Vierzehn: Sophia
Samstag 14.02.2019 10:39 Uhr
Sophia Blackwolf
Sophia saß an diesem schönen Samstagmorgen ahnungslos auf der Couch im Wohnzimmer und blätterte durch alte Modemagazine. Früher hatte sie sich immer darüber lustig gemacht, wenn dort die „Modesünden" der Stars abgebildet waren. Sophia war sich sicher gewesen, dass ihr nie solche Fehlgriffe passieren würden.
Doch nun taten ihr die Leute dort leid. Nun wusste sie, wie hinterhältig die Presse war und wie schnell man in ein schlechtes Licht gerückt wurde.
Die Menschen auf diesen Bildern hatten nichts falschgemacht, sie hatten sich nur einmal nicht um ihr Styling gekümmert und waren sofort Opfer der Zeitungen geworden. Und Sophias Opfer. Denn Sophia hatte sich schamlos über sie lustig gemacht.
Gott, ich war ein Monster!, dachte sie beschämt.
Auch als sie umblätterte, blieb das blöde Schuldgefühl, denn dort sah man die Leserbriefe. Hier konnten Leser ihre Fragen von Experten beantworten lassen.
Dies waren zwar keine Prominenten, doch auch diese Menschen hatte Sophia für ihre Fehler fertiggemacht.
Sie konnte sich noch gut an ein Treffen mit ihren Freundinnen erinnern, bei dem wieder einer von ihnen einen Nachmittag mit Sophia gewinnen konnte. Die Aufgabe bestand darin, den lustigsten Leserbrief zu finden. Die Mädchen hatten sich über zwei Stunden lang nur über die Probleme anderer lustig gemacht. Schließlich gewann Lana mit dem Brief „Meine Ex ist eine Hex." In dem ein Mann versuchte, seine Trauer zu überwinden, da seine (rothaarige) Exfreundin bereits einen neuen Freund hatte.
Während Sophia die Überschrift damals amüsant und gut gewählt fand, hinterließ sie heute ein ungutes Gefühl. Der Mann hatte diese Headline nicht einmal selbst gewählt. Sie wurde ihm von der Zeitung zugeteilt. Eigentlich hatte er nur auf Hilfe gegen seinen Liebeskummer gehofft, doch stattdessen hatte die Zeitung sein Problem verhöhnt.
Sophia seufzte. Es schmerzte, an ihr altes Ich zu denken. Sie hatte so vieles falsch gemacht, und nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Freundinnen zu wahrlichen Monstern des Mode-Business erzogen. Sicher wären Lana, Julianna, Zoe und auch Marie zu besseren Menschen geworden, hätten sie Sophia nie kennengelernt.
„Was machst du denn hier?". Ihre Mutter kam mit einem großen Strauß Blumen ins Zimmer spaziert. Die Blumen befanden sich in einer Vase, die sie nun mitten auf dem Wohnzimmertisch drapierte.
„Für wen sind die?", fragte Sophia interessiert.
„Für dich."
„Und von wem?" Jetzt war Sophia wirklich gespannt. Bitte sag Moritz, bitte sag Moritz.
„Dein Vater hat mich beauftragt, sie dir zu kaufen. Als kleinen Gruß und als Trost dafür, dass er heute nicht hier sein kann."
Sophia war ein klein wenig enttäuscht, doch sie freute sich auch darüber, dass ihr Vater immerhin an sie gedacht hatte.
„Wann werden wir damit anfangen, dich fertig zu machen?", wechselte ihrer Mutter das Thema.
Sie hatten beschlossen, sich gemeinsam um Sophias Haare und Make-Up zu kümmern, statt wie eigentlich besprochen zum Frisör zu gehen. Es war Sophias Wille gewesen, denn so könnte sie die besonderen Stunden vor dem Ball mit ihrer Mutter verbringen, statt in einem lauten und vollen Salon zu sitzen.
„Spätestens um vier können wir anfangen." Der Ball würde um sieben beginnen und Sophia dachte, dass ihr drei Stunden ausreichen würden. Immerhin wollte sie sich heute mal zurückhalten. Ihr Kleid war aufsehenerregend genug. Da brauchte sie nicht wirklich viel Make-Up.
„Alles klar. Wir sehen uns dann." Ihre Mutter winkte ihr noch einmal zu, bevor sie wieder verschwand. Sophia wusste nicht, was sie den Rest des Tages vorhatte, doch solange sie pünktlich um vier an ihrer Seite war, war es ihr egal.
Womit sie ihre Zeit verbringen wollte, war ihr bis jetzt noch nicht klar. Die Zeitungen würden sie niemals lange genug beschäftigen, und wenn Sophia ehrlich war, hatte sie schon jetzt genug von ihnen. Der Reiz, den sie früher verspürt hatte, wann immer eine neue Ausgabe erschien, war irgendwie verflogen.
Sie sah auf ihr Handy. Leider hatte sie keine einzige neue Nachricht erhalten. Das war schade, denn wenn Moritz ihr nicht bald schieb, würde sie wohl alleine zum Ball gehen müssen. Dabei hatte Sophia sich so sehr erhofft, dass bis zum Ball zwischen den beiden wieder alles in Ordnung kommen würde. Nach ihrem Gespräch am Donnerstag hatte sie angenommen, dass er noch im Laufe der Woche auf sie zukommen würde. Immerhin hatte sie ihm klar zu verstehen gegeben, dass sie noch immer etwas von ihm wollte. Und er war derjenige gewesen, der den nächsten Schritt noch nicht gehen wollte. Deshalb wartete sie nun auf ihn. Und das Warten machte sie krank. Warum meldete er sich nicht endlich?
Das Handy klingelte. Sophia fiel es fast aus der Hand, als sie sah, wer sie da gerade anrief.
Moritz' Nummer schien auf dem Display. Im Hintergrund sah man sein Profilbild.
Kurz nahm Sophia sich Zeit, um sich zu sammeln, doch dann nahm sie den Anruf an. „Hallo?" Ihre Stimme klang viel zu hoch. Schnell hielt sie das Handy von sich, um sich zu räuspern. Warum war sie nur plötzlich so aufgeregt?
„Hey Sophia", begrüßte Moritz sie. „Ich wollte mal hören, wie es dir geht?" Deshalb rief er an? Sophia war enttäuscht.
„Gut und dir?"
„Ganz gut", stimme er zu. Sophia merkte, dass auch er angespannt war. Etwas schien ihn zu bedrücken.
Sie wollte es eigentlich nicht fragen, weil es unhöflich und viel zu neugierig klang, doch sie hielt die Spannung nicht mehr aus. „Warum rufst du an?"
„Nun", er räusperte sich: „Ich wollte fragen ... Da ja heute Abend der Ball stattfindet ... ob du vielleicht ... mit mir ... dahingehen würdest?" Seine Stimme war immer leiser geworden, doch Sophia hatte trotzdem ganz genau verstanden, was er gesagt hatte.
„Ja", war alles, was sie herausbrachte. Hätte Moritz gerade ihren Gesichtsausdruck gesehen, hätte er aber gewusst, wie viel mehr ihr „Ja" noch gewesen war. Sophia strahlte über das ganze Gesicht. Normalerweise sah man diese Mimik nicht. Wenn sie lächelte, erreichte es nie ihre Augen.
Doch nun strahlte sie vollends.
Sophia war glücklich, denn diese Einladung war so viel echter, als ihre erste gewesen. Damals hatten sie es für die Augen der anderen getan. Nun taten sie es für sich.
Damals hatte sie Moritz mit samt seiner Küsse und Rosen einfach hingenommen.
Nun bedeutete ihr jedes einzelne Wort die Welt.
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