Isamu sah zu Masato, der die Arme vor der Brust verschränkt am Tisch saß. ,,Komm. ", sagte Isamu,"Es bleibt uns nichts anderes übrig." Masato ließ sich von Isamu widerwillig vom Stuhl ziehen.

Auch ich raffte mich langsam auf. Ich stellte mich hinten in die Schlange und merkte wie meine Hände anfingen feucht zu werden. Ich konnte mich einfach nicht dazu bewegen jemanden zu nominieren. Die Schlange wurde immer kürzer und ich rückte immer weiter nach vorne. Ich wischte meine nass geschwitzten Hände an meiner Hose ab. Nun war ich an der Reihe. Mit klammen Fingern nahm ich den Stift in die Hand. Ich wünschte niemandem den Tod, selbst Sayuki nicht. Ich drehte meinen Kopf zu dem alten Herren, der sich freiwillig vorgeschlagen hatte. Ich brachte es einfach nicht übers Herz. Meine nassen Hände rutschten fast vom Stift ab, als ich ,,Aiko Mitzugashi" auf den Zettel schrieb. Mir blieb nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass selbst wenn ich gezogen würde, der Forscher vielleicht ein Auge zu drückte.

Leon
Nach und nach setzten sich alle mit einem niedergeschlagenen Gesichtsausdruck zurück an den Tisch. Ich blickte auf die Wanduhr über dem Pult. Es sind nur noch fünf Minuten. Mein Herz schlug schwer und auch den anderen, in Panik versetzten Menschen, schien es mindestens genau so schlecht zu gehen. Ich beobachte den Zeiger, wie er Minute um Minute weiter schritt.

Shinji tupfte sich mit einem Taschentuch die Schweißperlen von der Stirn, als weitere Männer von Nakamura den Saal betraten. Einer von ihnen nahm die Urne und ging damit auf Shinji zu. Er befahl Shinji, ihm zum Pult zu folgen. Eine beängstigende Stille legte sich über den Raum und jeder Schritt, den die beiden Männer auf das Pult zu machten, war wie ein quälender Countdown.

Bis sie endlich am Pult standen und der bewaffnete Mann komplett emotionslos den Deckel der Urne abhob. Zögernd und mit zitternden Händen griff Shinji in die Urne hinein und es war so ruhig, dass man das Rascheln des Papiers hörte. Shinjis Hand zitterte heftig, als er einen Zettel entnahm und diesen entfaltete. Kurz darauf zeigte er den Namen, dem Mann, welcher immer noch die Urne hielt. Dieser nickte. Ich schloss die Augen und lauschte.

Nach einem kurzen zögern offenbarte Shinji uns mit flatternder Stimme den Namen "Kazume Hasegawa". Ich riss die Augen auf und schaute in die Richtung des alten Mannes. Ein dankbares Lächeln legte sich auf seine Lippen.

,, Ich möchte Sie nun bitten, nach draußen zu gehen und sich auf dem Platz vor dem Gemeindehaus zu versammeln.", sagte Shinji und jedes Wort schien ihn unglaublich viel Kraft zu kosten. Er trat vom Pult weg und folgte einem der Männer, die nach draußen marschierten.

Die Bewohner drängten nach draußen und man vernahm für einen kurzen Moment erleichtertes Seufzen, wegen der frischen Luft. Daiki, Takashi und Megumi ,so wie Isamu, Masato, Akari und Mai eilten hinter der Menschenmenge her. Aiko und ich ließen uns etwas Zeit zu folgen. Plötzlich packte Sayuki meinen Arm und zog mich zu sich heran. ,, Wie kannst du nur denken, dass ich Aiko nominiert habe?", fauchte sie mich an. Ich schaute Aiko nach, die kurz einen Blick zu mir nach hinten warf und dann aus der Flügeltür nach draußen trat. Genervt schaute ich Sayuki an, aber ich sagte nichts.

,,Ich würde das niemals tun.", sagte sie gereizt," Ich habe Shinji nominiert." Sie ließ mich los und verschränkte die Arme. Ihr Blick verriet mir, dass sie auf eine Entschuldigung wartete. Ich nickte nur. Meine Gedanken waren völlig woanders. Ich ging an ihr vorbei nach draußen. Die kühle klare Luft machte mich wach, das hatte zur Folge, dass ich mir nicht länger vormachen konnte, dass alles nur ein Albtraum war.

Mein Blick fiel auf eine Art Käfig, der zum Großteil aus Maschendraht bestand. Er war etwa drei Meter hoch und war mit einem Vorhängeschloss an der Tür versehen. In dem Käfig humpelten Zombies herum, die sich sofort an den Käfig drückten als zwei von Nakamuras Männern mit Kazume Hasegawa an die Tür heran traten.

Ich sah die Verzweiflung im Gesicht des alten Mannes, auch wenn dieser sich zwang sein Lächeln aufrecht zu erhalten. Sein Lächeln sollte uns aufmuntern. Aber mein Herz fühlte sich nur noch schwerer an. Verdammte Scheiße, irgendjemand musste das Ganze hier stoppen. Ich sah mich um, aber ich blickte nur in ausdruckslose oder aufgelöste Gesichter. Wo zum Teufel war Yamada? Ich betete, dass er jeden Moment auftauchen und den alten Mann vor seinem grauenhaften Schicksal bewahren würde.

Aber Yamada kam nicht.



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