Eins: Mila
Samstag 07.02.2019. 23.57 Uhr
Mila Fossile
Mist! Schon so spät? Mila hatte die Zeit komplett vergessen, während sie an ihrem Laptop saß und einen Algorithmus nach dem anderen schrieb. Dabei verzog sich ihr Gesicht immer wieder zu den merkwürdigsten Grimassen und ihre Augen fielen von Zeit zu Zeit zu, weil sie sich so auf den Laptop fokussierte. Zufrieden sah sie schließlich auf und drückte auf eine letzte Taste.
Das Licht in ihrem Zimmer erlosch. Erst nur langsam, doch dann wurde es im ganzen Raum schwarz. Nur das Licht des Laptops erhellte Milas Gesicht, sodass man sie triumphierend Lächeln sah.
Sie hatte es geschafft.
Seit Jahren forschte sie im Internet (wohl eher im Darknet) nach den besten Hackmethoden. Zuerst erschien es ihr aussichtslos überhaupt jemals etwas hacken zu können, doch mit der Zeit wurde sie immer besser und besser.
Mit einem weiteren Klick auf ihrem Laptop ging das Licht wieder an.
Kurz wartete Mila angespannt, da sie Angst hatte, dass sich ihre Eltern bei ihr melden würden. Wenn sie jetzt von ihnen gerufen und gefragt wurde, ob auch bei ihr der Strom ausgefallen war, dann hatte sie verloren, denn ihr Plan war es gewesen, lediglich die Stromversorgung in ihrem Zimmer zu kontrollieren. Befehle zu geben, die nur ihren Raum betrafen.
Doch ihre Eltern meldeten sich nicht bei ihr, und das Lächeln erschien wieder auf Milas Gesicht. Anscheinend hatte sie es geschafft. Es war Zeit, sich dafür zu belohnen. Also drückte sie wieder auf "Enter".
An, aus. An, aus. An, aus.
Eine Weile spielte sie zufrieden mit ihrer neuen Fernsteuerung.
Mittlerweile zeigte ihre Uhr schon fast Mitternacht.
Ich sollte wirklich schlafen gehen, dachte Mila.
Sie nahm ein letztes Mal ihr Handy zur Hand und checkte ihre Nachrichten. Isabella, ihre beste Freundin, hatte ihr geschrieben.
Isabella Goldbaum:
Mila! Ich kann nicht schlafen!
Mila Fossile:
Zähl Schäfchen!
Isabella Goldbaum:
Sehr lustig! Was machst du denn noch?
Mila Fossile:
Ich versuche zu schlafen! Aber eine gewisse Person hält mich davon ab. Der Name der Person beginnt mit I.
Isabella Goldbaum:
Haha! Ich lach mich tot! Noch mehr Witze parat?
Mila Fossile:
Ne, tut mir leid, bin zu müde. Bis morgen.
Isabella Goldbaum:
Schlaf gut.
Mila Fossile:
Au revoir.
Das war es dann auch mit Milas Französisch-Kenntnissen. Obwohl sie Halbfranzösin war, sprach sie nur Schulfranzösisch. Ihre Mutter war nicht stolz drauf, aber ihr war es relativ egal.
Beim Hacken brauchte man ja sowieso nur Englisch.
Mila dachte an all die Französischstunden, die sie damit verbracht hatte, an die Wand zu starren, und über bevorstehende Hacks nachzudenken. Einmal war sie von ihrer Lehrerin angesprochen worden und hatte ihr auf Englisch geantwortet. Das hatte ihr eine ordentliche Standpauke (natürlich auf französisch) eingebrockt.
Aber auch in den meisten anderen Unterrichtsfächern wirkte sie oft abwesend und dachte viel lieber über (wichtigere) Dinge nach. Was nützte es ihr, eine Dramenszene interpretieren, oder ein Kunstwerk analysieren zu können. Sie würde dies nach ihrer Schulzeit mit Sicherheit nie wieder brauchen.
Hacken war zwar auch kein Hobby, welches sie sich auf ihren Lebenslauf schreiben konnte, doch es machte bei weitem mehr Spaß und half ihr, mehr Selbstbewusstsein aufzubauen. Seit Mila mit dem Hacken begonnen hatte, fühlte sie sich irgendwie lebendiger. Sie hatte ein Ziel und somit einen Lebensinhalt gewonnen, gleichzeitig war sie stolz auf sich, wenn ihr ein Hack gelang.
Sie hatte schon jetzt viel in ihrem Leben erreicht. Wenn sie wollte, könnte sie die ganze Elektronik der Stadt von ihrem Laptop aus steuern. Ob dies legal war, war dabei eher Nebensache. Der Gedanke, diese Möglichkeit zu haben, zählte.
Hacken war Milas Leidenschaft und diese konnte ihr keiner nehmen.
Wie aufs Stichwort tauchte plötzlich eine neue E-Mail in ihren Benachrichtigungen auf.
Hallo Mila Fossile.
Du weißt nicht, wer ich bin, und das ist auch nicht wichtig.
Aus sicherer Quelle weiß ich, dass du gut im Hacken von elektronischen Geräten bist.
Du hättest nicht zufälligerweise Lust, mir mein Geld, welches sich auf dem Konto mit der Nummer
25******* befindet, auf dieses Konto (83*****) zu übertragen. Für dich würden auch 5.000 € Taschengeld dabei herausspringen.
Wenn du dich für ganz schlau hältst, und mein Geld auf dein Konto, statt auf meins überträgst, werde ich dies wohl der Polizei melden müssen.
Ich bin sicher, wir verstehen uns. Melde dich, wenn du mein Geld hast, dann bekommst du deins.
Und natürlich solltest du mir Bescheid sagen, ob du den Auftrag annimmst, da ich sonst jemand anderen um Hilfe bitte. Außerdem gebe ich dir nach deiner Zustimmung meine Passwörter/Sicherheitscodes für mein Konto. Die des anderen habe ich natürlich nicht, es ist ja deine Aufgabe, dieses zu hacken.
Mit freundlichen Grüßen
-das wüsstest du wohl gerne-
PS: Versuch erst gar nicht, herauszufinden, wer ich bin.
Mila schluckte langsam. Sie atmete einmal, sie atmete ein zweites Mal, doch noch immer konnte sie nicht begreifen, was sie da gerade für eine Nachricht bekommen hatte.
Bis jetzt hatte sie immer nur zum Spaß gehackt. Sie hatte ihre Helden aus Kriminal-Serien und Filmen imitiert und ihr Ego damit gepusht. Doch jetzt sollte sie ein Bankkonto hacken?
Das war wohl doch eine Nummer zu groß für sie, wie Mila fand.
Nachdenklich schaltete sie nun endgültig ihr Licht aus, doch an Schlaf war nicht zu denken.
Irgendjemand wusste, dass sie gerne hackte. Jemand hatte ihr größtes Geheimnis herausgefunden und das war viel gruseliger als die Drohung in der Nachricht.
Es war ein Dilemma. Eine Menge Geld gegen ihren Verstand. Verlangen gegen Gewissen. Bauch gegen Kopf.
Kurz schlich Mila auch der Gedanke durch den Kopf, dass dies alles ein Witz war. Das die Mail von einem kleinen Kind geschrieben wurde, jemandem, der auf ihre Schule ging und ihre Mail-Adresse in einer Liste gefunden hatte. Sie war zufällig ausgewählt worden und wurde nun von demjenigen geprankt. Sie wollte dies glauben, doch leider wirkte die Mail viel zu echt.
Die Worte waren gut gewählt und das Motiv leuchtete ein. Eine Person schuldete einem anderen Menschen Geld und sie sollte dieses von dem Konto hacken. Mila vermutete, dass dies der Grund war.
Und selbst wenn sie falsch lag, eigentlich spielte der Grund auch keine Rolle. Was zählte waren die Fakten. Entweder würde sie durch diesen Auftrag um 5.000€ reicher sein, im Gefängnis landen, oder sie konnte ihn einfach ablehnen. Die Vernunft sollte siegen, doch wer kannte nicht den verlockenden Nervenkitzel, wenn man etwas Gefährliches tat?
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Dying Beauty ist auf Rang #19 in Schule. Danke, danke, danke.
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