Was du nicht siehst

Zunächst wusste ich nicht, was ich denken oder sagen sollte, als ich aufgrund der plötzlichen Berührung zusammenzuckte. Ihre Stimme drang zwar zu mir durch, doch bei allem, was ich die letzten Tag durch gemacht hatte, kam sie mir unwirklich vor. So ließ ich zu, dass schlanke Arme, mein Gewicht stützten und mich sanft Richtung Bett schoben. Langsam setzte ich mich auf die Matratze und hob meinen Blick. Warme braune Augen, die im schummrigen Licht des Feuers fast schwarz wirkten, sahen mich besorgt an. „Vicki? Was ... wie? Du ... du bist gestorben ... Ich hab ..." flüsterte, ich verlor mich jedoch mitten im Satz. Sie prüfte kurz, ob es sicher war, mich loszulassen und ging mit einem großen Schritt auf Abstand. Aus irgendeiner Ecke holte sie einen Hocker hervor und setzte sich selbst mit einer eleganten Bewegung vor mich. Lange sah sie mich einfach nur schweigend an, ohne eine Emotion in ihrem Gesicht. In Natur sah sie noch schöner aus, als eine Handykamera es je wieder geben konnte. Ihre langen Haare hatte sie locker zu einem Zopf geflochten, der ihr über der Schulter hing. Und sie trug ein Shirt, das verdächtig nach einen von meinen aussah. Zumindest glaubte ich nicht, dass sie sich eins mit der Aufschrift „Software IS like Sex, IT's better when IT's free" kaufen würde. Außerdem war es ihr viel zu groß. Was mein Augenmerk auf ihre nicht vorhandene Hose richten ließ ... zumindest konnte ich keine erkennen. Ich schluckte und merkte, dass sie eine Augenbraue hochzog und den Kopf schief legte. „Geht es oder brauchst du noch einen Moment?"

Das rückte nun auch meine letzten Gehirnzellen zurecht und ich fand endlich meine Sprache wieder. „Ob es geht? Vicki, DU BIST GESTORBEN! VOR MEINEN AUGEN! Und jetzt sitzt du hier und fragst mich, ob es geht? WAS SPIELST DU HIER?"

Ich wollte nicht laut werden, aber ich konnte einfach nicht mehr. Nichts ergab mehr Sinn.

Nur beeindruckte sie das nicht. Ihr Gesichtsausdruck bleib eine Neutrale Maske und ihre Stimme klang ruhig wie ein See im Sonnenlicht. „Jake, ich verstehe das du sehr viele Fragen hast und ich werde sie dir so gut ich kann beantworten, sonst säße ich wohl nicht hier. Aber es wäre nett, wenn du mich nicht anschreien würdest."

„Dann fang doch eventuell mal damit an, dass ich gesehen habe, wie du gesprungen bist... Da war so viel Blut... Ja sogar ein Video von deiner Leiche habe ich gesehen und doch scheint es dir ja prächtig zu gehen ..."

Sie atmete tief durch „Das ist eigentlich gar nicht so schwer. Ich habe den vorbereitet und Anschluss die Stelle mit Blut präpariert. Da ich Kanadierin bin, tauche ich in den Staaten in keiner Datenbank auf. Ich habe mir 2 Blutkonserven besorgt und sie an der Stelle verteilt, mir selbst ist nichts passiert. Es ist nicht das erste Mal, dass ich in einen Wasserfall springe. Das Video war komplizierter, aber die einfachste Antwort ist Filmmakeup. Und nicht dabei atmen. Dann das Ganze in einen Loop setzen und so oft durch die Bildschirmaufnahme am Handy jagen, das es nichts mehr von der ursprünglichen Datei hat. Jake, hör zu ..."

Ich unterbrach sie harsch. So wie sie es erzählte, klang es, als würde sie über einen Kinderstreich sprechen? Und das wiederum machte mich wütend. Sie hatte mir nur gespielt und das alles für einen Witz gehalten. „Also war das für dich alles nur ein makabrer Zeitvertreib, so als Krönung, nachdem du mich verraten hast?"

„Ich habe dich verraten? Das denkst du also über mich? Bist du sicher, dass du mit solchen Vorwürfen um dich werfen kannst Jake? Wenn ich dich doch angeblich verraten habe, Warum bist du dann hier und verrottest nicht in einer Zelle?" Sie sprach ruhig, aber ihre Augen blitze Angriffslust.

Leider sprach sie damit genau den wunden Punkt an. „Dann erkläre es mir!"

„Ach, warum denn... Du hast doch deine Antwort bereits. Ich habe dich verraten. Es ist, wie es ist. Du solltest dich ausruhen. Deine Sachen liegen im Bad, dein Handy da drüben an der Ladestation in der Schublade. In ein paar Tagen sollte es so weit geheilt sein, das du den langen Weg nach Duskwood schafft, dann bringe ich dich in die Nähe der Stadt. Ich wünsche dir eine gute Nacht."

Damit stand sie auf und verschwand fast schon fluchtartig aus der Hütte. Und ich... kam mir mit einem Mal vor wie der letzte Idiot und ich wusste nicht einmal, warum.

Zwei Tage lang bekam ich Vicki so gut wie gar nicht zu Gesicht. Ich hatte keine Ahnung, wo sie sich den gesamten Tag rumtrieb, und abends sah sie nur kurz vorbei, um nach meinem Verband zu schauen. Jeden Versuch, mit ihr noch einmal zu sprechen, schlug sie mit einer zynischen Antwort nieder. Ich wusste nicht einmal, wo sie schlief, denn ich ging davon aus, dass sie mir ihr Bett überließ. Dennoch ging ich nicht einfach, obwohl ich es jederzeit konnte. Sie hatte mir mehr als einmal klar gemacht, das ich machen konnte, was ich wollte. Sie würde mich nicht aufhalten, aber etwas sagte mir, das ich bei ihr bleiben sollte, solange sie mich nicht wegschickte, in der Hoffnung, dass sie noch einmal mit mir reden würde. Und um ehrlich zu sein, war diese Hütte das Gemütlichste, was ich seit Langem bewohnt hatte. Ganz zu schweigen davon, dass Vickis essen einfach himmlisch war. Wo sie wohl das Fleisch her hatte?

Das änderte sich jedoch als es eines Abends unerwartet an der Tür klopfte. Ich hatte mich gerade mit einem Buch auf die Lauer gelegt, da Vicki gerade im Bad war. Diese stürmte sofort aus der kleinen Nasszelle. Mein Fehler dabei war jedoch, dass ich mich sofort nach ihr umdrehte und dabei fast den zweiten Herzinfarkt in meinem Leben bekommen hatte. Den Vicki trug absolut nichts. Sofort klebte mein Blick auf ihren Rundungen, ohne dass ich es beeinflussen konnte. Ich schluckte und sah schnell hoch, dabei begegneten sich unsere Blicke, ehe sie sich unbeeindruckt umdrehte und die Treppe hinauflief. Nur um 2 Minuten später angezogen wieder hinunterzukommen. Jetzt verstand ich langsam warum manche Männer sagte, das Frauen einen früh ins Grab brachten.

Ein erneutes aggressives Klopfen riss mich aus meinen Gedanken, während Vicki nicht weniger genervt die Tür aufriss. „Ihr seid zu spät, viel zu spät!"

„Ja was soll ich sagen, deine Straßenanbindung hier am Tor zur Hölle ist einfach ein Traum Kleines."

Mir schockgeweiteten Augen sah ich zu, wie Phil Hawkins ohne großen Aufstand mit einer riesigen Holzkiste durch die Türschwelle schritt und meiner Vicki einen Kuss auf die Wange gab. Doch die Person, die hinter ihm zum Vorschein kam, brachte das Fass zum Überlaufen.

„Was mein Bruder sagen möchte, ist, dass er sich verfahren hat. Hier funktioniert ja kein Navi. Oh Hallo Jake, wie ich sehe, geht es dir besser."

„WAS ZUR HÖLLE IST HIER LOS? DU WUSSTEST ES!"

Jessica zuckte zusammen und Phil sah erst mich wütend an und dann Vicki. „Du hast ihn nicht aufgeklärt?"

Vicki zuckte lediglich mit den Achseln und nahm Phil die Kiste ab. „Ich hielt es nicht für nötig, da Jake seine Meinung schon gebildet hat. Allerdings würde es ihm guttun, wenn er in meinem Haus nicht meine Freunde anschreien würden. Wenn du entschuldigst, ich verträum die Vorräte. Jessy hilfst du mir, die Luft ist mir hier drin zu stickig."

Diese nickte lediglich und ließ sich von Ihr aus der Tür schieben.

„Ernsthaft, du lässt mich mit ihm jetzt einfach hier stehen?" Murmelte Phil vor sich hin und seufzte, ehe er mich ansah.

„Also was ist los? Warum ist V so angepisst auf ihren Lieblingshacker?"

„Das sollte wohl eher ich fragen, mit mir redet sie nicht, und dass ihr hier seid, lässt den Schluss zu, dass ihr es wusstet."

„So einfach ist das nicht Sherlock. Aber ja, grob betrachtet haben wir Vicki geholfen. Weißt du, ich habe ihr viel zu verdanken und wenn so eine Frau wie V auf dich zu kommt und dich um einen Gefallen bittet, ohne Fragen zu stellen, da ist die einzige Option ein Wann und wo? Was Jessy betrifft, V war immer für sie da, egal bei was, aber wenn es nicht das Richtige gewesen wäre, dann hätte sie V aufgehalten. Alles Weitere solltest du aber wirklich V selbst fragen. Nach allem, was sie getan hat für dich ist das wohl das Mindeste das du ihr genug Vertrauen schenkst, sich ohne Vorurteile erklären zu dürfen. Ich bin nur der Barkeeper, der die Vorräte liefert, die V nicht im Wald bekommt." Damit ließ er mich allein und ich fühlte mich noch schlechter. Musste ich mir jetzt wirklich von jemanden wie ihm erklären lassen, das ich falsch damit liege, wütend zu sein, nachdem ich durch die Hölle bin wegen ihr?

Für heute hatte ich jedenfalls keine Lust mehr und zog mich in meine Nische zurück, die Vicki mir zugesprochen hatte. 

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