Fünf: Sophia
Montag 09.02.2019 15:56 Uhr
Sophia Blackwolf
Es war Montagnachmittag und für Sophia und ihre Freundinnen konnte dies nur eins bedeuten: Shoppen bis zum Umfallen.
Noch vor wenigen Minuten hatten sie in der Schule gesessen und sich in englischen Gedichten verloren, doch nun steckten ihre Köpfe tief verborgen hinter Kleiderstangen und Schuhkartons. An diesem Ort konnten sie die Schule und den Stress der letzten Tage für einige Stunden vergessen.
„Wie findest du das?" Sophia sah von ihrem Handy auf. Lana hielt ihr ein hellblaues Kleid entgegen. Eigentlich war es wunderschön, doch Sophia erkannte sofort, warum es nicht zu ihrer blonden Freundin passen würde. „Willst du dir wirklich ein seeblaues Kleid bei deinen grasgrünen Augen antun? In diesem Fall ziehen sich Gegensätze leider nicht an."
Lana nickte andächtig, während sie das Kleid zurück auf die Stange hängte. Statt beleidigt zu sein, antwortete sie: „Da hast du wohl recht. Aber Zoe würde es sicher stehen." Damit schnappte sie sich das Kleidungsstück wieder und rannte nach hinten, um es Zoe zu zeigen.
Sophia seufzte und sah wieder auf ihr Handy. Sie hatte nicht so grob zu Lana sein wollen, doch die Nummer, von der sie vor ein paar Tagen den Hate-Kommentar erhalten hatte, schrieb ihr nun stündlich. Sie hatte diese Instagram-Seite nun schon ein paar Mal geblockt und gemeldet, doch bis jetzt war sie nicht gelöscht worden. Und Sophia schreiben konnte sie auch noch.
„Hey, alles okay bei dir?" Nun kam Mary auf sie zu. Sophia saß in einem der großen, roten Sessel, die es in diesem Laden gab und sah noch immer auf ihr Handy. Mary setzte sich neben sie und blickte sie mit fragendem Blick an.
„Natürlich, mir geht es super", antwortete Sophia knapp und ließ schnell ihr Handy in ihrer Jackentasche verschwinden.
„Du wirkst so abwesend heute. Wir sind jetzt schon eine halbe Stunde hier und du hast noch nichts anprobiert oder dir auch nur angeguckt."
„Das stimmt. Kann sein, dass es mir heute wirklich nicht so gut geht. Vielleicht werde ich krank." Demonstrativ kramte sie eine Packung Taschentücher aus ihrer Handtasche.
„Aber doch nicht so kurz vor dem Ball." Mary riss die Augen auf. Dieses einmalige Event ohne Sophia zu erleben war für sie undenkbar.
Doch Sophia gab sofort Entwarnung, obwohl es ihr fast lieber gewesen wäre, das ganze Ereignis abzublasen. „Bis dahin bin ich sicher wieder fit."
„Sophia? Mary? Wo seid ihr?" Wieder kam Lana in den Vorraum herein und winkte die beiden zu sich. Fast hätte Sophia genervt aufgestöhnt, doch sie verkniff es sich schnell. Sie sollte ihre schlechte Laune nicht an ihren Freundinnen auslassen, denn die trugen keine Schuld daran.
„Wir sind hier!" Mary sprang wieder auf und winkte ihrer Freundin zu. Nun hätte sich Sophia fast gegen den Kopf geschlagen. Manchmal kamen ihr ihre Freundinnen wirklich nicht wie die schlausten Teenager vor.
Lana wirkte sehr aufgeregt. „Kommt endlich. Wir müssen euch was zeigen! Zoe sieht einfach umwerfend in dem blauen Kleid aus!"
Und wo sie recht hatte, hatte sie recht. Zoe entschied sich, nach einheitlicher Zustimmung der anderen dafür, das Kleid zu kaufen.
Die Mädchen bezahlten und steuerten auf den nächsten Laden zu. Nach dem Gespräch mit Mary fühlte sich Sophia schon viel besser. Es war nicht so, als hätte sie sich die Probleme von der Seele geredet. Das konnte sie nicht. Vor allem nicht mit Mary. Und dass, obwohl sie ihre beste Freundin war.
Doch Sophia hatte sich nun wieder ins Gedächtnis gerufen, was ihr Ziel war. Sie hatte eine Schule zu regieren und dafür musste sie mit Moritz reden. Sie musste sich ihren Prinzen zurückholen!
Die Freundinnen hatten ihre gewohnte Tour fortgesetzt und steuerten nun auf den Essensbereich zu. „Wollen wir zu Starbucks gehen?", schlug Julianna vor. Sie war die fünfte im Bunde. Das letzte Glied, welches die Clique komplett machte. Ihre wilden Afro-Locken wippten bei jedem Schritt und ihre hohen Schuhe klackerten im Takt über den Boden, während sie sich mit den Mädchen ihrem Lieblingsgetränkeladen näherte.
„Wenn sich jemand für mich anstellen möchte, nehme ich was." Zoe sah mit sehnsüchtigem Blick auf die lange Schlange vor dem Starbucks. Wenn man Glück hatte, stand man wenige Minuten in der Schlange, doch die Mädchen mussten oft über zehn Minuten warten.
„Wenn ihr wollt, können Julianna und ich uns anstellen und ihr sucht schon mal einen Platz", bot Lana an.
„Das wäre echt super." Mary zeigte ihr ein schönes Lächeln und blickte sich dann bereits suchend nach einem Platz um. Der Essensbereich war so aufgeteilt, dass man sich außen an den verschiedenen Restauranttresen bedienen konnte und sich in der Mitte Sitzgelegenheiten befanden.
Mary steuerte auf einen etwas abgelegenen Platz zu und verteilte ihre Taschen großzügig auf allen Stühlen, sodass ja keiner mehr auf die Idee kam, sich dorthin zu setzten.
Zoe und Sophia folgten ihr langsam.
Sophia wollte gerade dazu ansetzten, Zoe etwas zu fragen, doch da hielt diese inne. Statt sich nach vorne zu bewegen, ging Zoe langsam rückwärts, um sich schlussendlich hinter einer Werbetafel zu verstecken.
Sophia sah sich suchend um. Vor was, oder besser vor wem, versteckte sich Zoe?
Die Antwort fand sich schnell. Sophia erblickte Alexander an einem der Tische. Er hatte ein Tablett vor sich stehen und biss gerade herzhaft in einen Burger, auf der anderen Seite des Tisches stand ein zweiter. Offensichtlich war er in Begleitung hier. Man konnte nur hoffen, dass es kein Mädchen war.
„Na komm Zoe. Du solltest dich nicht vor ihm verstecken. Du wirst dich jetzt auf drei mit erhobenem Haupt bei mir unterhaken und gemeinsam werden wir an ihm vorüberschreiten. Einverstanden?"
Zoe schluckte. „Ich kann nicht."
„Warum nicht?"
„Wenn er mich sieht, wird er mich umbringen. Und das meine ich wörtlich. Es steht zu viel zwischen uns. Wir können nicht einfach aneinander vorbeigehen."
Sophia schnaubte. „So ein Quatsch. Vielleicht ist er ein bisschen sauer auf dich, dass du ihn betrogen hast, aber bald wird es schon wieder Schnee von gestern sein. Alex ist doch sonst nicht nachtragend. Du wirst schon sehen, bald hat er dir vergeben."
Zoe schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht. Du hast keine Ahnung, was bei uns abgeht. Du warst vorhin in der Schule nicht mit dabei."
In der Schule? Wann hatte Zoe denn mit Alex gesprochen? Das war nicht gut! Ganz und gar nicht gut!
Zoes große braunen Augen wanderten immer wieder von Alex zu Sophia. Sie schien wirklich große Angst zu haben.
Langsam fragte Sophia: „Und was genau habt ihr in der Schule besprochen?"
„Er hat mich angebrüllt. Erst habe ich nicht verstanden, worum es ging, doch irgendwann hat es klick gemacht. Alex meinte, ich hätte ihn gestern schon wieder, und mit einem anderen Jungen betrogen. Eine Zeit lang habe ich es abgestritten, doch irgendwann wurde es mir zu doof. Er ließ mich ja gar nicht ausreden. Also habe ich ihm gesagt, dass es stimmt und dass ich es genossen habe. Dass dieser Junge mir viel mehr geben konnte, als er. Ich habe keine Ahnung, was da in mich gefahren ist. So etwas würde ich doch niemals tun! Leider haben meine Beichte aber viele unserer Mitschüler mitbekommen."
Oh nein! Zoe hatte nun also nicht nur sich und Alex, sondern auch gleich die ganze Schule in den Skandal mit reingezogen. Das war nicht gut für Zoes Image und somit auch nicht gut für Sophias.
Wieder sah sie sich zu Alex um und musste feststellen, dass er weg war. Nein, nicht weg. Er hatte sich erhoben und war auf dem Weg zu ihnen. Er hatte sie entdeckt.
Zoe verkrampfte sich neben ihr. „Ich muss hier weg", flüsterte sie.
Sophia nickte angespannt. Zoe hatte nun nicht nur sich selbst, sondern auch Sophia zur Zielscheibe gemacht. Und das wusste Zoe. Sophia würde sie jetzt gerade nicht beschützen, sie würde sich lieber Alex anschließen und sie fertig machen.
Niemals durfte sich ein Mitglied aus der Clique einen Fehltritt erlauben. Vor allem Zoe nicht, die erst seit kurzem dabei war. Jetzt würde die Gerüchteküche rund um Zoe und ihre One-Night-Stands heftig brodeln.
Sophia biss sich angestrengt auf die Lippe, während die Zoe zuflüsterte: „Geh jetzt." Natürlich hätte dieser Satz auch nett gemeint sein können, immerhin stellte sich Sophia Alex so in den Weg. Doch die beiden wussten, dass daraus nur pure Enttäuschung sprach.
Also drehte sich Zoe um und lief davon. Man hörte, wie sie leise anfing zu weinen. In Sophias Kopf breitete sich eine Leere aus. Sie wusste nicht, was sie fühlen sollte.
Konnte sie Zoe noch vertrauen?
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