Fünf: Moritz

Montag 09.02.2019     16:44 Uhr

Moritz Holin


Wenige Minuten zuvor hatten sich Moritz und Alexander gemeinsam einen Platz im Essensbereich der Mall gesucht. Sie hatten sich Burger und Pommes bestellt und wollten damit ihren erfolgreichen Einkauf feiern.

Moritz hatte bereits den ganzen Morgen in der Mall herumgelungert. Hatte sich im Technikmarkt die Zeit mit den Demoversionen der PlayStation-Spiele vertrieben und seinen Handyakku in verschiedenen Cafés immer wieder aufgeladen. Nach der Englischstunde war Alex dann zu ihm gestoßen und sie hatten sich ihre Anzüge für den Valentinsball gekauft.

Da sie nun beide ohne Begleitung hingehen würden, waren sie kurz davor gewesen, die Aktion abzublasen. Was wollte man alleine auf einem Ball?

Doch dann dachte Moritz an sein Erscheinungsbild und die Enttäuschung seiner Eltern, sollte er nicht hingehen. Er war schon jetzt nicht mehr der Beliebteste, wie sollte das erst danach aussehen?

Und auch wenn er es niemals zugeben würde, eigentlich freute sich Moritz auf den Ball. Dieser Abend brachte Abwechslung in sein sonst so langweiliges Leben.

„Meine Schwester wird sich freuen. Sie hat mir heute morgen eingeflößt, mir auf jeden Fall einen schwarzen Anzug zu kaufen. Etwas anderes würde nicht gut aussehen." Alex nahm einen Schluck von seiner eiskalten Limo.

Moritz lachte. „Dann darf ich mich wohl nicht bei ihr blicken lassen." Er hatte sich nämlich einen blauen Anzug ausgesucht. Sophia hatte ihm ebenfalls zu schwarz geraten, aber alleine deswegen hatte er zu einer anderen Farbe gegriffen.

„Stimmt. Aber du hattest doch sowieso nicht vor, dich mit meiner Schwester zu treffen. Oder?"

„Natürlich nicht."

„Da bin ich aber beruhigt. Wenn ihr eine Beziehung hättet und diese dann auseinanderfallen würde ..."

Moritz unterbrach ihn. „Wow, wow, wow. Stopp. Wo denkst du hin?"
„Das ist rein hypothetisch. Stell dir vor, eure Beziehung würde genauso zusammenbrechen wie Zoes und meine, dann würde meine Schwester dich doch nie wieder in unser Haus lassen. Sie würde ..."

„Alter, komm runter. Ich habe nicht vor was mit deiner Schwester anzufangen. Sie ist drei Jahre jünger als wir." Moritz versuchte die Stimmung herumzureißen. Alex durfte nicht in eine schlechte Stimmung abdriften. Moritz wollte nicht schon wieder mit schlechter Laune konfrontiert werden. Davon hatte er in der letzten Zeit bereits zu viel abbekommen. Vielleicht sollten sie lieber wieder über einfachere Themen reden.

Moritz nahm sein Glas in die Hand und fragte: „Hast du schon die Deutschhausaufgaben für morgen gemacht?" Er selbst hatte natürlich nicht einmal angefangen.

Er nahm einen Schluck von seiner Cola.

Leider ließ sich Alex nicht so leicht ablenken. „Klar, aber das ist nicht der Punkt. Im Prinzip könntest du etwas mit meiner Schwester anfangen. Das ist ja kein großer Altersunterschied. Der Typ, mit dem Zoe gestern was gehabt hatte, war doch auch erst dreizehn."
Moritz prustete los. Die Cola verteilte sich auf seinem T-Shirt und seinen Armen, dem Tablett und ein bisschen landete auch auf Alex.

„Na ganz toll", stöhnte dieser.

„Sorry." Moritz nahm seine Serviette und reichte sie Alex. „Aber du kannst sowas doch nicht einfach beiläufig erwähnen. Ich geh mal kurz auf die Toilette und wasch mir das Zeug von den Armen. Kommst du mit?"
„Nein, schon gut. Ich passe auf unsere Sachen auf."

Moritz bedankte sich und ging zur Toilette. Alex war heute echt nicht gut drauf. Wie kam er auf die Idee, Moritz würde etwas von seiner Schwester wollen? Und warum machte er jetzt schon wieder Zoe schlecht? Gut, sollte das Gerücht über den Dreizehnjährigen war sein, war sie vielleicht kein Unschuldslamm, aber Alex war sicher auch nicht immer so toll, wie er vorgab zu sein.

Wenige Minuten später hatte Moritz sich gesäubert und setzte eine neutrale Miene auf, als er zu seinem Platz zurückging. Er hatte das heikle Gesprächsthema schon fast wieder vergessen, als ihm Zoe entgegengelaufen kam.

Sie war kurz davor zu weinen, wenn nicht schon dabei. Moritz sah es an der Art, wie sie ihren Mund nach unten zog und an den großen, traurigen Augen.

„Hey", begrüßte er sie, als sie an ihm vorbeihuschte.

„Jetzt nicht." Zoe verschwand auf der Mädchen-Toilette.

Moritz überlegte kurz, sah sich dann aber gezwungen, ihr nachzulaufen. Noch immer tat Zoe ihm leid und er wollte ihr helfen.

Langsam öffnete er die Tür. Neben den Waschbecken und den Spiegeln führte eine weitere Tür zu den Toiletten. Doch Moritz brauchte gar nicht weiter eintreten, Zoe stand vor den Spiegeln und weinte ihr Spiegelbild an.

Zum Glück war sie die einzige Person im Waschraum, soweit Moritz es erblicken konnte. Ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, was sein Verhalten für Auswirkungen haben konnte, trat er ein und schloss die Tür hinter sich.

„Hey Zoe. Kann ich dir helfen?", fragte er langsam.

„Natürlich nicht." Ihre Augen wurden groß, als sie erkannte, wer sie da beobachtete. „Geh einfach weg."

„Ist es wegen Alex?" Statt wegzugehen, trat Moritz einen Schritt auf sie zu.

Zoe zuckte die Schultern. „Unter anderem."

„Sophia?"

Wieder ein Schulterzucken. „Glaubst du, was dir anderen über mich erzählen?"

„Das du dir jeden unter den Nagel reißt und deswegen niemals einem Jungen oder einem Mädchen treu sein wirst?"

„Ja."

„Nein. Nein das glaube ich nicht." Wieder ging Moritz einen Schritt auf sie zu. Er hatte kein Taschentuch dabei, also nahm er eins der Einweghandtücher und hielt es ihr hin.

Zoe ignorierte es und betrachtete nur weiter ihr Spiegelbild. „Damit bist du dann aber der Einzige. Die ganze Welt denkt, ich sei herzlos, nur weil ich mir einen Fehltritt geleistet habe. Dabei wünsche ich mir doch nur jemanden, der mich versteht. Ich wünsche mir jemanden, mit dem ich über all meine Probleme reden kann, ohne dass ich dafür verurteilt werde. Vielleicht gibt es so eine Person bereits, doch sie sieht gar nicht, wie sehr ich sie brauche. Oder ich bilde mir das alles nur ein. Vielleicht bin ich verdammt dazu, den Rest meines Lebens unglücklich zu sein."

Moritz seufzte. Er wusste, was Zoe meinte.

„Ehrlich gesagt, verstehe ich dich." Langsam strich er mit dem Tuch über ihre Wange, um ihr die Tränen abzuwischen, da sie es selbst nicht gemacht hatte. „Mein Fußballteam und meine Freundin haben mich beide abgeschoben, nur weil ich eine Zeit lang mal nicht der Beste war. Und jetzt habe ich alles verloren. Mein Ansehen, meine Freunde, Sophia."
Zoe zuckte zusammen. „Das ... das war mir gar nicht bewusst."

Moritz schnaubte. „Warum wohl? Ich bin ja jetzt quasi unsichtbar."
„Besser unsichtbar, als unbeliebt."

„Das ist wohl war." Moritz warf das Tuch beiseite, da er alle Tränen getrocknet hatte. Zoe weinte nicht mehr. Sie sah ihn nur noch mit großen, haselnussbraunen Augen an.

„Du überstehst die Zeit schon. Halt dich eine Weile im Hintergrund und dann haben dich die Leute bald vergessen", riet er ihr.

„Ich denke nicht. Solange ich mit Sophia befreundet bin und das soll eigentlich auch so bleiben, werde ich immer im Mittelpunkt stehen."
Moritz grinste. „Der Mittelpunkt gehört wohl ihr alleine."
„Ja klar, aber ich werde trotzdem immer in der Nähe sein."

„Vielleicht sollten wir das Ganze nicht so ernst nehmen. Scheiß auf unser Image, scheiß auf Sophia. Wir sollten das tun, was uns Spaß bereitet."

„Aber das hat doch gar nichts mit der Sache zu tun. Die Lügen und der Gossip über mich werden nicht einfach so verschwinden. Und du wirst doch auch nicht wieder der Kapitän, nur weil du es gerne so hättest."

Moritz' Gesicht war noch immer ganz nah an Zoes. Nun senkte er seinen Kopf weiter, sodass sich ihre Lippen fast berührten. Er spürte ihren Atem.

„Da hast du wohl recht. Aber ich werde jetzt trotzdem das tun, was ich möchte. Und das Gerede der anderen wird mich nicht aufhalten."

Zoe lächelte traurig. „Und was ist, wenn es irgendwann mehr als nur Worte sind? Sophia hätte die Macht, uns beide auch mental zu zerstören."

„Darum kümmere ich mich, wenn es soweit ist."

Und mit diesen Worten drückte Moritz Zoe einen Kuss auf die Lippen. 

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Können wir bitte diesen historischen Moment festhalten? Dying Beauty ist auf Platz eins in der Kategorie #Mordfall. Und auch in vielen anderen in der Top Ten. Vielen Dank :)

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